Triage in Italien - So entscheiden Ärzte über Leben und Tod

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Corona-Einsatz in Palermo: Eine Ärztin in einem so genannten Prä-Triage-Zelt

Die Zahl der Corona-Patienten steigt rasant, viele benötigen zum Überleben dringend Beatmungsgeräte. Doch es gibt nicht genug für alle. Solche Berichte über die Zustände in italienischen Krankenhäusern schockieren die Welt. Die Ärzte dort stehen vor einem grausamen Dilemma: Wen retten sie - und wen nicht? Sie setzen auf Triage.

Das derzeit grassierende Coronavirus zwingt einige Ärzte dazu - wie aktuell in Italien - bei der Behandlung schwerkranker Infizierter nach einer Methode vorzugehen, die für Kriegszeiten und Katastrophen vorgesehen ist: das Triage-Prinzip.

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So haben einige Kliniken in der Lombardei vor ihren Gebäuden spezielle Zelte eingerichtet, so genannten Triage-Bereiche. Das berichtete etwa der Narkosearzt Christian Salaroli der italienischen Zeitung "Corriere della Sera".

Triage: Wer wird behandelt? Wer nicht?

Der Ausdruck "Triage" leitet sich ab vom französischen Wort für aussuchen, sortieren (trier). Angewendet auf die Medizin bedeutet dies: Ärzte müssen in Situationen mit knappen Ressourcen eine Auswahl treffen. Welcher Patient wird behandelt, welcher nicht?

So wie dies der Narkosearzt Christian Salaroli aus dem Krankenhaus namens "Papst Johannes XXIII." in Bergamo berichtet. Die Schilderungen des 48-jährigen Familienvaters schockiert Menschen in aller Welt.

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Das Problem: Die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten steigt in Italien seit Wochen in rasantem Tempo.

Aktuell (Stand: 18. März 2020) zählt die Johns Hopkins Universität 31.506 Menschen in Italien, bei denen SARS-CoV-2 nachgewiesen worden ist, 2503 Menschen sind demnach an dem Virus gestorben. Das sind die höchsten Corona-Zahlen in ganz Europa.

Das Gesundheitssystem droht zu kollabieren. Mangels ausreichend Intensivbetten und genügend Beatmungsgeräten müssten die Ärzte entscheiden, wer vorrangig behandelt wird. Und wer die lebensrettenden Maßnahmen nicht bekommt - und damit dem Tod geweiht ist.

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"Es wird nach Alter und Gesundheitszustand entschieden. Wie in allen Kriegssituationen", sagte der Arzt Christian Salaroli der Zeitung "Corriere della Sera". Auch ein drittes Kriterium spiele eine Rolle: "Die Fähigkeit des Patienten, sich von einer Intensiv-Behandlung zu erholen." Wie schnell er also wieder auf die Beine kommt.

Ein furchtbares Dilemma

Eine grausame Situation. Und ein für Ärzte entsetzliches moralisches Dilemma.

Bei der Entscheidung helfen sollen den Medizinern Richtlinien, die die italienische "Gesellschaft für Anästhesie, Analgesie, Reanimations- und Intensivmedizin" (Siaarti) vergangene Woche veröffentlicht hat. Dabei geht es um "Ethisch fundierte Entscheidungen" zu Behandlung von Covid-19 Patienten, die an schwerer Ateminsuffizienz leiden.

Zwei Empfehlungen geben die Mediziner ihren Kollegen an die Hand: Zunächst sollen die, heißt es darin, diejenigen Patienten behandeln, deren Wahrscheinlichkeit zu überleben höher ist. Und Patienten, die voraussichtlich noch eine längere Lebenszeit vor sich haben.

Junge Patienten und solche ohne Vorerkrankungen werden vorrangig behandelt. Erst dann Ältere und Kranke.

In der Notfallmedizin

Zur Anwendung kommt das Triage-Prinzip bei Ärzten auch zu vergleichsweise normalen Zeiten - nämlich in der Notfallmedizin.

Etwa bei diesem Szenario: Die Notfall-Aufnahme voller Patienten. Im Vergleich dazu wenige Ärzte, die sich um sie kümmern können. Auch hier soll "Triage" den Medizinern eine strukturierte Entscheidungshilfe bieten. Bei der Frage, wen sie zuerst behandeln müssen.

Hier gilt es, diejenigen Patienten herauszufiltern, deren Erkrankung oder Verletzung so schwer ist, dass sie so schnell wie möglich versorgt werden müssen. Und erst dann die weniger schweren Fälle.

Entscheidung über Leben und Tod

Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen diesem Alltags-Szenario und der Corona-Krise in Italien: In der Notfallaufnahme werden - nur eben peu a peu - alle Patienten versorgt.

In Italien geht es darum im schlimmsten Fall nicht mehr. Hier gibt Triage eine Antwort auf eine grausame Frage: Leben? Oder Tod?

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