Wenn es im eigenen Schlafzimmer gefährlicher ist als nachts im Park.
Jede 4. Frau ist betroffen.
Ein Viertel aller Frauen in Deutschland, im Alter von 16 bis 85 Jahren erleben ein- oder auch mehrmals in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner.
Das besagt in 2004 eine repräsentative Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Gewalt gegen Frauen“.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Gewalt gegen Frauen sogar als eines der größten Gesundheitsrisiken von Frauen weltweit.
In Berlin wurden im Jahr 2012 15.797 Fälle häuslicher Gewalt bei der Polizei registriert, 25 % der gemeldeten Opfer waren Männer. Es wird vermutet, dass Männer im gleichem Maße betroffen sind von häuslicher Gewalt, wie Frauen die meisten Männer sich aber dafür schämen und es so nicht herauskommt.
Bei den körperlichen Übergriffen handelt es sich um ein breites Spektrum unterschiedlicher Gewalthandlungen. Die Übergriffe reichen von Verachtung, verbalen Beleidigungen, wütendem Wegschubsen und Ohrfeigen bis hin zum Schlagen mit Gegenständen, Verprügeln und Gewaltanwendungen mit Waffen, sowie erzwungene sexuelle Handlungen und Nötigung und vieles mehr.
Misshandlungen geschehen nicht auf Grund eines einmaligen Kontrollverlustes, sondern dienen dazu, Macht und Kontrolle über das Opfer ausüben.
Die Vereinten Nationen sagen, dass Gewalt gegen Frauen ein Ausdruck der historisch bedingten ungleichen Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau, die zu einer Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann sowie zur Verhinderung der vollen Entfaltung der Frau geführt haben.
Häusliche Gewalt in allen Formen kommt in jeder sozialen Schicht vor. Es ist statistisch nicht erwiesen, dass körperliche Gewalt vorwiegend in sozial schwachen Schichten oder psychische Gewalt öfter in der Oberschicht vorkommen. Tatsache allein ist, dass Frauen, die Frauenhäuser aufsuchen, hauptsächlich aus den unteren sozialen Schichten kommen oder Migrantinnen sind. Es ist aber zu vermuten, dass Frauen aus höheren Schichten auf private Hilfe im Umfeld zurückgreifen können und auch eher über materielle Ressourcen verfügen, die einen Rückzug vor der Gewalt ermöglichen. Auch dürfte die Scheu, öffentliche bzw. staatliche Einrichtungen aufzusuchen, bei diesen Frauen größer sein.
Warum schlägt ER – Warum erträgt SIE
Warum schlägt, vergewaltigt, demütigt oder bedroht ein Mann seine Partnerin?
Die meisten Männer, die Gewalt gegenüber ihren Frauen ausüben, sind sozial unauffällig und gesellschaftlich integriert. Sie haben häufig kein Unrechtsbewusstsein und fühlen sich selbst als Opfer z.B. durch das Herausreden mit einer schlimmen Kindheit oder sie verharmlosen die Situation, in der sie gewalttätig wurden.
Frauen, die Gewalt erfahren haben, wird unterstellt, sie hätten durch ihr eigenes Verhalten den ansonsten friedfertigen Mann provoziert oder versucht, sich über die Anschuldigung, einen Vorteil zu verschaffen.
Männliche Macht und die Forderung von Männern nach Unterordnung der Partnerin hat gesellschaftliche Tradition. Früher hatten Frauen nicht die gleichen Rechte wie die Männer. Es gibt Männer, die, wenn sie sich in dieser Rolle als Familienchef und Beschützer dieser Rolle sehen, denken, sie wären auch im Recht, ihre Frauen bei möglichen Abweichungen vom erwarteten Verhalten zu reglementieren und eben auch zu schlagen. Zitate von Männern zur Begründung: „Wer seine Frau liebt, der schlägt sie.“oder „Eine Frau braucht so was.“
Beziehungsängste, Eifersucht und Wutausbrüche, Stress, oder die Unzufriedenheit mit der Lebens- und beruflichen Situation, sowie auch Arbeitslosigkeit und Arbeitsüberforderung des Mannes können zu Gewaltausbrüchen führen.
