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Waffen im Auto übersehen

Waffen im Auto übersehen

22.03.2015, 09:11 Uhr
Beitrag von wize.life-Nutzer

Das wirft ein schlechtes Licht auf die Polizei: Im ausgebrannten Auto eines toten Ex-Neonazis finden sich bislang unentdeckte Gegenstände - darunter eine Pistole. Mitglieder des NSU-Ausschusses sind entsetzt.

Ermittlungsarbeit gegenüber unserer Zeitung "chaotisch". Dennoch stützten die übergebenen Gegenstände eher die Suizid-Theorie.
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Das wirft ein schlechtes Licht auf die Polizei: Im ausgebrannten Auto eines toten Ex-Neonazis finden sich bislang unentdeckte Gegenstände - darunter eine Pistole. Mitglieder des NSU-Ausschusses sind entsetzt.

Ermittlungsarbeit gegenüber unserer Zeitung "chaotisch". Dennoch stützten die übergebenen Gegenstände eher die Suizid-Theorie.

Die baden-württembergische Polizei gerät wegen ihrer Untersuchungen zum angeblichen Suizid eines früheren Neonazis und möglichen NSU-Zeugen immer stärker in die Kritik. Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag, Wolfgang Drexler (SPD) sagte gestern, die Schwester des toten Florian H. habe am Sonntag noch mehrere Gegenstände in dem Auto gefunden, in dem ihr Bruder verbrannt ist. Darunter seien der seit langem vermisste Schlüsselbund des Wagens, ein Feuerzeug, eine Pistole und eine Machete. Die Polizei hatte das ausgebrannte Fahrzeug untersucht, diese Gegenstände aber offenkundig übersehen. Florians Familie habe die Sachen dem NSU-Untersuchungsausschuss übergeben, sagte Drexler.

Florian, der aus der rechten Szene ausgestiegen war, starb im September 2013 in einem brennenden Auto in Stuttgart. Während die Polizei von Suizid ausging, glaubt die Familie, dass der 21-Jährige in den Tod getrieben oder sogar ermordet wurde. Allerdings sprechen das Feuerzeug und der nun doch gefundene Schlüsselbund nach Drexlers Einschätzung eher für die Suizid-These. Der Ausschuss will den Wagen aber nun genauer von einem Gutachter untersuchen lassen, um zu klären, ob das Feuer per Fernzündung entfacht worden sein könnte.

Florian soll vor seinem Tod angedeutet haben, er wisse, wer die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn getötet hat. Der Mord wird den Rechtsterroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zugerechnet. Am Tag seines Todes sollte Florian eigentlich noch einmal von der Polizei befragt werden. Seine Familie hatte im Ausschuss geklagt, die Ermittler hätten sich nicht für Florians Laptop und andere Geräte interessiert. Die Familie will die Sachen ebenfalls dem Untersuchungsausschuss übergeben, damit sie von einem Sachverständigen untersucht werden.

Drexler sagte zu den nun im Wagen entdeckten Gegenständen: "Wir können uns keinen Reim darauf machen, warum die Polizei sie nicht gefunden hat." Grünen-Obmann Jürgen Filius wurde deutlicher: "Wenn die Polizei tatsächlich eine Pistole, den lange gesuchten Schlüsselbund und ein Feuerzeug im Autowrack übersehen hat, bin ich bestürzt über die Qualität der Ermittlungen."

Der Ausschuss werde den Polizisten, die den Wagen untersucht haben, kritische Fragen stellen. "Zudem wollen wir mit einer Untersuchung des verbrannten Autos und der jetzt übergegebenen Gegenstände durch einen Gutachter auf Nummer sicher gehen, was die Herkunft und Bedeutung der Gegenstände angeht." Ausschussmitglied Nikolaos Sakellariou (SPD) nannte die

Der Landtagsausschuss will am 13. April weitere Zeugen zum Thema Florian H. befragen, darunter auch einen Mann mit Spitznamen "Matze". Mit ihm soll Florian in der rechten Szene rund um Heilbronn unterwegs gewesen sein. Das Brisante: Angeblich war "Matze" Mitglied in einer bislang unbekannten rechtsextremen Organisation namens "Neoschutzstaffel" (NSS). "Matze" war erst kürzlich namentlich identifiziert worden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa gab "Matze" vor einigen Tagen in seiner Befragung bei der Polizei an, dass er bei einer Demonstration in Dresden im Jahr 2010 von einer unbekannten Person auf die "Neoschutzstaffel" angesprochen und per Unterschrift zum Mitglied gemacht worden sei. Er habe Florian H. in Heilbronn kennengelernt. "Matze" soll in seiner Befragung aber bestritten haben, mit Florian an einem Treffen in Öhringen östlich von Heilbronn teilgenommen zu haben.

Die H&M-Plastiktasche glich am Mittwoch einer Wundertüte: Wolfgang Drexler (SPD), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses, zauberte aus diesem unter anderem eine Pistole, eine Machete und einen Schlüsselbund. Trophäen, die als Beweis der schlampigen Ermittlungsarbeit der Polizei dienen könnten, meint Alexander Salomon (Grüne) - vorausgesetzt, diese Dinge seien bereits am 16. September 2013 im Auto gelegen, als der NSU-Hinweisgeber Florian H. darin verbrannte.

