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Kunst verstehen: Fernand Leger: Ein „Erbauer“ seiner Motive ...

Kunst verstehen: Fernand Leger: Ein „Erbauer“ seiner Motive ...

Volker Barth
30.04.2017, 22:00 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Der französische kubistische Maler (Joseph) Fernand (Henri) Leger schuf, malte und „konstruierte“ im Jahre 1950 eine „Ikone der Arbeit“ mit dem Titel „Les Constructeurs“. Das Ölgemälde auf Leinwand (die endgültige Fassung) im Format von 300 mal 200 Zentimeter ist im Besitz des Musee National Fernand Leger in Biot.

Der „Erste Mai“, ein gesetzlicher Feiertag und der „Tag der Arbeit“, fallen in diesem Jahr „arbeitnehmerfreundlich“. Wenn an diesem Tage auch viele nicht „zur Arbeit“ müssen, so möchte ich doch die „harte, schwere und gefährliche Arbeit“ vorstellen.

Unser Motiv war eines von zwölf aus einer Bilderserie, die Fernand Leger damals in dem Casino der Renault-Auto-Fabrik von Boulogne-Billancourt (südwestlich von Paris) ausstellte, um seine Arbeiten der arbeitenden Bevölkerung zugänglich zu machen. „Les Constructeurs“ war für ihn eine Metapher für die II. Nach-Weltkriegszeit Frankreichs und seine Huldigung an das „Proletariat“. Er trat in die französische kommunistische Partei im Oktober 1945 ein und wurde mit ihrem „Malerei-Preis“ ausgezeichnet, was er bei seiner Frankreich-Heimkehr 1945 sehr genoß und gewann so zu neuer Kraft, er malte farbiger und es entstanden eindrucksvolle Bilder wie z.B.: „Les Constructeurs“. Dieses drei auf zwei Meter große Gemälde imitierte aber eine Fotografie von 1949 in der Im-Aufbau-Zeitschrift „L‘URSS“. Also das Unbewussteste aus Fernand Legers amerikanischen Reizwelt wurde jetzt in der Pariser Aktualität an die Oberfläche gespült.

Die Gemälde-Beschreibung

Das hochformatige Bild zeigt nur sechs Personen von einer sicherlich viel größeren Bauarbeiter-Truppe, die den Stahlrahmen-Bau bei Wolkenkratzern betreiben. Alles spielt sich vor einem „satten Himmelblau“ mit weißen Wolken ab. Waagerechte und senkrechte farbige Stahlträger erzeugen eine luftige, harmonische und tranzparente Komposition, wobei sich im Bild, unten links, eine Plattform befindet. Hier tragen vier kräftige Männer gemeinsam (Teamarbeit) einen Eisenträger und werden dabei von einem etwas höher postierten Arbeiter intensiv beobachtet. Noch eine Ebene höher sitzt auf einem montierten Metallträger ein weiterer Kollege und streckt seine Arme aus. Moderne Baukräne, Leitern und Sicherungsseile wie Schlangen vervollständigen das Arbeitsmilieu. Die Gesamtstimmung ist ernst und professionell - man ist schwindelfrei, hat keine Angst vor der Tiefe, aber man fühlt sich „frei“ wie ein Vogel.

Ein Gemälde-Detail läßt den Bild-Betrachter rätseln: Zwei abgetrennte „Baumteile“, einer sogar mit Zweig, liegen bei den Füßen der Arbeiter. Was hat das zu bedeuten? - Ich kann mir nur vorstellen, dass es ein diskreter Hinweis auf die Bauwerks-Höhe ist. Also man befindet sich über der Baumgipfelhöhe und hat mit der Industriealisierung die „Bodenhaftung“ verloren (positiv? oder negativ?)!

Bild als „Ein-Erste-Mai-Motiv“

Nach den Feiertagsgesetzen der 16 Bundesländern ist in der Bundesrepublik Deutschland der Erste Mai ein gesetzlicher Feiertag. Bezeichnet wird er als „Tag der Arbeit“, „Tag der Arbeiterbewegung“, „Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse“ oder einfach als „Maifeiertag“.

Damals am 1. Mai 1933 hielt der Reichskanzler Adolf Hitler eine Ansprache vor einer Riesenmenge von Menschen auf dem Berliner Tempelhofer Feld. Dieser Massenaufmarsch war mit der „grossen Angst vor Entlassungen“ zu erklären. Folglich machten die Nationalsozialisten diesen Tag zum gesetzlichen Feiertag und das Reichsgesetz vom 10. April 1933 nannte ihn dann „Tag der nationalen Arbeit“. Ein Jahr später, 1934, wurde dann der 1. Mai zum „Nationalen Feiertag des deutschen Volkes“. - Nach dem Zweiten Weltkrieg (1. Mai 1946) wurde vom Alliierte Kontrollrat dieser Tag weiterhin zum Feiertag erklärt. Übrigens: Und ab 2001 wurde nicht mehr unterschieden zwischen Arbeiter und Angestellten - es gab nur noch Arbeitnehmer!

