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Als Kaiser Wilhelm II. in Afghanistan Krieg führen wollte

Als Kaiser Wilhelm II. in Afghanistan Krieg führen wollte

Otto Huber
24.05.2012, 11:46 Uhr
Beitrag von Otto Huber

Im Morgengrauen des 1. September 1916 schleppt sich in der westpersischen Stadt Hamadan ein abgerissener Bettler in das Hauptquartier der türkischen Armee. Er ist verwundet. Der linke Arm gebrochen, am Kopf schwere Platzwunden. „Der Willkommensgruß durch einen anatolischen Gewehrkolben ", wird er später in seinen Erinnerungen schreiben. Die Elendsgestalt verlangt General Ali Ihsan Bey zu sprechen. Er wird vorgelassen, nimmt militärische Haltung an und stellt sich vor: Oskar von Niedermayer, Hauptmann des 10. Königlich Bayerischen Feldartillerieregiments.

Die Episode erinnert an die Szene in Sam Spiegels Wüstenepos "Lawrence von Arabien", als sich der halb verdurstete Lawrence, von Peter O'Toole meisterhaft gespielt, bei seiner Etappe in Suez zurückmeldet. Was sich 1916 in Hamadan ereignete war aber kein Hollywoodfilm. Es war das Ende eines eineinhalb Jahre dauernden Abenteuers, das zu den bizarrsten militärischen Operationen der Kaiserlichen Deutschen Armee im I. Weltkrieg zählt.

Oskar von Niedermayer kam 1885 in Freising zur Welt und begann seine Laufbahn bei der Artillerie. Der Offizier, groß gewachsen, von athletischer Statur, wird 1914 als Chef einer geheimen Militärmission nach Konstantinopel abkommandiert, wo er auf seine 50 Mann starke Truppe trifft. Der Nachschub an Material und Waffen verläuft chaotisch. Trotz aller Widrigkeiten erreichen die Deutschen am 25. April 1915 Teheran.

Verlustreiche Nachtmärsche durch die Wüste.

Jetzt beginnt der schwierigste Teil der Expedition. In endlosen Nachtmärschen wird die persische Salzwüste Kewir durchquert. Ständig bedroht von russischen Kosaken und von Kamelreiter aus Belutschistan, die unter Führung erfahrener englischer Kolonialoffiziere der Karawane den Weg abzuschneiden versuchen. Mit viel Glück entkommt Niedermayer seinen Verfolgern. Am 22. August 1915 überquert er die Grenze nach Afghanistan. Die zerlumpten Wüstenkrieger versuchen sich wieder in eine Militär-Delegation des Deutschen Kaiserreiches zu verwandeln und lassen sich im Basar der nordafghanischen Stadt Herat neue Uniformen schneidern.

Am 1. Oktober 1916 treffen sie in Kabul ein und werden wie Staatsgäste empfangen. Bald kommt es zur ersten Begegnung mit Emir Habibullah dem Herrscher Afghanistans. Zweck der Mission ist es, ein Bündnis zu schmieden zwischen dem Deutschen Reich und Afghanistan gegen die imperiale Großmacht England. Habibullah erweist sich als gewiefter Orientale. Er hält die Deutschen hin. Auch der persönliche Brief Kaiser Wilhelms, von Monarch zu Monarch, macht nicht den erhofften Eindruck. Trotzdem wird ein Handels- und Freundschaftsvertrag paraphiert.

Deutsche Militärtechnik für die afghanische Armee.

Mehr Erfolg hat Niedermayer mit seinen Bemühungen um die Modernisierung der afghanischen Armee. Er gibt Generalstabskurse und unterrichtet Pionieroffiziere im Festungsbau. Für die Artillerie konstruiert Niedermayer eine Zielvorrichtung, die indirektes Schießen möglich macht. Öffentlichen Schießübungen lösen unter der Bevölkerung Kabuls einen Sturm der Begeisterung aus.

Im Frühjahr 1916 wird die Lage für die Deutschen ungemütlich, nachdem die Engländer dem Emir eine hohe Geldsumme zukommen lassen. Korruption hat in Afghanistan Tradition und die Engländer beherrschten das Spiel perfekt. Die deutsche Mission scheitert. Die Teilnehmer schlagen sich auf abenteuerlichen Wegen in die Heimat durch.

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