Ist der sozialen Status der beiden Partner unterschiedlich und der Mann fühlt sich unterlegen, so kann dies auch zu Gewalt führen. Gewalttätige Männer haben oft ein geringes Selbstwertgefühl. Sie fühlen sich unzulänglich und der Frau unterlegen. Diese Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Schwäche sollen durch Gewalttätigkeiten kompensiert werden. Außerdem sind sie oft nicht in der Lage, ihre Meinungen und Gefühle verbal auszudrücken. Deshalb treten an die Stelle fehlender Argumente die Gewalthandlungen.
Alkohol- und Drogenkonsum wird oft auch als Ursache gesehen. Das stimmt aber nicht! Es sind eher Auslöser und Verstärker von Gewalt. Wird aber leider oft als Entschuldigung missbraucht.Also, nicht der Geist aus der Flasche hat zugeschlagen. Männer und Frauen trinken, um hinterher dem Alkohol die Schuld geben zu können.
Warum, um Himmels Willen, dreht sie sich nicht einfach um und geht?
Warum erträgt eine Frau diese Gewalt und trennt sich nicht?
Die Frau ist in der Regel hin- und her gerissen zwischen Angst vor weiteren Gewaltanwendungen sowie der Hoffnung auf Besserung des Täters. Hinzu kommt noch das Mitleid mit dem Partner, das eine Frau hat und, dass sie ihn auch liebt.
Das Opfer verliert an Selbstwertgefühl und es sieht sich selbst als Ursache. Frauen nehmen ihren Mann vor sich und anderen in Schutz und bagatellisieren alles. Zitat einer Frau zur Entschuldigung des Übergriffes auf sie:“ich hätte halt besser die Wohnung aufräumen sollen“ Sie werden immer hilfloser, es kommen wirtschaftliche Ängste dazu, finanzielle Abhängigkeit und oft der Wunsch die gemeinsamen Kinder zu schützen. Zudem haben sie das Gefühl versagt zu haben und verantwortlich zu sein. So verharmlosen sie die Gewalt vor sich selbst und Anderen und verschleiern sie. Zitat einer Frau als sie nach dem Auslöser gefragt wurde: „weil meinem Mann das Essen nicht schmeckte“
Immer wieder auf den/die Falsche/n reinfallen
Partner in gewalttätigen Beziehungen finden sich nicht einfach so - durch Zufall.
Oft „suchen“ sich Opfer und Täter.
Es handelt sich oft um eine unbewusste !!! Anziehung zwischen Männern, die oft in ihrer Kindheit erfahren, dass Gewalt ein angemessenes und erfolgversprechendes Mittel zur Austragung und Lösung von Konflikten ist und denen schon früh beigebracht wurde, Frauen nicht zu achten, und Frauen, die in ihrer Kindheit selbst Gewalt erlebt, sei es an ihnen selbst oder an ihrer Mutter und die als Mädchen schon lernten, dass sie keine Achtung verdienen.
Der Gewaltzyklus
(nach ifk-vehlefanz)
Häusliche Gewalt beginnt nicht mit Schlägen, sondern meist mit der großen Liebe.
Aus dieser entwickelt sich sukzessive der Gewaltkreislauf.
Darstellung eines Gewaltzyklus
Erste Phase – Zuschlagen – Der Mann verschafft sich Erleichterung von seinem emotionalen Druck.
Zweite Phase – Entsetzen – Die Selbstkontrolle des Mannes setzt ein.
Dritte Phase – Reue – Die empfundene Reue äußert sich durch Entschuldigungen, Erklärungen, um Vergebung bitten, Versprechen abgeben, Blumen oder Schweigen.
