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Kunst verstehen: Edgar Degas „hinter den Kulissen von Paris ...“

Kunst verstehen: Edgar Degas „hinter den Kulissen von Paris ...“

Volker Barth
10.12.2016, 20:00 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Es ist Vorweihnachtszeit, Adventszeit, die feierliche - und viele Dinge der Schönheit, des Glanzes und des Genusses erfreuen. Spontan fallen mir dazu die grazilen und eleganten Ballettszenen im Werk des französischen Malers Edgar Degas ein.

Ist es nicht bezaubernd, festlich und hinreißend wenn Stichworte des Ballettes wie Schwanensee, Bolschoi, Petersburg, Moskau und das Pariser Opernhaus fallen? Man denkt an Spitzentanz, Pirouetten, elegante Sprünge, Pas de deux und rauschenden Tüll.

Gegen die "Salons"

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870-1871 begann Edgar Degas mit seiner „Ballettmalerei“. Im Jahre 1874 organisierte Edgar Degas gemeinsam mit einer Gruppe avantgardistischer Künstler die erste von einer Ausstellungs-Reihe, die als „Impressionisten-Ausstellungen“ in die Kunstgeschichte eingingen und das Ausstellungs-Monopol der „Salons“ brachen. Edgar Degas nahm mit einer Ausnahme an allen acht Ausstellungen bis 1886 teil.

Die erste Gruppenausstellung der „Impressionisten“ fand ab dem 15. April 1874 im Atelier „des Pariser Fotografen Nadar“ statt. Dieser stellte seine Räume zur Verfügung, da er ein Befürworter dieser Kunstrichtung war. Zu ihr gehörten z.B.: Claude Monet, Auguste Renoir, Camille Pissarro, Alfred Sisley, Edgar Degas, Paul Cezanne und Berthe Morisot.

Apropos Fotografie

Von Anfang an stieß die „Fotografie“ in der Kunstwelt auf sehr großes Interesse. 1837 entwickelte Louis Jacques Mande Daguerre ein Verfahren, das „Bilder“ auf versilberten Kupferplatten herstellten konnte, Daguerreotypien genannt. Kritiker proklamierten daraufhin den baldigen "Tod der Malerei".

Der Maler Edgar Degas interessierte sich gezielt für die Fotografie, er schrieb ihr magische Fähigkeit zu, um den Augenblick zu bannen. Tatsächlich kann man auf seinen Bildern Elemente entdecken, die ihren Ursprung darin haben: z. B.: der besondere Blickwinkel, die asymetrische Anordnung und die randnahen Figuren.

Das Pariser Opernhaus

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die „Grand Opera“ als neue Stütze der Oper. Aus den Tanzeinlagen der Opern, die in Frankreich so wichtig waren, entwickelte sich ein eigenständiges Ballett.

Als Edgar Degas sein Atelier auf dem Montmartre hatte, wurde in der „Rue Le Peletier“ täglich intensivst geübt und getanzt - bis am 27. Oktober 1873 ein Feuer diesen „Tanzpalast“ zerstörte. Am 5. Januar 1875 eröffnete wieder die "Alte Oper", nach ihrem Architekten „Palais Garnier“ genannt. Sie gehört bis heute mit 1979 Plätzen zu den architektonischen Sehenswürdigkeiten von Paris und ist eine „nationale“ Institution.

Damals berichtete Edgar Degas über das alte Opernhaus in der Rue Le Peletier:
„Dann, wenn man die Tür des Foyers durchschritten hat, die über die Treppen zu den Kulissen führt, flattern sie in diesem Treppenhaus umher - hüpfend, erzählend, summend, lachend, Liebesbriefe öffnend, an Blumensträußen schnuppernd, Süßigkeiten oder Äpfel naschend -, der vollständige Schwarm dieser reizenden Kreaturen, die Liebeleien und der Genuss des damaligen Paris, die das Licht, die Bewegung, das Leben und die Freude des armen alten Gebäudes waren.“

Aber Edgar Degas malte - mit wenigen Ausnahmen - nicht das große bejubelte „Bühnenereignis“, sondern die tägliche „harte“ Arbeit an der Ballettstange, das Aufwärmen und Dehnübungen vor dem Spiegel, das Schnürren der Ballettschuhe usw., usw.. - und alles für den „hoffentlich“ großen Erfolg mit dem vielen Beifall. Täglich besuchte Edgar Degas das Pariser Opernhaus und hielt sich hier mit Hingabe, Leidenschaft und einer enormen Beobachtungsgabe „hinter den Kulissen“ auf, er zeichnete sehr viel. Weit über 150 Ballett-Motive zeigen Tänzerinnen bei den Proben, aber auch beim Ausruhen, sie wurden bevorzugte Bilder für Degas-Sammler.

Zwischen Straßenmädchen und "Grande Horizontale"

Seine Modelle waren nun "die Menschen", vor allem die Frauen, des modernen, großstädtischen Paris. Einerseits waren es Angehörige seiner bürgerlichen Gesellschaftsschicht an Orten ihrer Freizeitgestaltung wie Rennplatz, Museum, Theater und Konzert, andererseits aber stellte Edgar Degas mit Vorliebe Frauen vom anderen Ende der sozialen Stufenleiter dar: Wäscherinnen und Büglerinnen, Putzmacherinnen und Prostituierte. Im Paris des 19. Jahrhunderts zeigten sich so unterschiedliche Erscheinungsformen wie die schlampigen Straßenmädchen, denen es nur um eine warme Mahlzeit ging, bis hin zu der „Grande Horizontale“, die ein Vermögen für ihre Dienste verlangte. Paris besaß den Ruf „europäische Hauptstadt der sinnlichen Genüsse“ zu sein. Dass die käufliche Liebe für ausländische Besucher eine der Hauptattraktionen dieser Stadt war, machte z.B. Jacques Offenbach in seiner Operette „Pariser Leben“ sehr deutlich. Das Interesse „für die soziale Wirklichkeit“ veranlasste den geschätzten Kunstwissenschaftler Werner Hofmann, Degas’ Werk dem Realismus zuzuordnen.

