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Kunst verstehen: Pierre-Auguste Renoir „Sehen und gesehen werden ...“

Kunst verstehen: Pierre-Auguste Renoir „Sehen und gesehen werden ...“

Volker Barth
30.12.2016, 20:00 Uhr
Beitrag von Volker Barth

So könnte auch der Titel des Meisterwerkes von dem bedeutenden französischen Impressionisten Pierre-Auguste Renoir lauten, aber das Gemälde hat ganz einfach die deutsche Bezeichnung „Die Theaterloge“ von 1874. Dem Maler wird nachgesagt „ein Maler des „Lebensglücks“ zu sein.

Ein solches Lebensglück kann zum Beispiel ein Theaterbesuch am Sylvesterabend sein. Das alte Jahr wird feierlich verabschiedet mit festlicher Garderobe, einem stilvollen Prosit und einem prächtigen Feuerwerk, um dann mit Eleganz und Schwung ins neue Jahr zu starten. Ein guter Vorschlag? Zur Auswahl gibt es eine große Programm-Vielfalt, wie zum Beispiel: Konzerte, Operetten, Kommödien, Musicals, Ballettaufführungen usw.

Das Pariser Leben, damals

Ein Kölner, Jakob (später: Jacques) Offenbach, schrieb Melodien für den Inbegriff des französischen Lebens, Treibens und der Eleganz. Er verließ mit 14 Jahren die Rheinmetropole, um dann in Paris Musik zu studieren - Kompositionen waren sein Traum. Am 5. Juli 1855 eröffnete er ein eigenes Theater auf den Champs-Elysees, die „Bouffes Parisiens“ - die Pariser Komödie.

Zur Zeit von Kaiser Napoleons III. sind kleine Einakter mit Musik in Paris sehr beliebt und das Durchschnitts-Publikum ist schlicht und will sich hauptsächlich amüsieren. Jacques Offenbach übernahm solche Stücke einfach und verpflanzte sie in eine andere Welt, sein Publikum wurde eleganter und situierter - und er wurde schlagartig zu einem Star mit süßen Melodien, aber auch bissigen Worten. Dr. Peter Hawig (Buchautor und Leiter der Offenbach-Festspiele in Bad Ems) stellte süffisant fest: „Es waren mehr verheiratete Männer darunter und nicht so viele unverheiratete, die nicht wegen der Musik ins Theater gingen, sondern um Ausschau zu halten nach passenden Liebschaften.“

Jaques Offenbach war aber als Theater-Unternehmer nicht so glücklich und gab die Direktion der Bouffes Parisiens nach sieben Jahren ab. Kurz danach führte er um 1874 noch ein anderes Theater, aber nie mit großem wirtschaftlichem Erfolg, denn er neigte dazu, sein Theater sehr luxuriös auszustatten. Aber die Musik-Geschichte feierte ihn als „Vater der Operette“ und diesen Namen kreierte er ja auch.

Die Werke Renoirs zeichnen sich vor allem durch Heiterkeit und Sinnhaftigkeit aus. Besondere Bewunderung empfand er für die Arbeiten der französischen Rokokomaler Francois Boucher, Jean-Honore Fragonard und Antoine Watteau. Die Farben waren für Pierre-Auguste Renoir nicht nur die Wiedergabe der gesehenen Wirklichkeit, sie hatten in seinen Bildern ein starkes Eigenleben und waren hell und leuchtkräftig.

Lebensglück, Heiterkeit usw.

Die Heiterkeit und Lebensfreude, das Interesse an der Abwechslung und der Vielfalt des Lebens in der Großstadt Paris, ließen Pierre-Auguste Renoir zu einem der großen Chronisten des Pariser Lebens seiner Zeit werden. Zum Beispiel machte er die Gemäldebetrachter zu Zeugen eines Ausritts im Bois de Boulogne, eines Logenbesuch im Theater oder eines Tanzes im Freien im Jardin de Luxembourg.

