Ein deutscher Schriftsteller sagte einmal über das Gespräch, es gäbe da einen Spieler und ein Instrument, und wenn es ein besonders gutes Gespräch sei, wisse man nicht, wer der Spieler und wer das Instrument sei.
Ein Zusammenspiel auf der Basis des Vertrauens?
Wenn man einen Geiger beobachtet, wie behutsam er seine Geige anfasst, wie er sie auf seine Schulter legt und wie er mit dem Instrument eins wird, versteht man diese Aussage.
Musik entsteht aus der Eins-werdung, dem Verschmelzen von Künstler und Instrument.
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Der Autor einer Notiz oder eines Beitrags kennt sein Instrument, seinen Gesprächspartner, noch nicht.
Er gibt ein Thema vor, weil es ihn selber interessiert, stellt eine T h e s e auf, erwartet Bestätigung, Ergänzung oder Berichtigung.
A n t i – t h e s e n sind erwünscht, erweitern das Gesichtsfeld, machen Facetten sichtbar.
Im Verlauf de Gesprächs mag sogar eine S y n – t h e s e zustandekommen.
So verstanden die Griechen einen Dialog.
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Bei Seniorbook lösen bereits bestimmte T h e m e n eine Flut von Verwünschungen aus. An erster Stelle stehen Auseinandersetzungen philosophischer und spiritueller Art. Auch in der Politik prallen Meinungen heftig aufeinander, führen bisweilen zu Spießrutenlaufen und gezieltem Mobbing.
Auch die F o r m schreckt einige ab, reizt oder langweilt andere.
Es wäre in Ordnung, wenn sich die Kritik auf den Inhalt
beschränkt, denn jeder mag im Laufe seines Lebens eine andere Auffassung zur Sache entwickelt haben. Man versteht alles, was einem begegnet, nur vor dem Hintergrund seines Lebensentwurfs.
Man muss sich nicht ebenso leidenschaftlich für Briefmarken oder Kaninchen interessieren wie der jeweilige Autor. Das erwartet niemand.
Aber wenn man schon etwas zu sagen hat, dann sollte man zumindest fundierte Kenntnisse, den Gegenstand betreffend, mitbringen.
Man sollte außerdem seine Kritik fortiter in re suaviter in modo vortragen, d.h. hart in der Sache, aber freundlich im Ton. Das wussten schon die alten Römer; sie wären entsetzt, wenn sie bei SB gelegentlich mitlesen würden.
Kritik an der D a r s t e l l u n g, d.h. der Syntax, der Orthographie, des Stils, des intellektuellen Gesamtniveaus sollte eigentlich unterbleiben, denn sie demütigt den Autor, wenn das in der Öffentlichkeit geschieht.
Die Bearbeitung eines Themas kann leidenschaftlich, langweilig, witzig, tiefgründig oder seicht sein, kann etwas über den Autor aussagen, z.B. über seinen Charakter, seine Sozialisation, seine Bildungsstufe.
Sie erlaubt dem Gesprächspartner nicht, sich herablassend dazu zu äußern.
Ob im Wort 'Karriere' 3 r an der falschen Stelle stehen oder das Wort Rhythmus mit einem h auskommt, sagt nichts über die Persönlichkeit des Menschen aus, der hier einen Fehler macht.
Kritik an der P e r s ö n l i c h k e i t des Verfassers, sollte in der Öffentlichkeit generell vermieden werden. Die Lektüre einer Notiz oder eines Beitrags kann niemals ein vollständiges Bild von dem Menschen vermitteln, der hier nur einen Denkanstoß gegeben hat.
Wir wissen nichts von den Motiven oder den tieferen Gründen, die ihn zu diesem Schritt bewogen haben. Vielleicht sucht er tatsächlich selber Antwort auf eine Frage, die ihn seit langer Zeit verfolgt. Vielleicht möchte er nur aus einem einsamen Leben ausbrechen und wagt es, eine Tür zu öffnen.
Vielleicht möchte er aber auch andere an seinen Erfahrungen teilhaben lassen, an seinen Selbstzweifeln, seinem Enthusiasmus, seinen 'gesicherten Erkenntnissen'. Es ist ein Angebot, mitzumachen, sich einzumischen, etwas miteinander zu teilen.
Natürlich hat man das Recht, dieses Angebot nicht anzunehmen. Man pocht auf sein Recht auf Meinungsfreiheit, inzwischen Fetisch aller westlichen Demokratien.
Aber wer Bewegungsfreiheit hat, darf auch nicht seine Ellbogen einsetzen, wenn er nach vorn eilt und andere dabei verletzt. Wer seine Meinung frei heraus sagt und dabei den anderen verspottet oder gar verhöhnt, hat dieses Recht missverstanden.
Alle Rechte sind begrenzt. Sie hören da auf, wo die Rechte des anderen beginnen.
An einem Beispiel möchte ich das noch einmal verdeutlichen:
Das Thema könnte 'Gesundheit im Alter' sein. Es wäre wünschenswert, zu den verschiedenen Aspekten etwas beizutragen. Sicher würden sich schnell Vegetarier oder Veganer zu Wort melden. Würde man sie dann wenig schmeichelhaft als „Gemüsefresser“ bezeichnen, käme das einer stilistischen Entgleisung gleich.
Einen Mittagsschläfer zur „Schlafmütze“ zu degradieren, könnte als Humor noch durchgehen, wenn man den Ausdruck mit ein paar passenden Smileys garnierte.
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Ein gutes Gespräch sollte am Ende zu einem Gewinn für alle führen, einer Erweiterung des Wissens. Niemand sollte sich – wie es die Tarotkarte Schwerter Nr. 7 zeigt - mit gestohlenen Waffen vom Schlachtfeld entfernen. Verwundete sollten nicht am Boden liegen, nur weil sie ohne Waffen erschienen sind.
Miteinander reden sollte eigentlich Nähe herstellen, nicht Entfernung und schon gar nicht Entfremdung voneinander.
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Der Monolog könnte ein guter Ersatz für diejenigen sein,
die die Härte eines verbalen Schlagabtauschs nicht ertragen wollen oder können.
Das 'SB-Buch' könnte für diese Gruppe zu einem Zufluchtsort werden
© Edith Zeile
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