Seine Familie behauptet, die Ermittler hätten die Teile übersehen. Schwester Tatjana H. habe sie vergangene Woche im Wrack gefunden. "Für mich ist das unerklärlich, wie man das nicht sehen kann", so Salomon, "das ist nicht hinzunehmen." SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou spricht von "chaotischen und schlampigen Ermittlungen".

Clemens Binninger, CDU-Obmann im Berliner NSU-Ausschuss, zeigt sich ebenfalls bestürzt: "Das ist keine Ermittlungsarbeit, die das Vertrauen stärkt. Sie ruft eher Fragen auf." Kaum mache der Ausschuss Druck, könnten einstige Hinweise von H. belegt werden, die bis dato bestritten wurden - etwa die Identität des Neonazis Matze K. und die "Neoschutzstaffel".

Die Polizei kündigte gestern an, die Ermittlungen intern prüfen zu lassen. Der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz versprach eine "vorbehaltlose Analyse" im eigenen Haus und "lückenlose Aufarbeitung". Die Beamten hätten "größtes Interesse an einer Aufklärung". Die Behörde wolle "alles offenlegen".

Das reicht manchen Parlamentariern nicht. Immerhin kam die von Innenminister Reinhold Gall (SPD) eingesetzte Ermittlungsgruppe "Umfeld" Anfang 2014 zum Ergebnis, der Fall Florian H. sei ausermittelt. Matthias Pröfrock (CDU) forderte Gall auf, zu prüfen, was schiefgelaufen sei und welche Konsequenzen gezogen werden müssten.

Salomon schickte ein Schreiben an Justizminister Rainer Stickelberger (SPD), unter anderem mit der Bitte, die Arbeit des Staatsanwalts Stefan Biehl zu prüfen. In einem mehrseitigen Fragenkatalog ginge es, so Salomon gegenüber unserer Zeitung, auch darum, wie Stickelberger die rasche Einstellung des Verfahrens beurteile. Der Staatsanwalt hatte noch am Todestag erklärt, es handle sich um Suizid, Fremdverschulden sei auszuschließen - bevor das Ergebnis des toxikologischen Gutachtens vorlag. Die Brisanz der Person H. war den Ermittlern aber bewusst: H. hätte an jenem Tag erneut zum Polizistenmord befragt werden sollen. Die Familie vermutet Mord. Laut Rechtsmediziner Heinz-Dieter Wehner war allein der in der Leiche nachgewiesene Medikamentencocktail in der Lage, den 21-Jährigen außer Gefecht zu setzen, gar zu töten.

Südwest Presse

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4 Kommentare

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http://www.nachdenkseiten.de/?p=28665
  • 24.11.2015, 12:06 Uhr
  • 0
Mord an Michèle Kiesewetter in Heilbronn (25. April 2007)
Bei dem Anschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem die Beamtin Michèle Kiesewetter getötet wurde, sei es darum gegangen, an die Dienstwaffen der Polizisten zu gelangen. Für die Tat seien Mundlos und Böhnhardt verantwortlich. Die beiden seien mit ihren Pistolen unzufrieden gewesen und hätten Kiesewetter und auch ihren Kollegen deshalb töten wollen. Als sie im Nachhinein davon erfahren habe, sei sie fassungslos gewesen und habe auf die beiden Männer eingeschlagen.

Böhnhardt und Mundlos seien davon ausgegangen, dass sie auch Kiesewetters Kollegen getötet hätten. Dieser überlebte aber schwer verletzt. Bisher war das Motiv für den Polizistenmord in Heilbronn unklar geblieben. Zwischenzeitlich hatte es Spekulationen über einen Zusammenhang mit der Herkunft Kiesewetters aus Thüringen gegeben.
  • 09.12.2015, 13:57 Uhr
  • 0
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Es ist immer so, - du kannst 1000 mal deine Arbeit gut machen als Polizist und keiner berichtet darüber. Wehe du machst einen Fehler.

Da fragt keiner ob die Waffe arg versteckt oder verdreckt durch Löschpulver verdeckt, die Durchsuchung zur Nachtzeit usw war ...

Es ist der Spass der Leute bei der Polizei immer das Haar in der Suppe zu suchen. Daher will auch heute kaum noch jemand Polizist werden.

Die Herrschaften der Untersuchungs-Ausschüsse waren selten zur Tatzeit am Tatort und haben noch nie einem Schwerganoven Aug um Aug gegenüber gestanden aber - wenn alles vorbei ist wissen sie alles besser.

Warum übernehmen sie nicht von vornherein die Einsatzleitung, wenn noch nicht absehbar ist - wie die ganze Sache ausgeht ? sorry - aber ich habe von den späteren Besserwissern keinen Respekt.
  • 22.05.2015, 20:07 Uhr
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Ja ich habe aller größten Respekt von der Arbeit unseren Polizisten und ich will auch in keins der weiße die Arbeit von unseren Polizeibeamten herab setzen. Aber was da in Baden Württemberg basiert ist, bei der Ermittlung von der Polizistin Kisewetter kann man nicht mehr abtun mit einem Fehler, das ist schon eine Reihe von gravierenden Pannen. Da entsteht schon der Verdacht das es eine Verschwörung ist, normaler weiße können doch Polizisten oder auch Menschen meines Erachtens gar nicht so Dum sein.
  • 23.05.2015, 12:53 Uhr
  • 0
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