Wie praktisch: Die Räder für unseren Ausflug rund um Lignano stehen direkt vor der Tür unseres Hotels Miramare. Marco Pattaruzza, Sohn der Eigentümer-Familie, stellt uns noch die Sättel ein, prüft den Luftdruck, reicht uns zwei Schlösser – und schon kann es losgehen. Das Hotel liegt wie viele andere hier im Ortsteil Sabbiadoro direkt am Lungomare, einer gut zwei Kilometer langen, von Pinien beschatteten historischen Straße, die direkt am langen breiten Sandstrand mit seinen vielen Badeanstalten vorbei führt.
Mit der endlos scheinenden Parade von Lidos, Liegestühlen und Sonnenschirmen am acht Kilometer langen flach abfallenden Sandstrand, mit den hunderten Hotels und tausenden Ferienwohnungen gleicht Lignano auf den ersten Blick vielen anderen Ferienorten an der oberen Adria. In der ein wenig steril wirkenden Einkaufsmeile mit unzähligen kleinen Shops, Bars und Eisdielen tobt von Juli bis August der Sommer-Wahnsinn, wenn in der Hauptsaison 100 000 Gäste den 6000-Einwohner-Ort zur Großstadt und bei den zahlreichen Strandpartys die Nacht zum Tag machen.
Die "Mappa del Sapore" führt zu den besten Bars und Lokalen
Wer allerdings in der Vorsaison bis Anfang Juli nach Lignano kommt, findet außer einem Platz im Straßencafé noch die Ruhe, die verborgenen Qualitäten der Lagunenstadt zu entdecken. Das ist neben der wunderschönen teilweise geschützten Natur vor allem die mediterrane Küche. Die außergewöhnliche Lage zwischen Meer und der Lagune von Marano macht Lignano sogar zu einem Geheimtipp für Freunde exzellenter Fischküche. Als Führer dient uns die kleine „Mappa del Sapore“ – ein gastronomischer Wegweiser zu fast fünfzig Restaurants, Bars und speziellen Fischlokalen, den es im Tourismusbüro kostenlos gibt.
Bei herrlicher Sonne und 23 Grad brechen wir auf, die Köstlichkeiten per Fahrrad zu entdecken. Denn die Hoteliers und Zimmervermieter in Lignano haben die Radfahrer in ihr Herz geschlossen. „Noch sind nicht alle Radwege rund um Lignano direkt miteinander verbunden und ausgeschildert, aber die letzten Lücken werden wir auch bald schließen. Wir möchten, dass sich vor allem Ältere und Familien mit kleinen Kindern auf dem Fahrrad absolut sicher fühlen“, sagt Luigi Sutto, Sprecher der touristischen Vereinigung Lignano Vacanze, der selber nur mit dem Fahrrad im Ort unterwegs ist – in dem es übrigens keine einzige Ampel gibt.
Den ersten Stopp in Richtung Süden machen wir beim Restaurant des Campingplatzes Sabbiadoro. Das steht zwar nicht in der „Mappa“. Aber es hat sich schon zu uns herum gesprochen, dass Wirt Antonio nicht nur einen süffigen, feinperligen Prosecco auf der Karte hat. Sondern sein „Gran Fritto Dell Ariatico“, eine große Platte frittierter Fische Gemüse mit Polenta und Pommes Frites für 14 Euro, stillt den Hunger von Zwei.
Und die Zeit reicht auch noch für einen Plausch mit Mario Andretta, Inhaber des zweitgrößten Campingplatzes in Lignano. Der Vater des in München geborenen Italieners hatte vor mehr als 60 Jahren die ersten Urlauber auf der Wiese seines Hauses zelten lassen – der Beginn des touristischen Aufschwungs Lignanos nach dem 2. Weltkrieg. Heute ist er selber einer maßgeblichen Köpfe bei der Entwicklung Lignanos in Richtung naturnahen Tourismus. „Wir möchten, dass die Gäste das Meer genießen, auch ohne den ganzen Tag am Strand zu liegen. Als Alternative zum Baden kann man Joggen, Walken, Segeln, Radfahren, am Strand entlang wandern, die gute Luft genießen, den Fischern zuschauen – und sich deren Fang anschließend schmecken lassen wie bei uns“, schmunzelt er.
Unter duftenden Pinien geht's an den Strand
Weiter geht’s. Architektonisch reizvoll ist der zweite Stadtteil Lignano Pineta, dessen Straßen schneckenförmig angelegt sind. Aus der Ortsmitte Richtung Strand führt „Il treno“, eine lange Galerie mit von zwei Seiten betretbaren Mode-Shops, aber hier tummelt man sich besser am Abend. An dessen Ende kurz vor der Meerespromenade wartet die kleine, typisch adriatische Wein-Bar „Parbacco“, wo zum regionalen friaulinischen Wein kleine Bruschette mit Fisch und San Daniele-Schinken gereicht werden. Gleich dahinter liegt der „Parco del Mare“, mit der großen Kinderspielwelt. In dem weitläufigen Pinien-Park haben auch nationale und internationale Künstler ihre formidablen Skulpturen zurückgelassen, die sie der Stadt jeweils nach der Teilnahme am jährlichen Bildhauerei-Symposium vermacht haben.