Meine Gliederung:

Dieser Artikel unterteilt sich hauptsächlich in die Zeitabschnitte „Erster Weltkrieg“, „In den USA“ und „Rückkehr nach Frankreich“.

Erster Weltkrieg: Am 2. August 1914 wurde Fernand Leger in ein Pionierregiment einberufen, leistete bis 1916 in Argonne Kriegsdienst und war zuletzt von 1916 bis 1917 als Sanitäter in Verdun.

Am 28. März 1915 schrieb er an seine zukünfigge Frau Jeanne Lohy „Allen diesen Dummköpfen, die sich fragen, ob ich noch Kubist bin oder sein werde, wenn ich zurückkomme, kannst du sagen: ja, mehr denn je. Denn etwas Kubistischeres als einen Krieg wie diesen gibt es nicht, wo ein Mann mehr oder weniger akkurat in mehrere Stücke zerfetzt und in die vier Himmelsrichtungen geschleudert wird (...). Im übrigen werden alle, die daraus zurückkehren, meine Gemälde sofort verstehen: Die Division der Form behalte ich bei.“

Im September 1916 erlitt dann Fernand Leger in Verdun eine Gasvergiftung, wurde im Krankenhaus von Villepinte behandelt und Ende 1917 als dienstunfähig entlassen im Zustand moralischer und körperlicher Zerrüttung.

Fernand Leger floh aus Frankreich

Wenn das Stichwort „Nationalsozialismus“ fällt, so muss man auch festhalten, dass Fernand Leger aus dem von Nazi-Deutschland besetzten Frankreich (im Oktober 1940) floh, denn er galt als „entarteter“ Künstler.

Der Galerist Paul Rosenberg hatte frühzeitig angefangen, Künstler wie Fernand Léger, Pablo Picasso, Georges Braque und Henri Matisse zu fördern. Wegen seiner jüdischen Abstammung floh er 1940 aus Frankreich nach Amerika. Seine in Frankreich zurückgelassenen Werke, mehr als 400, wurden von dem NS-Regime beschlagnahmt. Sie wurden als „entartet“ gebrandmarkt, nach Deutschland gebracht und international verkauft, um die Kassen des NS-Regimes zu füllen.

Auch für Fernand Leger gings 1940 dann von Marseille über Lissabon per Schiff nach New York ins Exil. Er durfte in den USA zwar lehren, aber keine Bilder verkaufen.

Entdeckung der Moderne

Fernand Leger nimmt den Wandel zur Moderne (nach Paul Cezanne) bereits recht früh auf und geht anders damit um als seine Zeitgenossen. Zugleich verändert sich die Alltagswelt durch die wachsende Industrialisierung - so z.B. fixiert die Fotografie Erinnerungen und der Film hält Ursprüngliches und Bewegungen fest. Diese beiden Medien faszinierten Fernand Leger enorm und nun standen Akteure und Initiatoren bereit: So suchte und fand Wassily Kandinsky zur Abstraktion, Georges Braque dachte, zerlegte und analysierte, Pablo Picasso fokusierte, vereinnahmte, dekonstruierte und rekonstruierte die Welt, Robert Delaunay zerteilte und fügte zusammen, Piet Mondrian entwickelte seine Logik, Paul Klee lehrte poetische Sensibilität, Joan Miro träumte und ließ erstrahlen, Marc Chagall erzählte von einer vergangenen Welt und Henri Matisse schwelgte in der Malerei.

Die von den Ingenieuren konstruierten Maschinen besaßen eben „schöne, nützliche“ Formen, die den Blick veränderten und diesen mußte Fernand Leger einsammeln und erobern, er wollte weniger eine realistische Abbildung als vielmehr ein Staunen auslösen.

Dazu diese Kurzstory: Als er 1914 zum Militärdienst einberufen wurde, hielt er den Schrecken, den er im grausamen Kriegsalltag erlebte, unablässig in Skizzen fest, so war er „fasziniert von einem offen in der Sonne liegenden Bodenstück einer 75-mm-Kanone“.

Ab Mitte 1920

Fernand Leger aber, der sich nach seiner kubistischen Phase ab Mitte 1920 speziell Gegenstände (Werzeuge, Räder, Schrauben usw. bis zu „Mona Lisa“ „mit Schlüsseln“, 1930“) zuwandte, verstand seine Bilder als Gleichnisse mit der „modernen Welt“ und einem Leben im technischen Zeitalter. Er nahm diese moderne Welt wahr, die eben durch das „Zeitalter der Industrie“ entstand. Aber er träumte auch von der Malerei mit den leuchtenden, flammenden, reinen Farben und setzte grelle Kontraste dazu. Die Farbe blieb aber sein natürliches Ausdrucksmittel (sogar der Dreiklang der französischen Trikolore-Farben Blau-Weiß-Rot, der bei ihm immer wieder auftrat).

