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Kunst verstehen: Die Brueg(h)els lassen Bethlehems Kindermord im verschneite ...

Kunst verstehen: Die Brueg(h)els lassen Bethlehems Kindermord im verschneiten Flandern geschehen ...

Volker Barth
14.01.2017, 20:00 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Die biblisch-christlichen Feierlichkeiten bis hin zum Hl. Drei-Königs-Tag sind nun vorbei und danach folgt biblisch dann die „Flucht nach Ägypten“. Ausgangspunkt war ein babarischer Befehl von König Herodes dem Großen (73 bis 4 v. Chr. (!)).

Dieses Geschehen wurde von der flämischen Maler-Dynastie Bruegel mehrfach gemalt. Wer jeweils Urheber eines jeden Motives ist, ist unter Kunsthistorikern oftmals sehr umstritten. Eine weltberühmte Darstellung mit dem Titel „Der Bethlehemischer Kindermord“ befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien. Das Bild ist ziemlich eindeutig eine Kopie von Sohn Pieter Bruegel dem Jüngeren. Das Gemälde ist in Öl auf Eichenholz gemalt und hat die Maße 116 mal 160 Zentimeter - ist aber leider beschnitten, somit auch Teile der Signatur. Als Entstehungszeit nimmt man „das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts“ an.

Pieter Bruegel der Ältere, genannt de Drol „der Drollige“ oder „Bauernbruegel“, ist wohl der berühmteste Vertreter der berühmten Malerfamilie. Seine Motive sind bekannt für seine Darstellungen des bäuerlichen Lebens im Herzogtum Brabant (Niederlande und Flandern) des 16. Jahrhunderts.

Das Wiener Gemälde

Es ist also eine Kopie nach dem Originalgemälde von Pieter Bruegel d. Ä., welches sich in der Royal Collection im Hampton Court Palace, London befindet.

Viele Kunsthistoriker datierten das Gemälde um 1567 um in der Darstellung einen direkten Bezug zu den Drangsalierungen, die Flandern unter der Besatzung der spanischen Truppen zu erleiden hatten, herzustellen. Speziell im Wiener Motiv wird der schwarz gekleidete Reiter in der Bildmitte als Herzog von Alba identifiziert, er soll später von Pieter Bruegel selbst eingefügt worden sein.

Als Schauplatz des biblischen Geschehens wählte Pieter Bruegel ein brabantisches Dorf mit Kirche und Wirtshaus. Die kahlen Bäume und der bleierne Himmel tragen dazu bei, die erdrückende Atmosphäre und das Gefühl der Unerbittlichkeit zu verstärken. Die „Soldaten des Herodes“ lassen sich auch vom verzweifelten Wehklagen der Frauen und ihrer Männer nicht abhalten, das Massaker an den Kindern zu verüben. Sie bringen sie auf der Stelle um, dringen in die Häuser ein, um versteckte Kinder zu finden, „befragen“ die Mütter mit roher Gewalt.

Einzigartig an diesem Gemälde ist, dass die heftigsten Details, nämlich die in den Schnee geworfenen Kinderleichen, übermalt wurden, um das Dramatische der Darstellung etwas abzumildern (Sind es „schlimme“ Restaurierungen des 17. und 18. Jahrhunderts?).

Das Londoner Gemälde

Leider ist auch hier durch intensives und umfangreiches Übermalen das Thema „Kindermord“ nicht mehr nachvollziehbar. Ist es eine spanische Strafexpedition gegen ein flämisches Dorf?

Dazu der historische Hintergrund: Nach dem Tod Karls V. wurde Flandern den spanischen Habsburgern zugesprochen. Diese versuchten mit Gewalt, den sich ausbreitenden Protestantismus zu unterdrücken. Es kam zum Aufstand niederländischer Provinzen gegen Spanien und einer Teilung in einen katholischen Süden und protestantischen Norden.

Das Gemäldemotiv zeigt das Plündern eines winterlichen flämischen Dorfes. Die Fußsoldaten sind einheimische Flamen, die in roten Jacken gekleideten Reiter wallonische Söldner und die schwarz gepanzerten Reiter in der Bildmitte sind durch ihre Lanzen als spanische Truppen zu identifizieren. Die Dorfstraße führt in einer Kurve zu einer Brücke, auf der ein Reiter positioniert ist. Die Dorfkirche ist aus der Mitte versetzt, der Horizont durch Hausdächer verdeckt, so das das Bild einen abgeschlossenen Eindruck hinterlässt.

Die Plünderer rauben und töten Tiere! Am rechten unteren Rand wird die Tür zu einer Gastwirtschaft eingetreten, während andere durch ein Fenster einsteigen. Im Vordergrund rechts befindet sich ein Wasserloch mit darin liegenden Fässern und Baumstämmen, rechts davon stehen zwei einsame Weiden.

