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Kunst verstehen: Carl Spitzweg: Auf geht‘s ...

Kunst verstehen: Carl Spitzweg: Auf geht‘s ...

Volker Barth
13.05.2017, 20:00 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Am zweiten Sonntag im Monat Mai (natürlich auch diesjährig) und hoffentlich bei schönem Wetter, wird Muttertag gefeiert. Somit sind die Gedanken beim Lebensglück, bei bunten Wiesenblumen und bei Spaziergängen in freier Natur und Landschaft. - Es ist Wandertag!

Als Begründerin des Muttertages gilt die Methodistin Anna Marie Jarvis. Sie veranstaltete am 12. Mai 1907 in Grafton (West Virginia, USA), dem Sonntag nach dem zweiten Todestag ihrer Mutter „ein Memorial Mothers Day Meeting“. Auf ihr Drängen hin feierte man im folgenden Jahr in der Methodistenkirche eine Andacht, die „allen Müttern“ gewidmet war. Anna Marie Jarvis ließ zum Ausdruck ihrer Liebe zu ihrer verstorbenen Mutter fünfhundert weiße Nelken an andere Mütter vor der Kirche verteilen.

Diese Bewegung fand viel Zuspruch und somit wurde der Muttertag 1914 in den Vereinigten Staaten von Amerika zum ersten Mal als nationaler Feiertag begangen. Den ersten deutschen Muttertag propagierte und feierte dann am 13. Mai 1923 der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber mit Plakaten wie „Ehret die Mutter“. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Muttertag mit der Idee der „germanischen Herrenrasse“ verknüpft, besonders kinderreiche Mütter wurden sogar „Heldinnen des Volkes“. Im Jahre 1933 wurde der Muttertag zum öffentlichen Feiertag erklärt. Durch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 konnte der erste Muttertag somit erst 1950 stattfinden, er wurde aber nicht gesetzlich verankert. Das Datum basiert auf Übereinkünften mit Wirtschaftsverbänden wie dem Floristenverband und wurde auf den zweiten Sonntag im Mai festgelegt.

Einfach idyllisch

Dieser Tag assoziiert nicht zu Unrecht den Begriff „idyllisch“. Eine Bezeichnung für harmonisch-verklärtes ländliches Leben, das bildlich gesprochen „beschaulich und friedlich“ ist - eine sogenannte „Postkartenidylle“. Und bei welchem Maler wird man motivmäßig da leicht fündig? - bei Carl Spitzweg! Nun, mein Besprechungs-Vorschlag: Von diesem Künstler das Gemälde „Der Sonntagsspaziergang“ von 1841.

Zu dem Motiv

Ganz markant tritt in diesem Carl Spitzweg Gemälde ein wohlbeleibter, stolzer und gut gekleideter Mann (Vater) auf. Er schreitet seiner Familie voran, so wie es damals als „Familienoberhaupt“ bei Ausflügen üblich war. Seine rechte Hand hält einen Spazierstock mit einem schwarzen Zylinder auffällig hoch. Mit seiner linken Hand führt er ein kleines Kind (Tochter) im blauen Kleidchen und einem großen Hut durch das Getreidefeld. Erst bei ganz genauem Hinsehen erkennt man ein kleines Geschöpf zwischen hohen gelben Ähren. Der „Herr“ hat wegen seiner Anstrengung (durch Übergewicht und Bewegungsmangel verursacht) seinen Gehrock ausgezogen, ihn über seine Schulter geworfen und so kommt eben seine moosgrüne Weste mit der weißen Hemdbluse sehr gut zur Geltung.

In einem „gewissen“ Abstand folgt in ihrem dunkelroten Kleid dem „Familien-Chef“ die schlanke Ehefrau. Sehr grazil schreitet sie mit einem zartgelben, aufgespannten Sonnenschirm und einem für die damalige Zeit sehr modischen Hut mit dekorativem grünen Band. Durch die gigantische Hutkrempe ist „leider“ ihr Antlitz zum größten Teil verborgen.

Nach den Eltern und der jüngsten Tochter folgen nach einer größeren Lücke zwei Töchter, die auch schicke Hüte tragen. Die Größere und Ältere ähnelt in der Erscheinung stark ihrer Mutter, während die Jüngere stolz ihr gepflücktes Blumensträußchen hält. Erwähnenswert ist auch noch die besondere Konstruktion ihrer Sonnenschirme.

