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Olympia nein danke — das Aus für die Winterspiele im Chiemgau.

Olympia nein danke — das Aus für die Winterspiele im Chiemgau.

Otto Huber
12.11.2013, 21:05 Uhr
Beitrag von Otto Huber

Jetzt ist es entschieden. Von 140.000 Wahlberechtigten im Landkreis Traunstein haben 55.563 ihr Kreuzchen gemacht. 33.100 (59,6%) stimmten mit Nein. Bei den Befürwortern herrscht Katerstimmung. Auf Seiten der Gegner hört man allerdings auch wenig Triumphgeschrei. Sieger will sich so recht keiner nennen.

Das Ergebnis ist keine Überraschung. Erstens ist man immer leichter dagegen als dafür. Zweitens wurden auch Fehler gemacht. Der Schuss mit der unterschwelligen Drohung: „Wenn ihr nicht mit Ja stimmt gibt’s keine Umgehungstraße“, ging nach hinten los. Die Lärm geplagten Bürger in Eisenärzt nahmen dies übel. Sie wollten einfach nicht einsehen was eine dringend notwendige Umgehungsstraße mit Olympia zu tun haben soll. Ergebnis: 60% Neinstimmen.

Alle waren sie dafür: der Landrat, die Bürgermeister, Tourismusverbände, Sportvereine, die Handwerkskammer, die Parteipolitiker außer den Linken und den Grünen — es hat nichts genutzt. Selbst für erfolgsgewohnte CSU-Granden gab’s ein böses Erwachen. Konservative Wähler verweigerten scharenweise die Gefolgschaft. Und dies in einer Gegend wo ein Besenstiel gewählt wird wenn nur groß genug CSU drauf steht.

Die Mär von den betonierten Langlaufloipen.

Auf der anderen Seite trumpften die Grünen auf im Verein mit selbsternannten Naturschützern. Erstaunlicherweise wurde ihnen jeder Unsinn geglaubt, sogar die abstruse Behauptung, Langlaufloipen seien heutzutage betoniert. Im Detail wusste kaum jemand bescheid. So wie mein Freund Erwin, ein Altachtundsechziger mit silberner Haarmähne bis zur Schulter. Er sei dagegen weil in München das Olympiagelände total kaputt gemacht würde. „Sie bauen das Eisstadion mitten in den Olympiasee, ich hab’s doch auf den Plänen gesehen. Und das Tollwoodfest wird auch abgeschafft“.

Auch nach der Abstimmung konzentriert sich die Kritik auf das IOC. Niemand hat Verträge gelesen, Bilanzen studiert oder im Internet nachgesehen wie die Sponsorgelder verteilt werden. Aber alle wissen: das IOC ist eine geldgierige, undurchsichtige Mafia alter korrupter Männer. Auf die Frage, ob denn die Norweger, die trotz IOC mit fast 60% für Olympia gestimmt haben, alle blöd seien, erntet man eher betretenes Schweigen.

„Dös IOC — de Grattlerbande“.

Sonntagabend beim Feichtenwirt am Bichl. Am Stammtisch sitzen g’standene Männer mit grünen Joppen und Gamsbart auf dem Hut. Sie haben mit Nein gestimmt „weil ma dem Bürgamoaster oane hig’fahr’n ham“. Auf deutsch: den Bürgermeister ärgern wollten. Außerdem seien sie in Inzell sowieso sauer weil auf ihrer geliebten sündteuren Eisschnellaufbahn keine Wettbewerbe stattfinden sollen. Und überhaupt „dös IOC de Grattlerbande, sogar inser eigen’s Bier verbiet’ns uns bei Olympia!“

Einen Tag vor der Abstimmung erklärt sich der Deutsche Alpenverein zum Olympiagegner. Das hat altgediente Mitglieder nicht nur im Chiemgau irritiert. Einerseits definiert sich der DAV auch als Sportverein und bettelt seit Jahren beim IOC um Aufnahme des Klettersports als Olympische Disziplin. Andererseits ist man gegen die Olympia-Bewerbung. Wie passt das zusammen?

Wer hat nun wirklich gewonnen und wer hat verloren? Es sei kein Votum gegen den Sport gewesen, sagt Ludwig Hartmann Fraktionschef der Grünen im Landtag, einer der eifrigsten Propagandisten von NOLYMPIA, „wir haben dem IOC eine Lehre erteilt“. Da werden die Herren der 5 Ringe aber zittern vor dem forschen Provinzpolitiker aus Bayern.

Natürlich hat der Sport verloren und die Umwelt auch. Wir hätten im Chiemgau demonstrieren können wie nachhaltige Winterspiele in Zukunft auszusehen haben. Diese Chance wurde vertan. Gewonnen haben die Bedenkenträger, die Saturierten, die Risikoscheuen. Im Traunsteiner Tagblatt wurde der Berchtesgadener Landrat mit den Worten zitiert: „Gute Nacht liebe Berchtesgadener, schlaft’s weiter“.

