Also ganz ehrlich: Das ständige Gerede vom „besten Alter“ halte ich für einen gescheiten Schmarrn, wie man hier in Bayern sagt. Warum wird in den Medien und der Werbung ständig unisono davon gesprochen, die Deutschen 50plus seien im besten Alter? Auch den selbst ernannten 50plus-Experten fällt offensichtlich nichts Besseres ein. Mit 27 damals, da habe ich selber mal gedacht, ich sei im besten Alter – aber das ist lange her. Da hatte ich noch nicht mal Kinder. Seitdem ist eigentlich jeder Tag in meinem Leben mein bester Tag, Alter hin oder her.
Heute bin ich Mitte 50 und irgendwie fehlt die Zuordnung. Bin ich noch jugendlich für mein Alter, wie manche meinen? Und was heißt das überhaupt? Oder bin ich doch schon ein alter Sack, wie das Geburtsjahr nahelegt? Gehöre ich zu den Silberlocken – was bei mir ausnahmsweise exakt zutrifft? Oder bin ich schon ein Senior? Auf jeden Fall bin ich 50plus! Seltsam – als ich 25 Jahre alt war, da gab es keine Kategorie 20plus.
Für die über 50 Jährigen gibt es nur ein paar Schubladen
Aber etwa vor zehn Jahren ging es los. Da begannen die ersten Marketingleute sich intensiver damit zu beschäftigten, dass unsere Gesellschaft sich in einem tiefgreifenden demografischen Wandel befindet. Das heißt, sie begannen Kästchen zu entwickeln, in die man die Angehörigen dieser Generation am Besten stecken und mit Ihnen Geld verdienen kann. Plötzlich feierte ich nicht nur den 50. Geburtstag. Ich war über Nacht auch noch „Best Ager“. Ja, danke! Dabei ist meine Generation so vielfältig, so bunt und so spannend, dass es weit mehr braucht, um sie zu beschreiben.
Wer heutzutage älter als 50 ist und graue oder nur noch wenige Haare trägt, für den bleiben stattdessen nur zwei Schubladen. Entweder er oder sie ist „im besten Alter“, wahlweise „50Plus“ - oder wird gleich als Senior abgestempelt. Was hinter letzterem Begriff steht, ist mehr oder weniger diffus. Aber das Wort wird in Deutschland weitgehend immer noch gleichgesetzt mit „alt“. Begriffe wie „Senioren-Teller“, Senioren-Rabatt“ und „Senioren-Residenz“ lassen daran keinen Zweifel. Im Angelsächsischen steht der Begriff Senior gemeinhin für einen gereiften Zeitgenossen. Und das sind wir doch alle, oder? Bestens gereift – und gewappnet für viele Herausforderungen, die es noch zu meistern gilt.
Wer kümmert sich um die drängende Frage: Wo stehen wir in 10 Jahren?
Was ich aber wirklich tief im Innern beunruhigt ist, wie oberflächlich die Politik mit meiner Generation verfährt, der tragenden Säule unserer Gesellschaft - der Altersgruppe, der mehr als jeder zweite Erwachsene angehört. Ausgerechnet im Bundestag, in dem übrigens weit über dem Durchschnitt Menschen im Alter 50Plus tätig sind, macht sich anscheinend niemand ernsthaft darüber Gedanken, was das für alle im Boot bedeutet, dass wir Älteren so viele sind und auf Jahre hinaus täglich mehr werden. Dabei wird der deutsche Eisberg immer größer und unsere Altersgruppe spaltet sich gerade zusehends. Auf der einen Seite stehen die „Betuchten“ - also Diejenigen, die Glück gehabt haben und das Alter aufgrund eines zur Verfügung stehenden Vermögens angemessen genießen können. Auf der andere Seite findet sich die immer größer werdende Masse all derer, die nichts oder wenig haben - auch keine Aussicht, dass es noch jemals in ihrem Leben besser werden wird. Denn rund die Hälfte der Arbeitgeber hat für ältere Mitarbeiter weder Wertschätzung noch ein Konzept. Das ist auch so ein Thema.
Was für ein gigantische Aufgabe wäre es, sich intensiv damit zu befassen - und mit der drängenden Frage, wie wir in zehn bis 15 Jahren dastehen, wenn wir schon heute einen großen Teil unserer Leistungsträger einfach nichts mehr leisten lassen. Und die damit auch kein Vermögen weiter aufbauen können für die gestiegene Lebenserwartung. In ihrer Größe ist diese Aufgabe vielleicht für die Meisten zu erschreckend, um sich ihr eingehender zu nähern. Ob wohl es uns alle betrifft. Unsere Generation hat nämlich kein Namens- oder Imageproblem. Wir haben ein Lobby-Problem. Außer dem VdK, der sich den vielen sozial Schwachen annimmt, und seniorbook.de, auf dem sich unsere Generation selber artikuliert, sehe ich weit und breit niemand, der unserer Altersgruppe Gesicht und Stimme verleiht. Es wird Zeit, dass wir uns besser organisieren. Mit unserer großen universalen Erfahrung sollte das doch möglich sein!
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