Ein Stück hinter der ältesten Schwester „tänzelt“ rückwärtig der Sohn - er will mit einem Kescher Schmetterlinge fangen. Nur kurz dazu: Carl Spitzweg hat ein Faibel für Typen wie Sammler, Jäger und Fänger. So befindet sich im Museum Wiesbaden ein skurriles Motiv mit dem Titel „Der Schmetterlingsfänger“ (Abbildung in unserer Bildergalerie).

Carl Spitzwegs Schmetterlingsfänger

In diesem Gemälde zeigt Carl Spitzweg wie so oft seinen ironischen Witz. Mit starker Brille und einem zu kleinen Kescher steht der „Biologe“ hilflos in einem tropischen Wald, während zwei riesige blaue Schmetterlinge im Vordergrund des Bildes frei herumgaukeln. Der Gemäldebetrachter sieht sie, aber der unbeholfene Schmetterlingsfänger „leider“ nicht.

Den Pfad durch das Getreidefeld mit seiner biotopischen Randbepflanzung stellte Carl Spitzweg wie ein Botaniker sehr naturalistisch dar. (Sofort wurde ich an Vincent van Goghs „Weizenfeld mit Raben (1890)“ und Albrecht Dürers „Das große Rasenstück (1503)“ erinnert). In Carl Spitzwegs Oeuvre beeindrucken die zahlreichen und genauen Pflanzen-, Tier- und Landschaftsstudien. Sie können eben bis ins kleinste Detail vor dem kritischen Auge eines „pingeligen“ Apothekers bestehen.

Die Personen des Gemäldes wirken etwas steif, alle halten etwas in der Hand und dieser Familienausflug wird zu einem Wandertag, zu einer Prozession. Die Wetterlage ist ideal, sommerlich, es sind wenige Wolken am sonnigen Himmel bei angenehmem Licht. Carl Spitzweg machte sich über das „Spazierengehen“ öfters lustig, indem er die Menschen genau beobachtete und karikierte und ihre Gesten überspitzt darstellte.

Etwas Wissenswertes zu Carl Spitzweg

(Franz) Carl Spitzweg wurde am 5. Februar 1808 in Unterpfaffenhofen/Germering geboren. Sehr früh pflegte er sein künstlerisches Talent (erste Zeichnungen 1823), begann aber 1825 eine Lehre unter Franz Pettenkofer in der Königlich-Bayrischen Hofapotheke in München. Im Jahre 1829 arbeitete er in der Löwenapotheke der Kleinstadt Straubing, wo er ein Jahr zusammen mit Theaterleuten und Malern lebte. Hier zeichnete er viele Köpfe und „Originale“ und war begeistert von diesem idyllischen Städtchen, besonders gefiel ihm das malerische Stadtbild mit den engen Gassen und zierlichen Erkern, die Türmchen, Brunnen und Steinfiguren. Diese Motive kamen dann immer wieder in seinen Gemälden vor.

1830 studierte Carl Spitzweg Pharmazie, Botanik und Chemie an der Münchner Universität, schloss dieses Studium 1832 mit Auszeichnung ab und war somit praktischer Apotheker. Aber ein Jahr später brach Carl Spitzweg seine Apotheker-Laufbahn dann ab und fasste während eines Kuraufenthaltes den Entschluss, sich hauptberuflich der Malerei zu widmen - erleichtert durch sein Erbe.

Carl Spitzwegs Malstil gehört der Spätromantik an, anfangs war er noch der biedermeierlichen Richtung verbunden, später lockerte sich seine Malweise. Durch die Freundschaft mit dem Landschaftsmaler Eduard Schleich, mit dem er viele Reisen unternahm, rückte die Landschaft stark in sein Bewusstsein – zumeist bei schönem Wetter (wegen des Lichtes). Vom Jahr 1859 bis zu seinem Tod beschäftigte sich Spitzweg viel mit „kleinen Landschaften“, die er oft auf den Brettchen seiner Zigarrenkisten malte. Mit zunehmendem Alter überzeichnete Carl Spitzweg seine Figuren weniger karikaturhaft, sondern betonte immer öfter „das Idyllische“.

Am 23. September 1885 starb Carl Spitzweg in München. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof. Der Grabstein symbolisiert eine Apothekerflasche und ist Ersatz für den verlorengegangenen Originalgrabstein.

Werke: Günther Roennefahrt listet in seinem Werkverzeichnis von 1960 ca. 1543 Ölbilder, Aquarelle und Studien von Carl Spitzweg auf. Übrigens ist das Gemälde „Der arme Poet“ (1839) heute das beliebteste Bild, nach der „Mona Lisa“ in Deutschland.

