von Miqdaad Versi
Das Ergebnis einer Studie zeigt, dass nahezu alle Berichte über Muslime negativ sind. Das ist die am wenigsten akzeptable Form von Scheinheiligkeit – und sie entzweit die Gesellschaft.
Hut ab vor der ‚Mail on Sunday‘, die sich für folgende brandgefährliche Schlagzeile entschuldigt hat: „Muslim-Bande schlitzt Reifen eines Fahrzeugs der Einwanderungsbehörden auf.“ Diese Attacke wurde der „Muslimischen Gemeinde“ und der „Muslimischen Jugend“ in die Schuhe geschoben, obwohl die Religion der Täter weder bekannt noch relevant war. Das hat die Zeitung nun richtiggestellt, die Geschichte neu geschrieben und sowohl gedruckt als auch online veröffentlicht.
In den Medien werden die Begriffe ‚Islam‘ und ‚Muslim‘ allzu gern zur Beschreibung von Kriminellen verwendet, auch in Fällen, bei denen der Glaube nichts oder nur wenig mit dem Verbrechen zu tun hat.
Im März lautete eine Titelgeschichte der ‚Times‘ provokativ: „Aufruf zu einer nationalen Debatte über die Sexpraktiken von Muslimen“. Es gibt nichts im Islam, das derart abscheuliche Taten rechtfertigt, und keiner der in diesen Fall verwickelten Personen gab den Islam als Motiv für die Tat an. Warum also dieser Titel? Andere Geschichten über Kindesmissbrauch erwähnen hingegen weder Religion noch ethnische Zugehörigkeit des Täters.
Als Dutzende unschuldiger Pilger Anfang dieses Monats in Saudi-Arabien getötet wurden, hat ‚Mail Online‘ die Geschichte mit Osama bin Laden und dem 9. September folgendermaßen in Verbindung gebracht: „ Mindestens 87 Todesopfer … nach dem Kollaps eines riesigen Krans, der von einer zum Bin-Laden-Konzern gehörigen Firma betrieben wurde … eine Erinnerung an die Attacken vom 9. September“ – auf Twitter ein gefundenes Fressen für viele User mit scheinheiligen, rechtsextremen Ansichten. Das Blatt hat dann den Bezug zum 9. September entfernt, später auch jenen zu Bin Laden. Aber der Schaden war schon angerichtet: die hetzerische Schlagzeile hatte sich schon wie ein Lauffeuer im Internet ausgebreitet.
Müssen Muslime – und auch die Gesellschaft – diese Hetze einfach akzeptieren? Wir wissen, alles, was die Sensationsgier befriedigt, verkauft sich gut, besonders online: Medien verwenden Headlines als Köder, um in einem dichten Nachrichtenmarkt Leser anzuziehen. Und was ist besser geeignet, Leser zu gewinnen, als einen Artikel mit rechtsextremen Ansichten in Verbindung zu bringen, die den Islam als böse und seine Anhänger als zivilisierungsbedürftig bezeichnen? Viele Muslime haben das Gefühl, dass sich derartige Ansichten auch in der Rhetorik der Regierenden widerspiegeln.
Die regelmäßige Assoziierung von Islam und Muslimen mit Verbrechen und Terror in den Medien und im Internet trägt wesentlich dazu bei, die islamophobe Rhetorik zu verbreiten. Dies hat eine Konferenz zu diesem Thema festgestellt, die im Juni 2014 in Stockholm stattgefunden hat und an der weltbekannte Experten zu dem Thema beteiligt waren.
Es ist unrealistisch, zu bestreiten, dass die Medien eine Schlüsselrolle dabei spielen, dass Muslime zunehmend Ablehnung und Hass ausgesetzt sind.