Weiteres zum Wiener Gemälde

Ausgangspunkt und Textquelle für das Pieter Bruegel d. J. Gemälde ist die christliche Bibel, Neues Testament mit dem Evangelium des Matthäus. Es gibt keine weitere zeitgenössische Berichte.

Dort heißt es (Mt 2,1–2): „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“

Der herrschende König Herodes „erschrak“ und befragte seine Schriftgelehrten, wo denn diese Geburt stattgefunden habe. Denn ein Thronanwärter (der neugeborener König der Juden), war für ihn gefährlich. Folglich beauftragte Herodes die Sterndeutern genauestens nachzuforschen und ihm zu berichten - als Geburtsort nannten sie ihm Betlehem, die Stadt Davids. Aber sie kehrten zu König Herodes nicht zurück, denn ein Traum warnte sie.

(Mt 2,16): „Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig und er ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten, genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte.“

Aber auch Josef von Nazaret, wird in einem Traum gewarnt und aufgefordert mit Maria und dem Jesuskind nach Ägypten zu flüchten, um dem Kindermordbefehl von Herodes zu entgehen.

König Herodes war bekannt für seine Brutalitäten

Er war bekannt für seine Grausamkeiten, wurde von den Römern eingesetzt und witterte hinter allem einen Rivalen, Intriganten oder Königsmörder.

Der Kindermord-Befehl wird heute von Historikern angezweifelt. Der frühe römische Historiker Flavius Josephus, der das Wirken von Herodes ausführlich beschrieb, erwähnte übrigens die Tat mit keinem Wort. Aber Sinn macht sie indes für den Evangelisten Matthäus, denn durch die Flucht von Maria und Josef gelangte Jesus nach Ägypten und damit wird das Wort des Propheten Hosea erfüllt: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“

Wie viel Tote?

Laut Wikipedia: Während die griechische Liturgie 14.000 ermordete Knaben nennt und mittelalterliche Autoren bis zu 144.000 Opfer annahmen, sprachen spätere Theologen (Joseph Knabenbauer, August Bisping) aufgrund der anzunehmenden Größe des Ortes Betlehem zu biblischen Zeiten nur noch von etwa sechs bis zwanzig erschlagenen Kindern.

Wie schreibt sich die Malerfamilie?

Pieter Bruegel d. Ä. signierte seine Werke anfangs mit „Brueghel“, änderte diese Schreibweise dann aber ab 1559 bewusst in „Bruegel“ um; der Grund dafür ist unbekannt. Auch seine beiden Söhne Pieter und Jan benutzten verschiedene Schreibweisen. In der Kunstwissenschaft existierten beide Namensformen einträglich nebeneinander, wobei sich inzwischen die meisten Autoren für die Schreibweise ohne „h“ entschieden. Die meisten Museen benutzen in ihren Publikationen diese Schreibweise, die mittlerweile auch vom „Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie“ als die bevorzugte Schreibweise angegeben wird.

Links:

(Malerfamilie Bruegel)
http://www.rheinische-art.de/cms/top...derborn.php

(Bethlehischer Kindermord)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kinder...in_Betlehem

(Datenbank zum „Central Collecting Point München“)
http://www.dhm.de/datenbank/ccp/dhm_...chen=Suchen

(Kunsthistorisches Museum Wien)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kunsth...ches_Museum

(Royal Collection Hampton Court, London)
https://de.wikipedia.org/wiki/Royal_Collection

Map-Data:
Kunsthistorisches Museum Wien, Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien, Saal 10

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3 Kommentare

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noch einmal herzlichen Dank.
Diese Künstlerfamilie Brueghel
ist mir seit meiner Kindheit vertraut,
allerdings wusste ich nicht, dass
dieses Bild mal aus Kinderleichen
bestand.
Mich haben immer diese unzähligen
Menschen fasziniert, egal - ob bei
der Kornernte, beim Eislaufen oder
beim Tanz im Freien. So stellte ich
mir einfach die Landbevölkerung vor.
Ich konnte mich nicht sattsehen
an den vielen Details.
(die Blumen von Jan B. sind auch
wunderbar)
  • 15.01.2017, 15:42 Uhr
  • 0
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Letztes Jahr habe ich nicht sehr viel hier gelesen, da es mir gesundheitlich schlechter ging, aber nun bin ich wieder fit wie ein Turnschuh und freue mich wieder die Kunst auf verständliche und unterhaltsame Art durch dich nahe gebracht zu bekommen. LGLore
  • 15.01.2017, 10:09 Uhr
  • 1
Volker Barth
Ja, das ist gut und das neue Jahr 2017 beginnt so, hervorragend! Jetzt darf ich mich auf weitere Kommentare von Dir freuen. Du bleibst eben mein Beitrags-Fan! Danke ...
  • 15.01.2017, 11:46 Uhr
  • 0
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