Pierre-Auguste Renior war äußerst produktiv, schuf an die 6000 Werke und war damit einer der „fleißigsten“ Maler der Kunstgeschichte. Er war von Malern wie Jean-Baptiste Camille Corbet, Edgar Degas, Edouard Manet und Eugene Delacroix beeinflußt und revolutionierte zusammen mit Kollegen wie Claude Monet die Verwendung von Farbe und Pinsel, indem er seinen Werken Farbtupfer unterschiedlicher Schattierungen Textur und Tiefe verlieh. In einer Phase, die als „Ingres-Periode“ bezeichnet wird, entfernte Pierre-Auguste Renoir sich aber immer weiter vom federleichten impressionistischen Pinselstrich, hin zu einer robusten klassischen Körperlichkeit und erschuf so z.B.: das Prachtgemälde „Die Großen Badenden“. Seine innovativer Malstil, sein traditionelles Streben nach Schönheit, Harmonie und das Umsetzen weiblicher üppiger Formen zeichneten seine Arbeiten aus.

Nun zum Jahre 1874

In der Zeit vom 15. April (Zwei Wochen vor der Öffnung des offiziellen Pariser Salons) bis zum 15. Mai 1874 fand die erste Impressionisten-Ausstellung im Atelier des berühmten Fotografen Gaspar-Felix Tournachon (Künstlername Nadar) statt und Pierre-Auguste Renoir beschäftigte sich mit ganz „einfachen“ Motiven aus dem bürgerlichen Pariser Leben. Diese Ausstellung brachte den ausstellenden Künstlern mehr Spott als Erfolg. Nach dem Titel eines von Claude Monet ausgestellten Bildes „Impression, soleil levant“, nannte der Kritiker Louis Joseph Leroy die Maler spöttisch „Impressionisten“ und prägte damit den Stilbegriff dieser neuen Kunstrichtung. Pierre-Auguste Renoir stellte sechs Bilder aus und verkaufte davon sogar drei.

Eines dieser Gemälde „Die Theaterloge“, das der kleine Kunsthändler „Pere“ Martin für 425 Franc erwarb, soll das Titelbild dieses Beitrages sein. Übrigens: Als ein „Verkaufstrick“ stellte sich heraus, dass Kunstfreunde nur dann ein Bild vom jeweiligen Maler kauften, wenn dieser auch im „Salon“ (durch Juryauswahl) schon mal ausgestellt hatte.

Die Bildleiste

Bild 1/Aufmacher: Wie schon anfangs erwähnt, beginnt dieser Beitrag mit Pierre-Auguste Renoirs Pracht- und Meisterwerk „Die Theaterloge“ von 1874. Wie sein Malerkollege Edgar Degas (Ein lesenswerter Artikel in wize.life im Dezember 2016) war auch er ein Fan der Pariser Theater-Kultur und hat ihr Publikum in mehreren Motiven dargestellt.

Sein Ölbild zeigt ein Paar in einer Theaterloge. Als vornehmer Herr (Pierre-Auguste Reniors Bruder Edmond) ganz leicht im Hintergrund, verdeckt er halb sein Gesicht durch ein Opernglas. Er beobachtet intensiv das Publikum auf den Rängen, aber nicht das Geschehen auf der Bühne. Die Dame neben ihm, vom Maler als „ein Ausstellungsstück“ frontal porträtiert, zeigt sich sehr dekorativ, attraktiv aber auch verführerisch an der Logenbrüstung mit gesenktem Opernglas und sie lässt sich wie auch auf diesem Gemälde „bewundern“. Die plakativen Streifen ihres Kleides führen den Bildbetrachter zu ihrem edlen Antlitz. Das blasse Rosa der Kamelienblüten im Haar und am Dekollete, die Farbtöne ihres gepuderten Teints huldigen dem Charme einer jungen hübschen Frau. Es ist Pierre-Auguste Renoirs gerade neu entdeckte Muse und Modell Nini Lopez. Heute ist es einfach nicht vorstellbar, wie man damals „so ein Gemälde“ abkanzeln und geringschätzten konnte.

Bild 2: Etwa zwei Jahre später malte Pierre-Auguste Renoir wieder eine Theaterloge, bekannt unter dem lieben, unschuldig-faszinierenden Titel „Der erste Ausgang“. Ein junges Mädchen besucht erstmals das Theater mit erwartungsvollem Staunen in Haltung und Gesichtsausdruck. Pierre-Auguste Renoir hat dies alles wundervoll festgehalten, obwohl nur ihr Seitenprofil zu sehen ist. Es herrscht eine erwartungsvolle, prickelnde und feierliche Stimmung, die der Maler "toll" zur Geltung bringt.

Bild 3 und 4: Zwei sehr ähnliche Bildausschnitte aus dem Logenbereich eines Theaters, die etwa zur gleichen Zeit gemalt wurden und den Titel „Zu zweit im Theater I und II“ tragen.

