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Kunst verstehen: Arnulf Rainer, der „Über“maler und seine Kruzifikationen

Kunst verstehen: Arnulf Rainer, der „Über“maler und seine Kruzifikationen

Volker Barth
14.04.2017, 15:01 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Zur Zeit sind wir in der Karwoche und somit begegnet man aktuell in der Kulturgeschichte zahlreichen Kreuzmotiven. Das Kreuz als zentrales Symbol, Zeichen und Motiv des Christentums steht für Tod und Wiederauferstehung. Die intensive Beschäftigung des österreichischen Malers Arnulf Rainers mit diesem christlichen Symbol bringt eine Vielzahl künstlerischer Varianten hervor - es sind Arbeiten mit recht unterschiedlichen Interpretations-Möglichkeiten.

Die Karwoche beginnt am Palmsonntag und setzt sich mit den „stillen Tagen“ Montag, Dienstag und Mittwoch fort, um dann am Gründonnerstag, dem Karfreitag und in der Karsamstagsfeier der Osternacht zu enden.

Arnulf Rainer über sich und sein Arbeiten

Der avangardistische, aber auch rebellische Maler Arnulf Rainer wurde am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wien geboren (Weitere biografische Daten im hinteren Teil dieses Beitrages). Er begann mit dem „fantastischen Surrealismus“, dem „Tachismus“ und der „Informel“ - aber schon sehr schnell beschäftigte er sich mit der Kreuz-Thematik. Kreuze und Kruzifikationen durchziehen sein bisheriges Werk - aber er will "keine" sakrale Malerei. Genauer formuliert Arnulf Rainer: „Das Kreuz ist meine Grundfigur geworden. Mir fällt einfach nichts anderes ein, was mich so herausfordert und in Arbeitswut und Fleiß bringt; deswegen nehme ich es immer wieder auf ... ich versuche alles Mögliche. Ich versuche bis ins Gegenteil des Kreuzes auszubrechen, aber es führt mich immer wieder zurück.“

Arnulf Rainer berichtet:

„Meine ersten Kruzifikationen habe ich in den 1950er Jahren gemacht, sie waren das Resultat eines Interesses an der Mystik, Kunstgeschichte und an der Theologie des Kreuzes. All diese Werke erheben nicht den Anspruch, speziell für eine Heilige Umgebung geschaffen worden zu sein. Die Arbeiten wurzeln in einer persönlichen Verwirrung. Ich war bewegt durch die Person, das Ereignis und die Idee des Kreuzes.

Über vieles bin ich mir noch unklar, zu oft fühle ich mich in dieser Dunkelheit verloren. Ich ziehe es vor, religiöse Interpretationen meiner Werke zu vermeiden. Subjektive, psychologische und analytieche Theorien sind ebenfalls nicht passend. Nur eine strenge persönliche Faszination regt mich zu neuen und wiederholten Arbeits-Serien an. Wie auch immer, bevor man irgendwie Interpretationen formuliert, möchte ich alle Aspekte dieser Bilder langsam in meinem Kopf speichern.“

Jesus Christus stirbt am Kreuz

Die katholischen Kirche zelebriert karfreitags um 15 Uhr den Todesstunden-Gottesdienst (genau zur überlieferten Todesstunde Jesu). Die Farbe ist seit der Liturgie-Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht mehr Schwarz, sondern Rot. Rot steht hier als Zeichen für das im Leiden und Sterben Jesu vergossene Blut.

Auf die Verwendung von Weihrauch wird verzichtet. Nach alter Tradition schweigen die Kirchenglocken nach dem Gloria der Messe vom letzten Abendmahl am Gründonnerstag und die Orgel. Der Altar ist schmucklos, ohne Kerzen und Altartücher. Kreuze sind verhüllt, Triptychen und Flügelaltäre sind zugeklappt und zeigen die einfach gestalteten Rückseiten. Das Ewige Licht leuchtet nicht und die Kerzen brennen nur beim provisorischen Aufbewahrungsort des Allerheiligsten.

Der Tod Jesu

Die Bibelstellen zur Kreuzigung (Neues Testament): Matthäus 27,32-56 - Markus 15,22-41 - Lukas 23,33-49 und Johannes 19,17-30

Rumänischen Forscher fanden heraus, dass in den Jahren von 26 bis 35 n. Chr. zwei Mal Vollmond kurz nach Frühlingsbeginn war: Am 7. April im Jahre 30 und am 3. April im Jahre 33. Das Jahr 33 ist den Forschern plausibler, da für Jerusalem in diesem Jahr eine Sonnenfinsternis belegt ist (auch die Bibel berichtet über sie während der Kreuzigung Jesu).

