Ich nenne es schicksalhafte Fügung, mein Mann bezeichnet es als Überrumpelung.
Es war im Mai, wir saßen in der Sonne und unsere Briefträgerin kam schimpfend den Weg herauf. In der Hand hielt sie ein Exemplar der lokalen Wochenzeitung. Diese hatten wir schon vor längerer Zeit abbestellt wegen der kiloschweren Reklame. Der Wind hatte einige Exemplare durch die Gegend geweht und um ihr einen Gefallen zu tun, nahm ich ihr eines ab und da ich gerade Zeit hatte, las ich es von vorn bis hinten durch. Und stieß auf eine Anzeige „Süße kleine Hundedame, Jack Russel Mix, 2,5 Jahre, gegen Schutzgebühr abzugeben“. Gechipt, geimpft usw. Irgendwas berührte mich sehr und ich rief heimlich, ohne meinen Mann damit zu belästigen, an.
Wir waren 20 Jahre lang Motorrad gefahren und da kann man keinen Hund halten. Katzen schon eher und wir hatten auch immer welche, ohne ist das Haus leer. Zur Zeit haben wir ein Main Coone Mädchen und einen Scottish Fold Kater. Nun war die Motorradzeit vorbei und ich hatte immer mal wieder damit geliebäugelt, einen Hund anzuschaffen, den ersten in meinem Leben.
Und nun diese Anzeige.
Ich verabredete mich mit der Inserentin und sie wohnte ausgerechnet in Nr. 5, meine Glückszahl.
Nachdem ich geklingelt hatte, kam sie mir mit der Kleinen entgegen und es war Liebe auf den ersten Blick. Diese braunen Robbenaugen! Diese hellbraunen Öhrchen, aufmerksam und neugierig gespitzt. Ein zaghaftes Wedeln mit dem ungewöhnlich buschigen Schwanz.
Um mich war es geschehen.
Anastasia hatte ihren Namen von dem Verein bekommen, der griechische Nothunde nach Deutschland holt. Sie hatte in der Nähe von Thessaloniki auf der Straße gelebt. Nun war sie seit kurzem in Pflege bei Iris.
Es folgten ein paar unverfängliche Besuche bei uns und mein Mann war auch ganz angetan und konnte sich dann kaum noch wehren, als ich beschloss, sie auf Probe zu übernehmen. Bedingung war, dass es mit den Katzen klappt. Ich nannte sie Lena, Kurzform von Helena, ist ja auch griechisch und wer mag schon „Anastasia!“ durch den Park brüllen.
Sie entwickelte sich zu einem wahren Schatz! Schmusig, anhänglich, genügsam, zufrieden in unserer Nähe, allerdings auch für ihr Alter recht ruhig. Ein idealer Anfängerhund. Nur spielen kannte sie offensichtlich in keiner Form. Ich vermutete, das hing mit ihrem unbekannten Vorleben zusammen, vielleicht war sie zu sehr mit Überleben beschäftigt gewesen.
Ich spielte ihr dann mal griechische Musik vor, aber darauf reagierte sie nicht. Nur wenn das Weinen eines Babys im TV zu hören war, legte sie den Kopf schief und lauschte. Vielleicht war sie ja nach Ankunft eines solchen in Griechenland ausgesetzt worden, man weiß es nicht.
Es war nicht klar, ob sie überleben würde
Anfangs gab es etwas Probleme mit Minnie, unserer Katzendame, aber allmählich gewöhnten sich alle aneinander und manchen Abend verbrachten wir alle 5 gemütlich vereint im Wohnzimmer.
Da ahnten wir noch nicht, was auf uns zukam.
Es musste noch der Test auf eine der fünf Mittelmeerkrankheiten gemacht werden und leider stellte sich heraus, dass Lena Herzwürmer hatte. Üble Parasiten, die im Heimatland durch infizierte Mücken übertragen werden. Ohne Behandlung stirbt ein Hund daran.
So folgten viele Tierarztbesuche, monatelange Chemiegaben aller Art, u.a. drei sehr heftige und teure Spezial-Injektionen mit anschließender wochenlanger Boxenruhe und eine Fahrt bei Nacht und Nebel in die Tierklinik, weil es ihr so schlecht ging. Sie musste auch über Nacht dort bleiben und es war nicht klar, ob sie diese überleben würde. Gegen die Tränen und die Nachtblindheit ankämpfend fuhr ich nachts um 03.00 mutterseelenallein über die Landstraßen nach Hause. Diese Fahrt werde ich nicht so schnell vergessen.
Nach etlichen Telefonaten mit nicht zuständigem Personal konnte ich Lena dann doch am nächsten Tag wieder abholen. Den Anblick der kleinen Hündin, die in einem Behandlungsraum schon auf dem Tisch stehend auf mich wartete, war herzerweichend.
Zum Glück bezahlte der Verein die erheblichen Kosten, die damit verbunden waren. Aber inzwischen ist alles überstanden und die Kleine blüht regelrecht auf. Ihre Liebe verteilt sie gleichmäßig auf meinen Mann und mich und ist immer für eine Runde kuscheln zu haben. Und selbst das morgendliche Gassigehen bei jedem Wetter, früher eine Horrorvorstellung für mich Langschläferin, ist zu einem gemeinsamen Erlebnis geworden, das ich nicht missen möchte.
Richtig Spaß macht es an der Ostsee
Manchmal kann ich es gar nicht fassen, dass ich nun einen Hund habe, ein Lebewesen, dass mir so vertraut. Zu ihrer ehemaligen Pflegemutter hat sich eine herzliche Beziehung entwickelt, was ich auch sehr schön finde. Manchmal gehen wir gemeinsam mit ihren Hunden im Wald spazieren, das tut jeder Seele gut!
Richtig Spaß macht es an der Ostsee außerhalb der Saison, dann darf man überall am Strand herum toben, nicht nur am ausgewiesenen Hundestrand. Aber ins Wasser mag Lena nicht gehen, lieber schnüffelt sie herum. Ich muss nur aufpassen, dass sie keine Pferdeäpfel findet. Es ist ja auch zu schön, sich darin zu wälzen.... Ich habe es auch noch nicht geschafft, ihr das Apportieren beizubringen, sie guckt mich dann nur ratlos an. Im Sommer wollen wir in eine Hundeschule und mal ausprobieren, was da bei ihr geht.
Wenn es frisches Hack gibt, drehen alle drei durch. Dann hocken sie im Kreis um mich herum in der Küche, aber jeder wartet brav, bis er dran ist. Das haben sie inzwischen gelernt.
Wie heißt es so treffend? Hunde haben Besitzer, Katzen haben Personal. Das kann ich nur bestätigen!
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