Die realen Folgen der Verbreitung dieser Scheinheiligkeit beeinflussen die Gesellschaft: eine kürzlich durchgeführte Umfrage zu dem Thema hat gezeigt, dass in Großbritannien ein Viertel aller Jugendlichen zwischen 10 und 16 Jahren glaubt, der Islam fördere den Terrorismus, und fast ein Viertel meint, Muslime wollten das Land übernehmen. 37% aller Briten gaben zu, Maßnahmen unterstützen zu wollen, die die Anzahl der Muslime im Land reduzieren können. Ist es da ein Wunder, wenn sich Muslime immer mehr ausgeschlossen fühlen?
Die Ablehnung gegenüber Muslimen zeigt sich auch im Anstieg der von Hass verursachten Verbrechen, die laut der Metropolitan Police im Vorjahr um 70% gestiegen sind. Jetzt leben wir in einem Land, wo die meisten Muslime jemanden kennen, der unter dem islamophoben Hass zu leiden hat.
Natürlich kann man nicht die Medien für die Gewalt gegen Muslime verantwortlich machen – die Verantwortung liegt bei den Tätern. Aber wenn 90 % aller Berichte über Muslime aus einem negativen Blickwinkel verfasst werden und unnötiger Weise die Religion hochspielen, wäre es falsch zu bestreiten, dass den Medien eine Schlüsselrolle bei der Zunahme der Islamophobie zukommt.
Was kann man also tun?
An erster Stelle steht die Bewusstseinsbildung. Die Wortwahl hat sich zwar - laut einer Untersuchung über Berichte von Islam und Muslimen in Großbritannien – verbessert, aber der religiöse Analphabetismus ist selbst in den Elite-Medien immer noch weit verbreitet. Der Herausgeber einer großen nationalen Zeitung wusste bis vor Kurzem nicht, das ‚Jihad‘ mehrere Bedeutungen hat, und das ‚Fatwa‘ nicht mit einem Todesurteil gleichzusetzen ist. Fehlende Kenntnisse zu einem Bereich, der das tägliche Brot einer Zeitung ist, sind zutiefst bedenklich und sind nicht zu unterschätzen, wenn es um journalistische Entscheidungen geht. Es wäre mir lieber, glauben zu können, dass dies auf purer Ignoranz beruht und nicht auf Böswilligkeit, die schwerer zu bekämpfen ist.
An zweiter Stelle geht es um Vielfalt. Alle Minderheiten sind in den Medien unterrepräsentiert, aber besonders Muslime, vor Allem in höheren Positionen. Mehr Vielfalt würde die Berichterstattung verbessern und Falschberichte bekämpfen. Es sind größere Umorganisationen nötig, um diese Kluft etwa durch Programme, die die Vielfalt fördern, oder durch bezahlte Praktika und außertourliche Beförderungen proaktiv zu schließen.
Den Schlussstein bilden Regulative. Paragraph 12 des ‚Editors’ Code of Practice‘ besagt: „Angaben zur Rasse, Farbe, Religion … sind zu vermeiden, wenn sie für einen Bericht nicht relevant sind.“ Das Problem ist, dass sich diese Bestimmung nur auf Einzelpersonen beschränkt, nicht aber auf Personengruppen. Darum konnte Katie Hopkins mit ihren infamen Kommentaren, in denen sie Flüchtlinge mit Kakerlaken vergleicht, ungestraft davonkommen. Die Streitpunkte zwischen freier Rede und Zensur sind komplex. Aber Jonathan Heawood vom ‚Impress Project‘, ein unabhängiger Beobachter der Presse, meint, dass der ‚Editors’ Code‘ den Vorschlag von Lord Leveson aufgreifen und die Bestimmungen auf Gruppen ausdehnen sollte. Dies würde es Gruppenvertretern erlauben, die Medien für die Verwendung der Begriffe ‚Islam‘, oder ‚Muslim‘ zur Verantwortung zu ziehen, wenn diese für einen Bericht nicht wirklich relevant wären.
Wir sind gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft und fordern Fairness, keine Begünstigungen. Es ist nicht zu viel verlangt, von den Herausgebern die Vermeidung täglicher Schmierenberichte, Gruppenverleumdungen und deren gewalttätigen Folgen zu fordern.
Originalbericht in Englisch:
http://www.theguardian.com/commentis...slims-study
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