Zeugen der Hinrichtung von Jesus wurden tausende Menschen, denn „Golgatha“ liegt nahe der stark frequentierten Ausfallstraße Jerusalems in Richtung Westen. Dazu erklärt Wikipedia: „Golgatha“ ist der heute verwendete Name eines bislang nicht identifizierten Hügels außerhalb des Jerusalems der Antike. Den neutestamentlichen Evangelien zufolge wurde dort Jesus von Nazaret gekreuzigt.
Im Markusevangelium lautet der Text wörtlich: „Und sie trugen ihn an die Stätte Golgota, das ist übersetzt Ort des Schädels“. Lukas schreibt lediglich, dass der Ort „der Schädel“ genannt wurde und erwähnt Golgota nicht. Matthäus ist nahe an Markus und erklärt, dass der Hügel sowohl „Golgota“ als auch „Ort des Schädels“ genannt wurde. Johannes schreibt, dass der Hügel „Ort des Schädels“ genannt wurde, was auf Hebräisch Golgota heißt. Doch kaum einer wußte, wer da unter Qualen sein Leben aushauchte. Unmittelbar ans Kreuz ließen die Legionäre niemanden. Jesus rang in seinem qualvollen Todeskampf mit Gott. Seine letzten Worte entstammen dem alttestamentarischen Psalm 22 „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“. Dann war es vollbracht - er starb am Kreuz.

Eine Bildbeschreibung zu dem beispielhaften Kreuz-Motiv „Christus-Übermalung von 1984“ (siehe Bildleiste)

Am Anfang erkennt der Betrachter das Haupt einer gotischen Christusgestalt. Aus welchem Bildobjekt diese entstammt, ist durch die Isolierung und die malerische Verfremdung leider nicht mehr zu bestimmen. Jedenfalls ganz eindringlich ist der Blick mit dem „Jesus Christus“ durch das Liniengewirr den Betrachter anschaut. Man spürt all das Leid, das da ausgehalten werden muss, das "Kreuz" ist deutlichst präsent.

Der Aktionskünstler Arnulf Rainer hat das dem Menschen Jesu zugefügte Leid malerisch-gestisch umgesetzt und den Christus-Kopf in die Kreuzform integriert: Er hat „Jesus mit dem Pinsel und einem Stift gegeißelt, sein Antlitz mit Striemen versehen und sein Haupt mit einem Liniengeflecht als Dornenkrone gekrönt“. Dann hat Arnulf Rainer mit seinen Händen gelbe und dunkelrote „triefende“ Farbspuren so aufgetragen, dass er dem Gekreuzigten damit noch zusätzlich kräftige Gesichtsmacken verpasst hat.

