Reiben, Kratzen, Quetschen: Wer die Finger nicht von Pickel oder Krusten lassen kann und auch gesunde Hautstellen so lange bearbeitet bis Wunden entstehen, leidet an der so genannten Haut-Kratz-Störung, auch Skin Picking Disorder oder Dermatillomanie genannt.
„Rund zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung sind von dieser erst seit 2013 anerkannten psychischen Störung betroffen“, erklären Univ.-Prof. Dr. Anne Schienle und Univ.-Ass. Dr. Sonja Übel vom Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz. Die beiden Forscherinnen gingen der Krankheit in mehreren Studien auf den Grund.
Schienle und Übel beschäftigten sich in ihren Studien vor allem mit der Frage, welche emotionalen Prozesse der Krankheit zugrunde liegen und ob die betroffenen Personen hirnfunktionelle und strukturelle Besonderheiten aufweisen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese PatientInnen mit einem verstärkten Selbstekel zu kämpfen haben und Schwierigkeiten bei der Regulation von emotionalem Erleben aufweisen“, schildert Schienle. „Das Kratzen empfanden sie als Belohnung.“ Außerdem stießen die Forscherinnen auf eine veränderte Repräsentation des Tastsinns für die Finger in der Großhirnrinde: Bei der bloßen Betrachtung von Hautunreinheiten wurde ein Areal aktiviert, das sonst nur bei direkter Berührung relevant ist.
Aus der Gesamtheit der Daten haben die Wissenschaftlerinnen mögliche erste therapeutische Ansätze abgeleitet. „Neue potenzielle Behandlungsansätze umfassen das Trainieren von Techniken zur Regulation von Gefühlen, die Erhöhung der Selbstakzeptanz sowie sensorische Diskriminationsübungen, also das bewusste Üben der unterschiedlichen Wahrnehmungen von angenehmer oder unangenehmer Berührung“, fasst Übel zusammen.
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