Trumps Triumph – Versuch einer Erklärung
Für sehr viele Deutsche war der Wahlerfolg Donald Trumps mehr als eine Überraschung. Die Reaktion der Medien, der Politiker, ja eines Großteils der Bevölkerung war sprachloses Staunen und Kopfschütteln. Wie konnte das Undenkbare passieren? Selbst Meinungsforscher lagen mit ihren Vorhersagen des Wahlausgangs bis kurz vor der Wahl völlig falsch.
Gibt es eine Erklärung für das Geschehen? - Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, muss man weit in die Geschichte der USA zurückgehen, muss man sich an die Anfänge der Besiedlung Nordamerikas durch die 'pilgrim fathers' erinnern.
Die englischen Siedler, die 1620 auf der 'Mayflower' über den Atlantik segelten und an der Ostküste des nordamerikanischen Kontinents die Kolonie 'Plymouth' gründeten, waren sehr fromme Leute, nannten sich selbst 'saints' (Heilige). Sie waren so genannte Separatists, gehörten also einer besonders radikalen Strömung im englischen Puritanismus an In ihrer englischen Heimat hatten sie sich von der Church of England getrennt, waren deshalb dort als Häretiker verfolgt worden Als
'Congregationalists' bildeten sie eine theologische Abspaltung des protestantischen Calvinismus. Eine ihrer Besonderheiten lag darin, dass sie die presbyterianische Kirchenverfassung der Puritaner und das Bischofsamt als 'vom Satan geschaffen' ablehnten. Diese Eigenheit lässt auf einen unbändigen Freiheitsdrang schließen und erklärt manche der späteren historischen Entwicklungen.
Religiosität und Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit prägten also das Leben der frühen Siedler, und davon sind Spuren bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Die Amerikaner, besonders des mittleren Westens, gelten als besonders fromm.
Die nordamerikanische Unabhängigkeitsbewegung mit der Gründung der USA (1776) und die Französische Revolution (1789) hatten ihren Ursprung im Gedankengut der Aufklärung, Die neuen Ideen brachten eine tiefgreifende Veränderung von Staat und Gesellschaft mit sich. Sie beendeten die Feudalherrschaft und begründeten die demokratisch verfasste Nation mit der besonderen Betonung der Freiheit des Individuums, Gedanken, die gut zu dem Freiheitsdrang der frühen Pioniere passten. Prägende Einflüsse also, die erklären, warum für den typischen Amerikaner gilt: so wenig Staat wie nötig, und soviel Freiheit wie möglich.
Zwei Quellen speisen also die amerikanische Mentalität bis heute: die Aufklärung, die auch maßgeblich verantwortlich ist für die rasante technologische Entwicklung und für den materiellen Wohlstand sowie für die Entwicklung der Demokratie, , und der Puritanismus. Zwischen diesen beiden Polen pendelt das politische Leben der Nation hin und her. Die Antwort auf die Frage, wie es möglich ist, dass eine Nation, deren Verfassung vom Geist der Aufklärung geprägt ist und die Jahr für Jahr Nobelpreisträger hervorbringt, innenpolitisch so wenig aufgeklärte Vernunft an den Tag legt, ist hier zu finden. Kann man noch an ein aufgeklärtes Amerika glauben, wenn die Anhänger der 'Tea Party', die überwiegend aus der gut ausgebildeten Mittelschicht stammen, den eigenen Staat zu entmachten versuchen, oder wenn die Evangelikalen, die gegen Darwins Evolutionslehre zu Felde ziehen, schon fast die Hälfte der Bevölkerung hinter sich haben? Es fällt jedenfalls schwer.
So erlebten wir nacheinander den „wiedergeborenem“ Christ George W. Bush, der mit religiösem Eifer den Kampf gegen die „Achse des Bösen“ aufnahm und den 'aufgeklärten' Barack Obama, der jedoch in vielen seiner Bemühungen, das Land zu modernisieren, schnell ausgebremst wurde.
Nirgends in der Welt ist der Wettbewerbscharakter der kapitalistischen Marktwirtschaft so ausgeprägt wie in den USA. „Nothing is more successful than success“ ist ein Slogan, der diese Überzeugung gut wiedergibt. Bei den puritanischen Siedlern bildete sich früh die Überzeugung aus, dass irdischer Erfolg ein göttliches Zeichen für Erwähltheit sei. Irdischer Erfolg als Beweis für die Erwähltheit beschränkt sich in der Vorstellung der Amerikaner nicht auf den Gelderwerb, sondern erstreckt sich auf alle Lebensbereiche, z.B. auch auf den Sport, auf die Popularität und gesellschaftliche Achtung. Das erklärt, weshalb demonstrativ gezeigter Reichtum in Amerika nicht zu Neid und Missgunst Anlass gibt, sondern Bewunderung bewirkt. Wer wohlhabend ist, zeigt, dass er die besondere Gunst und Gnade Gottes genießt.
Die ursprüngliche Symbiose zwischen Aufgeklärtheit und puritanischer Frömmigkeit beinhaltete auch einen Grad von intellektuellem Anspruch, der aber weitgehend verlorengegangen zu sein scheint. Der heutige Evangelikalismus hat nicht mehr die Intellektualität des Puritanismus, sondern zeichnet sich durch erschreckende geistige Dürftigkeit aus. Das lässt sich an vielerlei Erscheinungen festmachen, z.B. an der Ablehnung der Evolutionslehre.
Seine größten Wahlerfolge feierte Donald Trump bei den Angehörigen der weißen Unterschicht mit geringer Bildung. Dass Trump, der Milliardär, nicht einer von ihnen ist, hat ihm offensichtlich nicht geschadet. Die generell vorhandene Staatsfeindlichkeit der US-Bürger ist vielleicht noch ein Relikt aus der Pionierzeit, in der jeder mit dem Colt im Gürtel für seine eigene Sicherheit zu sorgen hatte. Das unbedingte Festhalten an dem individuellen Recht auf Waffenbesitz kennzeichnet diese Haltung.
Im Wilden Westen waren Optimismus, Kampfbereitschaft, Unternehmungsgeist und Nachbarschaftshilfe wesentlich für das Überleben – oft genug aber auch Skrupellosigkeit, List und Tücke, vor allem, wenn man dadurch erfolgreich war. Wer die meisten dieser Wesenszüge in sich vereinigen kann, dem ist auch der Weg zum höchsten Staatsamt geebnet. Und wenn er als Kandidat für ein solches Amt durch seinen privaten, persönlichen Erfolg und Reichtum gezeigt hat, dass er „God's Favourite“ in „God's Ówn Country“ ist, dann steht ihm nichts mehr im Wege.
Donald Trump als Prototyp des modernen amerikanischen 'homo sapiens'?
Warten wir's ab, wie lange seine Erfolgssträhne anhält.
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