Interessantes im Leben des Arnulf Rainers

1929: Geburt am 8. Dezember in Baden bei Wien.
1944: Arnulf Rainer verließ die Schule, weil er von einem Zeichenlehrer gezwungen wurde, nach der Natur zu zeichnen.
1949: Nach bestandenen Aufnahmeprüfungen verbrachte er
nur einen Tag wegen einer künstlerischen Kontroverse mit dem Assistenten an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien
und nur drei Tage an der Wiener Akademie der bildende Künste, da seine Arbeiten als „entartet“ bezeichnet wurden.
1950: Arnulf Rainer gründet die „Hundsgruppe“ mit den Malern Maria Lassnig, Ernst Fuchs, Arik Brauer u.a..
1953 bis 1959: Arnulf Rainer lebt sehr zurückgezogen in einer möbellosen, verlassenen Villa seiner Eltern in Gainfarn bei Bad Vöslau. Dort beginnt er die Werkgruppe der „Reduktionen“ (monochrome schwarze Bilder mit abgegrenztem weißen Rest), die als Vorstufe seiner weltberühmten „Übermalungen“ gelten.
1953: Arnulf Rainer begegnet Monsignore Otto Mauer, dem Gründer und Leiter der Galerie St. Stephan (ab März 1964 Galerie nächst St. Stephan), Wien. In dieser Galerie findet
1955: Arnulf Rainers erste Einzelausstellung (Kreuzbilder und Proportionsstudien) statt - als Plakat dient Rainers Text „Die Form ist Physiognomie“. .
1956: entsteht eine Serie von ca. 15 Kruzifikationen (übermalte, zusammengesetzte Hartfaserplattenin verschiedenen Kreuzformen) und erste Kaltnadelradierungen.
1958 bis 1963: Maler wie Victor Vasarely, Emilio Vedova, Georges Mathieu, Sam Francis und viele andere stellen Arnulf Rainer Werke zum Übermalen zur Verfügung.
1959: gründet Arnulf Rainer das „Pintorarium“ (als ein Crematorium zur Einäscherung der Akademie) mit Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser.
und Peter Kubelka dreht den Film „Arnulf Rainer“, der nur aus schwarzen und weißen Flächen aufgebaut ist.
1961: In Wolfsburg wurde Arnulf Rainer wegen der öffentlichen Übermalung eines prämierten Bildes gerichtlich verurteilt.
1973: Arnulf Rainer entwickelt seine gestische Hand- und Fingermalerei. Er überarbeitet Abbildungen von Kunstwerken früherer Künstler (Leonardo da Vinci, van Gogh, Rembrandt, Goya oder griechische Plastiken).
1974: Die Stadt Wien will Arnulf Rainer ihren Kunstpreis verleihen - er verweigert aber seine Teilnahme bei der Übergabe und bekommt daraufhin den Preis wieder aberkannt.
1977: Ab jetzt intensive Beschäftigung mit dem Tod. Überzeichnungen von Totenmasken-, Mumien- und Leichengesichter-Abbildungen entstehen in Bildserien.
Teilnahme an der dokumenta 6 in Kassel.
1978: durch Arnulf Rainer wird Österreich bei der Biennale von Venedig vertreten.
und Überreichung des Großen Österreichischen Staatspreis „in Würdigung seines Schaffens auf dem Gebiete der bildenden Kunst“.
1981: Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wurde auch Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und Mitglied des Österreichischen Kunstsenates.
1982: Entstehung des Hiroshima-Zyklus, eine Serie von Zeichnungen auf Fotos der zerstörten Stadt (ab 1982 in 17 europäischen Städten ausgestellt).
Teilnahme an der documenta 7 in Kassel mit Hand- und Fingermalerei.
Seit September 2009: existiert in Baden bei Wien das „Arnulf Rainer Museum“.

Den größten Teil des Jahres arbeitet er in seinem Bauernhof in Enzenkirchen/Oberösterreich, im Winter lebt er auf Teneriffa.

Das Kreuz als Kleid, Mantel der Engel

„Aus meinen alten Kreuzbildern abgeleitet, entwickelte ich in den letzten Jahren Blicke, Bildwünsche nach etwas ganz Anderem - mir damals noch nicht Zugänglichem: das Bild des Engels. Ich meine damit vor allem den Blick auf die Gewandung, denn vorerst wage ich mich nur an Vorstellungen bezüglich ihrer Kleider. Die Entwicklung aus der T-Form des Kreuzes half mir dabei. Die Beziehung von Engelshemd und T-Form mag ihre begründete Relation haben, oder auch nicht. Hosentragend fielen sie bis jetzt noch keinem Maler ein.

Die Ahnung vom Engel hinter dem Bild drängte sich mir in letzter Zeit immer Öfter auf, darüber reden mochte ich aber bisher nicht. Da mir in letzter Zeit die farbigen Kreuze aber immer mehr die Missverständnisse der Theologen einbrachten, mir sogar Vorwürfe wegen eines allzu sorglosen ästhetischen Umgangs mit der Kreuzform eintrugen, fühlte ich mich zu dieser verbalen Rechtfertigung gezwungen. Ob sie nun glaubhaft ist, oder nicht, mich inspiriert sie zu weiteren Schritten und Möglichkeiten.

Das Kreuz ist durch sein symbolisches Gewicht, und den Ernst seiner historischen Bedeutung als Zeichen, derart raumschwer, dass dem eigentlich nur eine singuläre Präsentation in einem sonst leeren Raum gerecht würde."

Links:

(Arnulf Rainer - Biografie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Arnulf_Rainer

(Passion Jesu)
http://www.ev-kirche-freudenstadt.de...on_Jesu.pdf

(Jesus Tod)
https://www.welt.de/wissenschaft/art...rklich.html

(Symbol Kreuz)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuz_(Symbol)

(Golgatha)
https://de.wikipedia.org/wiki/Golgota

Map-Data:
Arnulf Rainer Museum „Frauenbad“, Josefsplatz 5, 2500 Baden/Österreich

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