Populismus – Was ist das eigentlich?
Die Begriffe 'Populismus', 'Populist', 'populistisch', sind zur Zeit in allen Medien so weit verbreitet, dass man meinen könnte, sie gehörten zum Basisvokabular eines jeden Deutschen. Fragt man den Mann auf der Straße, was er darunter versteht, bekommt man tausend verschiedene Antworten – oder gar keine.
Hier ist zunächst einmal der Versuch einer Definition (Wikipedia):
„Dem Begriff Populismus (von lateinisch populus ‚Volk‘) werden von den Sozialwissenschaften mehrere Phänomene zugeordnet. Einerseits handelt es sich um einen spezifischen Politikstil, eine Form der politischen Rhetorik bzw. Strategie zum Machterwerb, andererseits wird Populismus in der Forschung auch als Ideologie eingestuft.[1] Populismus ist geprägt von der Ablehnung von Eliten und Institutionen, Anti-Intellektualismus, einem scheinbar unpolitischen Auftreten, Berufung auf den „gesunden Menschenverstand“ (common sense), Polarisierung, Personalisierung und Moralisierung. Populismus betont den Gegensatz zwischen dem „Volk“ und der „Elite“ und nimmt dabei in Anspruch, auf der Seite des „einfachen Volkes“ zu stehen. Populismus hat hingegen kein bestimmtes, eigenes Wertesystem, das seinen ideologischen Kern ausmachen und ihn von anderen Ideologien abgrenzen würde. Er kann daher mit ganz unterschiedlichen politischen Richtungen und Zielsetzungen einhergehen „
Ist der Begriff damit hinreichend beschrieben?
Am besten lässt sich an Beispielen erkennen, was 'Populismus' ausmacht und wie er uns im Alltag begegnet:
Wenn jemand behauptet, er und nur er beziehungsweise nur er und seine Partei seien die einzig legitimen Vertreter des wahren Volkes, kann man ihn mit Fug und Recht als Populisten bezeichnen. Eine solche Behauptung lässt eine eindeutig antipluralistische Haltung erkennen. Pluralismus steht also in einem Widerspruch zum Populismus.
ZEIT Wissen: Woran erkennt man einen Populisten, wenn nicht an seinen Verführungstricks?
Müller: Daran, dass jemand behauptet, er und nur er beziehungsweise nur er und seine Partei seien die einzig legitimen Vertreter des wahren Volkes. Entscheidend ist nicht die antielitäre Haltung, denn Eliten kritisieren wir alle ständig. Entscheidend ist eine antipluralistische Haltung.
Donald Trump tönte auf einer Wahlkampfveranstaltung:"The only thing that matters is the unification of the people, and all the other people don’t matter." (Das Einzige, was zählt, ist die Einheit des Volkes. All die anderen Menschen, die zählen nicht) Für ihn gibt es ein 'wahres' Volk, und er ist sein einziger 'wahrer' Vertreter. Seine politischen Gegner sind automatisch nicht Teil des Volkes, zählen also moralisch und politisch nicht. Alleinvertretungsanspruch ist ein typisches Merkmal eines Populisten.
Populisten nehmen also für sich in Anspruch, Vertreter des 'Volkes' zu sein. Wie können sie das behaupten, wenn sie doch – zumindest am Anfang – eine Minderheit darstellen?
Sie bedienen sich dazu eines einfachen Tricks: Sie behaupten einfach es gebe einen 'wahren' Volkswillen, der von den 'Eliten' nicht gehört und sogar unterdrückt würde. Sie, die Populisten, seien die Einzigen, die den Mut aufbrächten, das zu sagen, was 'alle' denken. Mit dieser Behauptung erreichen sie vor allem diejenigen, die zwar ein diffuses Unbehagen über 'die da oben' verspüren, aber nicht bereit oder in der Lage sind, dieses zu artikulieren. Sie sind 'dagegen', ohne genau zu wissen, wofür sie denn sind. Dieses Gefühl der 'Unbestimmtheit' und 'Unsicherheit' nehmen die Populisten auf und nutzen es für sich. Sie geben also vor, das Sprachrohr einer 'schweigenden Mehrheit' zu sein.
