Es ist eine ignorierte Gefahr. Deutschland dämmt. Doch die bis vor zwei Jahren häufig verwendeten Styropor-Platten mit dem Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) bereiten zunehmend Probleme. Schimmel oder Algen sind das eine. Doch HBCD kann auch die Gesundheit gefährden und steht im Verdacht, Krebs zu begünstigen. Deshalb ist es seit dem 30. September auch verboten, die Platten einfach so zu entsorgen.
Nicht nur die Entsorgung des seitdem als Giftmüll deklarierten Stoffs macht jedoch Probleme, sondern auch dass es in Deutschland in großem Stil verwendet wurde. Von 340 Millionen Kubikmetern ist die Rede, genaue Zahlen gibt es nicht. "Faktisch haben nun tausende Haushalte in Deutschland Sondermüll an der Fassade kleben", sagte Chris Kühn, der baupolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, der "Rhein-Neckar-Zeitung".
HBCD ist laut Bundesumweltamt ein Umweltgift, das sich stark in Organismen anreichert, im Verdacht steht, fortpflanzungsschädlich zu sein und außerdem sehr langlebig ist. Der Stoff verteilt sich über weite Entfernungen und reichert sich sogar weitab industrieller Aktivitäten an. Eingesetzt wird er hauptsächlich als Flammschutzmittel in Dämmplatten, aber auch als Zusatzstoff in Beton, in elektrischen und elektronischen Produkten sowie in Textilien und Polstermöbeln.
Chaos bei der Entsorgung
"Niemand hält im Moment das Chaos auf", sagt der auf Umweltrecht spezialisierte Anwalt der Kanzlei KWAG - Rechtsanwälte, Andreas Erren, aus Bremen. Bei der Neuregelung der Styropor-Entsorgung würden sich, Bundesregierung und Bundesrat gegenseitig die Verantwortung für die gegenwärtig unhaltbare Situation zuschieben.
Mit Flammschutzmittel behandeltes Styropor darf seit Oktober nicht mehr zusammen mit Bauschutt entsorgt, sondern muss verbrannt werden. Das ist zeitaufwendig und teuer. Erren: "Damit steigen die Preise für die Entsorgung einer Tonne Baumischabfall mit Dämmplatten von bislang rund 200 auf bis zu 4.000 Euro an." Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. schätzt laut Erren, dass es allein für Bauherrn zu einer Mehrbelastung von bis zu 240 Millionen Euro pro Jahr kommen wird. Am 22. November 2016 hatte sich der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) beklagt, dass erste Betriebe ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder sogar entlassen müssten, wenn es nicht bald eine Lösung gebe.
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