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10 Kommentare

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Ich bin selbst Ruhpoldinger und ich habe selbstverständlich dafür gestimmt. Die Spiele wären ein unglaublicher Werbeträger für die gesamte Region gewesen. Alle beteiligten Gemeinden klagen über einen eklatanten Rückgang der Gästezahlen die sich im fünfstelligen Bereich bewegen. Hier hätte man die einmalige Möglichkeit gehabt, der Region einen touristischen Aufschwung über Jahre hinweg zu verschaffen, zumal keinem Baum ein Zweig gekrümmt hätte werden müssen, da alle sportlichen Einrichtungen bereits vorhanden sind. Es würde der Region auch gut tun, wenn man einige landschaftsbezogene Beherbergungsbetriebe ansiedeln könnte, die sich im Premiumbereich bewegen. Wir leben nun mal vom und mit dem Tourismus. Und das nicht erst seit Gestern. Jedes Jahr besuchen uns Tausende von biathlonbegeistere Menschen aus aller Welt und wir sind bisher nicht an den "feindlichen" Einflüssen erstickt.
  • 15.01.2014, 18:01 Uhr
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IOC hat von der FIFA gewaltig gelernt und wenn einer behauptet die FIFA sei nicht korrupt, dann frag ich nur, wie eine Fußball WM nach Katar kommt. Wie war das 1996? Hat da Coca Cola nicht auch Olympische Spiele für die USA eingekauft?
  • 13.11.2013, 15:22 Uhr
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Das kommt raus, wenn man im Vorfeld zu einseitig auf den Putz haut und auch polemische Berichte aufmacht und z. B. schreibt ….,

„Alle waren sie dafür, der Landrat, die Bürgermeister, Tourismusverbände, Sportvereine, die Handwerkskammer, die Parteipolitiker außer den Linken und den Grünen.
Selbst für erfolgsgewohnte CSU-Granden gab’s ein böses Erwachen, denn konservative Wähler verweigerten scharenweise die Gefolgschaft und dies in einer Gegend, wo ein Besenstiel gewählt wird wenn nur groß genug CSU drauf steht“ und ergänzend urteilt:

„Gewonnen haben die Bedenkenträger, die Saturierten und die Risikoscheuen“.

Es ist auch nicht die feine Art, die Entscheidungen von Bürgern in den betroffenen Regionen jetzt so abzuwerten und ich glaube nicht, dass die Bürger in den jeweiligen Landkreisen speziell zu diesem regionalem Thema nur mit einem "Bauchgefühl" entschieden haben; wenngleich Volksentscheidungen insgesamt problematisch zu sehen sind.
  • 13.11.2013, 14:51 Uhr
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Otto Huber
Lieber Herr Klier,
nix für unguad — der Besenstiel war vielleicht etwas polemisch. Aber NOLYMPIA hat in ihren Infoveranstaltungen noch weitaus polemischer agitiert — das hätten Sie hören sollen.
  • 13.11.2013, 15:40 Uhr
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Liebe Doris Binder, nachfolgend dazu ein Zitat aus Ihrem Profil:
"Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."
  • 15.11.2013, 10:10 Uhr
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Thomas Bily
Ich teile Ihre Meinung Herr Huber.
Lesen, Analysisen, Überlegen - all das kommt bei der Entscheidungsfindung heutzutage meist zu kurz. Sprichwörtlich jeder kann heute sein Meinung äußern - unüberlegt, nicht differenzierend - und dabei sogar auf Applaus hoffen von gleich "Gesinnten".
MIr schauderts vor Volksentscheiden - die Seehofer jetzt fördern will. Eine wenig durchdachte Haltung wird nicht besser, wenn Zigtaugsende dafür stimmen. Jeder holt sich seine Wahrheit heute irgendwo zusammen. Und zur Not schreibt er sie halt selber schnell "ins Internet".
Und "dagegen sein" - klar das liegt uns Deutschen ja sowieso.
Die Komibination aus beiden macht den Bock nicht nur zum Gärtner, sondern die Herde zur "Regierung".
Ist vielleicht eh besser, wenn das so wenige wie möglich live erleben.
  • 12.11.2013, 23:37 Uhr
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Otto Huber
Volksentscheide bei komplexen Themen — mir graust davor. Ob man Banken vorübergehend stützen muss? Die Antwort "des Volkes" auf diese Frage kann ich gut mir vorstellen. Verantwortliche Politik kann man so nicht machen.
  • 13.11.2013, 09:35 Uhr
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Thomas Bily
Ehrlich gesagt: ich persönlich will gewisse Themen gar nicht bewerten. Unter anderem weil ich es nicht kann und weil mir beispielsweise Wissen, Zeit oder Leidenschaft dafür fehlen.
In einer repräsentativen Demokratie sind es die gewählten Staatsmänner und -frauen, die diese Aufgabe anvertraut bekommen haben.
Banken, Olympia, Energiewende.... etc. Wenn dazu in Zukunft mit Bauchgefühl und Stammtischparolen entschieden wird, reichen wir uns selber durch auf nicht mehr wettbewerbsfähige Plätze.

http://www.sueddeutsche.de/politik/p...1.1816320-2
  • 13.11.2013, 09:53 Uhr
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Immerhin haben auch die Bürger von Graubünden in der Schweiz gegen die Austragung der Winterspiele 2022 in ihrer Region gestimmt.
  • 12.11.2013, 23:30 Uhr
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nach wie vor bin ich überzeugt ,daß wir hier nicht mehr viel zu sagen hätten, wenn das IOC hier einzug gehalten hätte. umgehungstunnels und straßenausbau wurden uns eseln wie die karotten vorgehalten , um uns zum JA zu bewegen . wir lassen uns nicht für dumm verkaufen und golddukaten scheißen wir auch nicht auf befehl für die herren sportfunktionäre . großartig ,daß es hier noch genug menschen gibt ,die das megageschäft mit dem sport nicht unterstützen ; wenn die party vorbei ist kehrt katerstimmung ein , weltweit genügend beispiele .wir lieben unsere region zu sehr , als daß wir sie von einer global agierenden event -und geschäftstüchtigen meute fleddern lassen. ja wir schlafen wieder gut.
  • 12.11.2013, 22:33 Uhr
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