Vierte Phase - Verliebtheit - Eine neue Verliebtheit und Harmonie unter den Partnern - wie vorher sonst kaum erlebt bestimmt die Beziehung.
Fünfte Phase – Schuldfrage - Die emotionale Anspannung lässt nach. Der Mann entlastet sich von seinen Schuldgefühlen, indem er der Frau eine Teilschuld zuweist.
Sechste Phase – Spannung - Es bauen sich allmählich wieder neue Spannungen und Aggressionen auf, da der Konflikt nicht gelöst ist.
Siebte Phase – Zuschlagen - Ein geringer Anlass führt zu erneuten Gewalthandlungen des Mannes. Der Gewaltkreislauf beginnt von vorn.
Dieser Prozess wird eine Spirale, denn die von Gewalt bestimmten Auseinandersetzungen werden brutaler, die Phasen der Versöhnung werden immer kürzer.
Beziehungsgewalt ist männlich und weiblich.
Frauen als Täter – Wenn SIE zuschlägt.
Die aktuellen Zahlen zeigen, dass es bei Gewalthandlungen in Partnerschaften zu einer Gleichverteilung der Gewalt kommt, und Frauen wie Männer in gleichem Maße Gewalt gegenüber ihren Partnern einsetzen. Frauen unterscheiden sich in ihrem Aggressionspotential nur wenig von Männern. Männer haben es nur wesentlich schwerer!
Die Situation männlicher Opfer häuslicher Gewalt ist mit derjenigen der Frauen Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre vergleichbar. Auch sie stießen seinerzeit auf Unglauben, Ignoranz und öffentliches Desinteresse. Männer schämen sich auch, das öffentlich zu machen, er wird sich in den Augen anderer herabgesetzt fühlen, als Weichei, als unmännlich. Der geprügelte Mann wird sich also kaum jemandem anvertrauen, aus Scham - und wenn doch, wird ihm in aller Regel sowieso niemand glauben.
Was können Betroffene tun?
Hilfe für Opfer und Täter
Sich jemandem anvertrauen, Freunden, Familie, um Hilfe bitten, zur Polizei gehen, in ein Frauenhaus, untertauchen, eine Therapie machen, Beratungsstellen aufsuchen.
Das Hilfetelefon vom Bundesamt für Familie und gesellschaftliche Aufgaben, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr kostenfrei erreichbar: Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 08000 116 016 Hilfetelefon
Es gibt auch viele Online-Beratungsangebote.
Bei seniorbook gibt es auch die Interessensgemeinschaft Gewaltfreies Zuhause aus Porta Westfalica, die ihre Hilfe anbietet.
Prävention
Frauen wie Männer sollten ihren Kindern grundsätzlich vorleben, dass eine Beziehung nur gewaltfrei geführt wird. Dass Gewalt keine Lösung für Konfliktlösungen ist und, dass es andere Mittel gibt Frust, Wut und Ärger loszuwerden.
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Quellen: auch zur weiteren Recherche nutzbar
Repräsentative Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema Gewalt gegen Frauen
ifk-vehlefanz - Ursachen häuslicher Gewalt
re-empowerment! Frauen gegen Partnerschaftsgewalt
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich
Häusliche Gewalt – Gewaltschutz auch für Männer
Wenn Frauen schlagen Tabuthema: Männer als Opfer häuslicher Gewalt
Studie des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Gewalt gegen Männer
Gewalt in Partner-Beziehungen von Schotterblume
Terre de Femmes, Menschenrechte für die Frau e.V.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Gemeinsam gegen häusliche Gewalt.
Gewaltenschutzgesetz
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siehe auch Themenbeiträge bei seniorbook
Häusliche Gewalt geht uns alle an!
Fachtagung Hannover Teil 1
Fachtagung Hannover Teil 2
Das macht mich traurig und wütend zugleich
Häusliche Gewalt, das kann mir doch nicht passieren
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