An zentraler Stelle in Degas‘ Spätwerk steht eine Serie von Bildern, vor allem Pastellbilder und weibliche Akte, die baden, sich waschen, abtrocknen, kämmen oder frisieren. Der Maler verzichtete darauf, ein Idealbild des weiblichen Körpers zu zeigen, wie es in der akademischen Malerei „Mode“ geworden war. Er stellte stattdessen Frauen in natürlicher Gestalt und Posen dar. Er selbst sagte dazu: „Bis jetzt ist das Nackte immer in Posen wiedergegeben worden, die eine Zuschauerschaft voraussetzen, aber diese Weiber von mir sind ehrbare, schlichte Menschenkinder, die keine anderen Interessen haben, als die, welche in ihrem physischen Zustand begründet liegen ... - es ist so, als ob man durch ein Schlüsselloch guckte.“

Biografisches

Edgar Degas, eigentlich Hilaire Germain Edgar de Gas, wurde am 19. Juli 1834 in Paris geboren und starb hier am 27. September 1917. Er war ein französischer Maler und Bildhauer, der aber oft zu den Impressionisten gezählt wird, weil er gemeinsam mit ihnen ausstellte. Seine Gemälde unterscheiden sich von denen der Impressionisten durch die exakte Linienführung und eine klare, strukturierte Bildkomposition und im Gegensatz arbeitete er überwiegend im Atelier und nicht im Freien. Zunächst malte er Historienbilder und Porträts. Später, um 1870 entdeckte er die Sport- und Bühnenwelt und schuf dann seine sehr berühmten Ballettszenen. Einerseits malte Edgar Degas zahlreiche Porträts, andererseits konzentrierte er sich auf Bildthemen, die er immer wieder variierte: das Ballett, Jockeys und Pferde, das Pariser Nachtleben sowie Frauen bei der Körperpflege. - Er widmete sich der Ölmalerei und grafischen Techniken, aber auch der Pastellmalerei, in der er es zu außergewöhnlicher Meisterschaft brachte. Und seine Plastiken zeigten eine neue Auffassung von „Skulptur“.

Gegen Lebensende verschlechterte sich seine Sehkraft und Edgar Degas konnte keine Gemälde mehr malen, er verlegte sich deshalb auf die Bildhauerei. Die Bilder von Edgar Degas drücken oft Spontaneität und Leichtigkeit aus, was vor allem an der anmutigen Körpersprache liegt, die aus den Degas Bildern spricht. Berühmt ist er durch seine Bildkompositionen geworden, in denen die Personen nicht im Zentrum des Bildes, sondern an den Bildseiten erscheinen. Noch etwas: Edgar Degas blieb unverheiratet. Über Beziehungen zu Frauen ist nichts bekannt, was den Zeitgenossen zu mancherlei Gerüchten Anlass gab.

Sehr erwähnenswert

Während der sechsten Impressionisten-Ausstellung 1881 zeigte Edgar Degas zum ersten und letzten Mal eine seiner Skulpturen öffentlich, nachdem er sie bereits länger ankündigte. Es war die „Kleine vierzehnjährige Tänzerin von 1880“ (heute Metropolitan Museum of Art, New York). Die damaligen Kritiker ärgerten sich ganz besonders über Edgar Degas‘ Wachsfigur. Sie wurde mit einem Tutu aus graugrüner Gaze, einem Haarband aus hellgelber Seide und Schuhe aus Satin lebensecht ausstaffiert. Damit verstieß Edgar Degas ganz rebellisch gegen die traditionellen Regeln der Skulptur.

Links:

(Edgar Degas - engl.)
http://www.edgar-degas.org/

(Fotograf Nadar)
https://de.wikipedia.org/wiki/Nadar

(Daguerreotypie)
http://www.daguerreotypie.de/Seite1.html

(Impressionismus - Malerei)
https://de.wikipedia.org/wiki/Impres...us_(Malerei)

(Ballett)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ballett

Map-Data:
Opera Garnier, 8 Rue Scribe, 75009 Paris

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5 Kommentare

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Vielen Dank für den Einblick " hinter die Kulissen von Paris / Degas " zu schauen.
  • 11.12.2016, 11:59 Uhr
  • 1
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Danke für den Bericht über Edgar Degas,
schon als Kind war ich begeistert von
den Ballettratten, die auf den Aquarellen
zu schweben schienen
  • 11.12.2016, 08:22 Uhr
  • 1
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Die Zeit des Impressionismus hat Spuren hinterlassen an denen man sich erfreuen kann. Ein Beitrag an welchem sich hoffentlich viele User, vom alltäglichen Stress sich erholen können.
Wer den Sinn für "Schönes" hat - kann negatives besser ertragen.
  • 10.12.2016, 23:36 Uhr
  • 3
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Schön, gelegentlich auch mal etwas Groß'artiges' und anregendes hier zu lesen. Es wird bei 'WL' ja zunehmend anstrengender, die Perlen zu finden.
Gleichgesinnten Dank, und besinnlichen Sonntag ...
  • 10.12.2016, 21:09 Uhr
  • 2
Volker Barth
Danke, danke für Deinen sehr gelungenen Kommentar ... & ein schönes Wochenende
  • 10.12.2016, 22:03 Uhr
  • 1
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