Buch: Einen Carl Spitzweg Roman mit dem Titel „Sonntag in meinem Herzen“ verfasste Asta Schreib 2014 - er ist als dtv-Taschenbuch zur Zeit noch erhältlich.

Ausstellung: Gemälde von Carl Spitzweg begegnet man bei einem Rundgang in der Sammlung Schack, Prinzregentenstraße 9, 80538 München Sie entstand aus der Kunstsammlung des Grafen Adolf Friedrich von Schack und ist heute Teil der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Der Graf verabscheute die damals populäre Genremalerei und schrieb „Dienstmädchen, die ihrer Herrschaft den Kaffee präsentieren, bayerische Gebirgsbauern, an denen die nackten Knie das Interessanteste sind, finden sich nicht in meiner Sammlung“. Die einzige Ausnahme war Carl Spitzweg, den er als Humoristen und Gestalter von orientalischen Szenen schätzte.

Links:

(Carl Spitzweg - Biografie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Spitzweg

(Spaziergang)
https://de.wikipedia.org/wiki/Spaziergang

(Biedermeier)
http://wortwuchs.net/literaturepochen/biedermeier/

(Salzburger Museum)
http://www.salzburgmuseum.at/index.php?id=381

(Fanny von Lehnert)
http://www.salzburgmuseum.at/index.php?id=379

Map-Data:
Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt

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6 Kommentare

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wieder ein sehr schöner Beitrag von dir....
  • 14.05.2017, 12:13 Uhr
  • 1
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Wie weit wir uns von dieser Idylle - vielleicht aber auch Alptraum - entfernt haben, zeigt uns schon ein Blick aus dem Fenster auf einen Spazierweg am Neckar.
EIne alte Stadt, Berge, Fluss, Wiesen.
Da kommt ein junger Kerl, schiebt einen hochmodernen Kinderwagen, die Frau, die man an ihrer Kleidung kaum erkennt, läuft neben ihm, spricht in ein Gerät am Ohr, keine Hüte, kein modischer Firlefanz, Sportschuhe, Blumen werden nicht gepflückt. EIne lange Kinderschar fehlt. Man ist höchstens zu dritt.

Geschichte und kulturelle/zivilisatorische Fortschritte können ebenfalls an der Kunst einer Zeit erkannt werden.

Bei Spitzweg erinnert man sich an die 'gute alte Zeitt', die viel schwieriger war als heute.
  • 14.05.2017, 10:27 Uhr
  • 1
Da hast du recht Edit,
unsere Zeit ist in ihrem Handeln und Erleben anders auch wenn wir die Kulissen vergleichen könnten.

Ich denke in allen Zeiten gibt es Schwierigkeiten und Albträumen genau so wie Schöne und Beglückenden Seiten.


Diese kurze Augenblicke zu erfassen und Sie so darstellen das trotz epochale Zeit Unterschiede beim Betrachter die Vertrautheit, in ablehnen oder annehmen, entstehen kann, die einem animiert noch genauer hin zu schauen, nachdenken, vergleichen, träumen, forschen....sind für mich die Kunst Werke die ich gerne betrachte.
  • 14.05.2017, 20:29 Uhr
  • 1
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Gut ausgesuchte Bild, bis ins Detail bildhafte Lebensdarstelung damalige Zeit.
Wenn ich seine Bilder betrachte, besonders die Darstellungen der
Städte fühle ich mich so heimisch wie wen ich da schon gelebt hätte. Feinheit seine Landschaft Bilder beeindrucken mich und sein Humor in Eigenarten des Alltag, der Berufe und Friedens Bildern sind immer wohlwollend und trotzdem tiefsinnig, witzig und für jedermann zugänglich.

Seine Dichterische Sprache ist nicht so prickelnd für uns heute, poente im folgenden Gedicht finde ich immer aktuell.

Und wird die Welt
auch noch so alt,
Der Mensch,
er bleibt ein Kind!
Zerschlägt sein Spielzeug
mit Gewalt,
Wie eben Kinder sind!

Wann alles erst
in klein zerstückt
Und nichts mehr
zu verderben,
So sucht er wieder
- neubeglückt -
Und spielt dann mit
den Scherben!
  • 14.05.2017, 08:36 Uhr
  • 1
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Ich liebe den Maler und seine Motive.-
  • 13.05.2017, 22:01 Uhr
  • 1
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Spitzweg, ein guter Maler mit einer humorvollen Betrachtungsweise der Gesellschaft.
  • 13.05.2017, 21:58 Uhr
  • 1
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