Im Jahre 1936

Der bekannte Autor und Kurator Alfred H. Barr Jr. verfasste im Ausstellungs-Katalog „Cubism and Abstract Art“ im März 1936 „(Fernand Leger) Lebt in Paris, hält sich häufig in New York auf“. Der Katalog berichtete weiter, dass er mit dem „Ballet mecanique“ das Kino und mit dem Vorhang „La creation du monde“ den „Tanz“ stark prägte und förderte - dass er auch Tapisserien herstellte, Kunstvorträge und -einführungen hielt. Und: Fernand Legers Meisterwerk „Das große Frühstück von 1921“ (Bildleiste)wurde erst im Jahre 1942 in die MoMA Sammlung aufgenommen.

Fernand Legers USA-Reisen:

Die erste Reise nach Amerika erfolgte von September bis Dezember 1931 - die zweite im September 1935 und die dritte vom September 1938 bis zum März 1939.

Was ein vierter Amerika-Aufenthalt werden sollte, wurde ein fünfjähriges Exil. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren damals neutral (Kriegserklärung an Deutschland erst Dezember 1941). Amerika nahm die Folgen der Einnahme von Paris (Juni 1940) „zur Kenntnis“, aber Fernand Leger wurde von diesen Auswirkungen brutal hart getroffen.

Seine Ehefrau Jeanne Lohy blieb in Frankreich zurück, sicherte sein künstlerisches Werk, wartete und hoffte aber auf seine Rückkehr. Sie lernten sich 1912 bei Soireen in der Pariser „Brasserie Le Closerie des Lilas“ lieben und schätzen, um dann am 2. Dezember 1919 zu heirateten.

Durch seine frühere Amerika-Besuche war Fernand Leger ganz gut „auf dem Laufenden“. Manchmal spielte er sogar New York gegen Paris und umgekehrt aus. Eine gewisse Rolle spielten dabei auch die „verrückten Jahre der Amerikaner“ in Paris (1921-1930). So kam es auch zu einem intensiven Kontakt mit der Familie Sara und Gerald Murphy nebst Kindern und Fernand Leger erhielt 1941 den Auftrag die New Yorker Wohnung des vermögenden Paares auszugestalten.

Fernand Legers Fixpunkt war New York und Umgebung, er reiste aber auch mit dem Überland-Bus und besuchte Kalifornien, mehrmals Chicago und die Niagara Fälle, Washington, Los Angeles und, und, und ...

Sich in New York durchzuschlagen war für ihn sehr schwierig und teuer. Mit den Visums-Verlängerungen hatte er stets Schwierigkeiten. Er mußte ständig umziehen - im Winter war New York eiskalt, im Sommer sehr heiß und in den Jahren 1943, 1944 und 1945 floh er vor der Hitze nach Rouses Point (Grenze zwischen Staat New York und Kanada).

Wieder in Paris ...

Louis Carre, ein dynamischer Kunsthändler, half Fernand Leger bei seiner erneuten Eingliederung ab Ende Dezember 1945. Im Gepäck befanden sich 57 Gemälde und 125 Arbeiten auf Papier. Sein ehemaliges Atelier bezieht er 1946 wieder in der Rue Notre-Dame-des-Champs 86, Paris - begleitet von der Ausstellung „Fernand Leger - Oeuvres d‘Amerique 1940-1945“.

Links:

(Fernand Leger - Biografie - engl.)
https://en.wikipedia.org/wiki/Fernand_L%C3%A9ger

(Kubismus)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kubismus

(Foto: Mittagspause/Wolkenkratzer)
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaf...n-1.1480544

(Leger - Exil)
http://www.exilarchiv.de/DE/index.ph...182&lang=de

(Fernand Leger Museum, Biot - franz.)
https://fr.wikipedia.org/wiki/Mus%C3...-L%C3%A9ger

Map-Data:
Musee National Fernand Leger de Biot, 255 Chemin du Val de Pome, 06410 Biot/Frankreich

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3 Kommentare

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Wie immer super-ineressant, immer wieder eine Bereicherung!
  • 06.05.2017, 17:41 Uhr
  • 1
Volker Barth
Danke, danke für Deine Antwort - sehr lieb!
  • 06.05.2017, 21:46 Uhr
  • 0
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Danke - wieder was dazu gelernt
  • 01.05.2017, 08:33 Uhr
  • 0
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