Bild 5: „Porträt von Richard Wagner“ (1882) von Pierre-Auguste Renoirs - dieser war ein begeisterte Musikliebhaber und einer der ersten Richard Wagner Verehrer Frankreichs. Er begab sich auf seiner Süditalienreise Anfang 1882 nach Palermo, um den Opernkomponisten zu treffen - dieses gelang nach mehreren Versuchen und zwar genau einen Abend nach dem Vollenden des „Parsifal“. Im Renoir-Brief vom 15. Januar 1882 ist zu lesen: „Es war sehr fröhlich, jedoch nervös (...). Ich glaube, ich habe meine Zeit, 35 Minuten gut genutzt (...). Ich war jedoch ganz zufrieden mit dem Ergebnis: es gibt eine Erinnerung an diesen schönen Kopf“.

Das 6. Bild ist das Selbstporträt von Pierre-Auguste Renior (heute New York) mit weißem Hut aus dem Jahre 1910.

Etwas Biografisches:

Pierre-Auguste Renoir wurde am 25. Februar 1841 in Limoges geboren. Seine Eltern waren einfache Arbeiter und ziehen 1845 nach Paris. Hier beginnt er mit 13 Jahren eine Lehre als Porzellanmaler und Textilmaler. Mit seinen Arbeiten hatte er viel Erfolg und bildete sich aber in der Malerei weiter. Mit 20 Jahren wurde Pierre-Auguste Renoir Schüler des Malers Charles Gleyre und in dessen Atelier lernte er die impressionistischen Maler Alfred Sisley und Claude Monet kennen. Diese Begegnungen wurden für seine künstlerische Entwicklung von entscheidender Bedeutung, denn zu Beginn malte er noch ganz in der Tradition des französischen Realismus.

Vom Jahre 1863 an machen sich bei Pierre-Auguste Renoir immer stärker die Einflüsse der damals revolutionären Stilrichtung „Impressionismus“ bemerkbar. Doch in späteren Jahren wendete er sich mehr vom Impressionismus ab und nahm sich als Vorbilder Raffael und Jean-Auguste-Dominique Ingres mit ihren klassisch-strengen Formauffassungen, Umrissen und Volumen der menschlichen Körper. Zugleich wurde seine Farbe noch heiterer und leuchtender. Der Bildhauer Aristide Maillol (Antipode von Auguste Rodin) regte Pierre-Auguste Renoir in seinen letzten Lebensjahren so stark an, dass dieser sogar Kleinplastiken anfertigte.

Ab dem Jahre 1892 zeigten sich erste Anzeichen von rheumatoider Arthritis. Durch mehrere Kuraufenthalte merkte Pierre-Auguste Renoir, dass im milden Mittelmeerklima es ihm besser ging und so zog er 1907 dauerhaft in ein Landhaus mit großem Garten in Cagnes-sur-Mer bei Nizza. Trotz seiner Krankheit malte er aber unaufhörlich weiter, auch wenn er mittlerweile im Rollstuhl saß und (nach eigenen Angaben) täglich den Pinsel an seine Hand binden ließ, da er ihn nicht mehr halten konnte. Im Alter von 78 Jahren erkrankte er an einer schweren Lungenentzündung zusätzlich und starb am 3. Dezember 1919.

Und Pierre-Auguste Renoirs Motto: „Für mich muss ein Bild etwas Liebeswertes, Erfreuliches und Hübsches, ja, etwas Hübsches sein. Es gibt genug unerfreuliche Dinge auf der Welt, als dass wir noch weitere fabrizieren müssten.“

Links:

(Renoir - Biografie)
http://www.medienwerkstatt-online.de...php?id=2794

(Werke von Renoir)
http://www.kunstkopie.de/a/pierre-au...renoir.html

(Impressionisten-Ausstellungen)
https://de.wikipedia.org/wiki/Impres...us_(Malerei)

(Theaterloge)
https://de.wikipedia.org/wiki/Loge_(Zuschauerraum)

(Opera Garnier)
https://de.wikipedia.org/wiki/Opéra_Garnier

Map-Data:
The Courtauld Institute of Art, Strand, London WC2R

Renior, La Loge

https://www.khanacademy.org/humanities/becoming-modern/avant-garde-france/impressionism/v/pierre-auguste-renoir-la-loge-1874
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1 Kommentar

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Danke, Deine Darstellungen
lese ich sehr gern
  • 03.01.2017, 07:50 Uhr
  • 0
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