Der Forderung, der 'Stimme des Volkes' mehr Raum zu geben, verleihen sie Nachdruck, indem sie sich für mehr Volksbefragungen und Referenden einsetzen. Aus ihrem Alleinvertretungsanspruch lässt sich aber unschwer erkennen, dass sie wohl kaum bereit wären, diesen aufzugeben, sollte sich das Volks gegen sie entscheiden. Denn nach ihrer eigenen Einschätzung sind sie es doch, die genau wissen, was das Volk wirklich will.
Populisten haben immer recht, so meinen sie. Politiker versuchen immer, andere von ihren Vorstellungen zu überzeugen, diese gegen andere durchzusetzen, weil sie überzeugt sind, dass sie recht haben. Demokraten unterscheiden sich jedoch von Populisten dadurch, dass sie akzeptieren, dass sie sich geirrt haben könnten. Sie lassen oppositionelle Meinungen zu. Auch wenn sie sie nicht teilen. Wenn sie keinen Erfolg bei ihrer Überzeugungsarbeit haben, was sich in den Wählerstimmen ausdrückt, versuchen sie es bei der nächsten Wahl noch einmal, eventuell auch mit modifizierter Politik. Populisten erklären ihre Misserfolge häufig damit, dass sie von einer Verschwörung der Eliten, von Unterdrückung oder von Wahlfälschungen ausgehen, da sie doch zu meinen wissen, dass sie die 'schweigende Mehrheit' hinter sich haben.
Wie steht es denn nun mit dem 'Volkswillen', auf den die Populisten so nachdrücklich rekurrieren? Gibt es den überhaupt, und spiegelt dieser sich nicht in dem demokratischen Parteienspektrum, wie wir meinen, sondern wird – wie die Populisten behaupten - von den Eliten, den etablierten Parteien,, unterstützt von den Mainstream-Medien, von der 'Lügenpresse', systematisch manipuliert, unterdrückt und verfälscht?
Für den Populisten hat das Volk eine bestimmte Identität, aus der sich alles andere ableitet und die es zu verteidigen und zu wahren gilt. Der Populist bildet den 'Volkswillen' lediglich ab, er ist das Volk. In der gegenwärtigen Situation gerieren sich die Populisten bei uns als Opfer. Sie fühlen sich verfolgt und unterdrückt von den herrschenden Eliten, die gegen ihre Interessen und damit auch gegen das 'Volk' Politik machen. Sie präsentieren sich auch oft als die Einzigen, die es wagen, die Wahrheit zu offenbaren. Sie fühlen sich als Tabubrecher, die für ihre 'Aufrichtigkeit' verfolgt werden. Sie jammern darüber, dass man sie gewaltsam unterdrückt, bezeichnen sich als eine 'verfolgte Minderheit', der das 'wahre Wort' verboten wird. Und das, obwohl ihre Bücher die Bestsellerlisten anführen (Sarazzin), ihre oft obstrusen Essays die Netzmedien füllen und es kaum eine Talkshow gibt, in der sie nicht Gelegenheit bekommen, sich darzustellen.
Die modernen Medien, besonders das Internet, machen es den Populisten heute leicht, sich Gehör zu verschaffen. Das Netz hat sich deshalb zum Tummelplatz für Populisten und Demagogen aller Couleur entwickelt. Dort akquirieren sie auch mit gewissem Erfolg die meisten ihrer Anhänger – und sei es auch nur durch möglichst viele Klicks auf den 'Like-Button'.
Dass sie nicht zu einer ernstzunehmenden Gefahr für unsere Demokratie werden, dazu ist Aufklärung nötig. Möge dieses ein kleiner Beitrag dazu sein.
Unter nachfolgendem Link kann man noch Interessantes zum Thema lesen, insbesondere zum Unterschied zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen.
http://www.das-parlament.de/2012/29_...0542/319400
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