Jetzt führt die Radtour weiter unter den Pinien Richtung Lignano Riviera. Ein schöner breiter Waldstreifen trennt den Strand vom bewohnten Gebiet. Wer hier wohnt, spaziert oder radelt von seiner Unterkunft aus im Schatten der duftenden Pinien gemütlich zum breiten und ruhigen Strand. Die insgesamt fünf zweistöckigen Strandbars verleihen diesem Abschnitt einen besonderen Flair: Die bungalowartigen Bauten erinnern an die Werke von Star-Architekt Frank Lloyd Wright. Vom Pinienwald her sehen sie aus, als würde jeden Moment James Bond in der Badehose um die Ecke kommen und nach einem Martini verlangen -„geschüttelt nicht gerührt“. Den kann man von der Terrasse im zweiten Stock natürlich selber genießen, genauso wie den Blick über den endlos langen Strand und das Meer – bei klarer Sicht bis hinüber nach Kroatien.
Lignano ist mit seinen Stadtteilen wie ein Eis mit drei Sorten - mindestens eine davon schmeckt immer!
Für einen Snack, einen Meeresfrüchte-Salat, lassen wir uns aber auf der Terrasse des „President“ nieder, einem von nur neun Hotels in dem idyllischen Stadtteil, der von schmucken Ferienhäusern und Zweitwohnungen wohnhabender Norditaliener geprägt ist. Hotel-Inhaber Giorgio Ardito ist der erste in dem Seebad, der auch E-Bikes an seine Gäste verleiht. „Lignano ist mit seinen Stadtteilen wie ein Eis mit drei Sorten - mindestens eine davon schmeckt immer“, lacht er – und stimmt uns auf unsere nächste Etappe ein: den Weg durch den Naturpark. „Der ‚stipa veneta moraldo’, einem seltenen Federgras das hier gedeiht, verdanken wir es, dass die gesamte Region unter Naturschutz steht und nicht weiter bebaut werden darf.“
In der alten Zollkaserne locken frisch gegrillte Sardinen
Begleitet vom würzigen Duft von Pinien, Oleander, Jasmin und Akazien geht die Fahrt gemütlich weiter durch den Park. Hier am südlichen Ende Lignanos, mündet der blaugrüne Tagliamento, der Friaul von Venetien trennt, ins Mittelmeer. Direkt am Flussufer haben sich, im Abstand von nicht mal einem knappen Kilometer, zwei exzellente Restaurants angesiedelt, die sich für das Essen am Abend anbieten. Die Trattoria „La Vecchia Finanza“ ist eine frühere Zollkaserne und empfiehlt sich vor allem an Montagen, wenn dort frische Sardinen vom Grill serviert werden. Das „Al Cason“ erinnert mit seinem Schilfdach an die Fischerhütten der Lagune und besticht neben den Fischspezialitäten wie gedämpfte Garnelen mit Artischoken oder überbackene Capesante-Muscheln vor allem mit einer wundervollen Terrasse direkt über dem Wasser.
Zur Rückfahrt überqueren wir am Ende des Parks – gleich hinter dem Golfplatz die Halbinsel über Felder und Wiesen und erreichen den Radweg, der immer an der Lagune, der kleinen Schwester Venedigs , entlangführt. Hier kann man endlos weiterradeln. Zum Beispiel die gut 20 Kilometer zum Fischerort Marano auf einer durchaus reizvollen Strecke. Von dort geht es tagsüber jede Stunde mit dem Schiff flott zurück nach Lignano. Auch das ist eine reizvolles Erlebnis. Denn zwischen Festland und Meer haben Wind und Gezeiten hier ein Gewirr von Inseln und Wasserläufen geformt, ein seltenes und kostbares Biotop für Pflanzen und Tiere. Der feine Sand, aus dem auch der goldfarbene Strand des Badeortes Lignano Sabbiadoro besteht, bildet die unzähligen Inselchen und Sandbänke der Lagune.
Die Übergangszone vom Land zum Wasser ist ein einzigartiges und artenreiches Ökosystem: In der 1413 Hektar großen Schutzzone leben und brüten hunderte Vogelarten wie Schellenten, Eistaucher, Kormorane, Höckerschwäne, der Kiebitzregenpfeiffer, der Alpenstrandläufer und der Knut. Zwei Naturschutzgebiete bewahren die einmalige Vielfalt an Flora und Fauna. Das Reservat von „Valle Canal Novo“ erstreckt sich über eine ehemalige Fischerlagune und ist auch auf dem Landweg zu besichtigen. Allerdings nur auf dem Wasserweg erreichbar ist das Naturreservat „Foci dello Stella“ – das Mündungsgebiet des Flusses Stella. Die Mündung eines „Risorgiva“ - eines in der Lagune hervorquellenden Süßwasserflusses - ist ein in der Adria einzigartiges Phänomen.
Auf den Agrotourismo-Höfen schmeckt auch die deftige Koste des Friaul
Auf dem Festland führen auch Radwege entlang des grünen und gewundenen Stella- Bandes über Wiesen und Felder zu bäuerlichen Landgasthäusern und Agrotourismo-Höfen wie die Trattoria al Cacciatore. Hier schmeckt auf einer Rast natürlich der vorzügliche Fisch. Aber es lohnt sich, auch die ehrliche und deftige Kost der Region Friaul zu probieren, wie „Oros et Fagiolino" (Bohnensuppe mit Gerste), „Frico" (geschmolzener Käse der Region mit Kartoffeln) oder „Tortelline Ciarcions" (eine Art Maultaschen mit Fisch-, Käse- oder Gemüsefüllung).
Statt in Richtung Marano kann man aber auch über einen guten ausgebauten, erhöhten Weg entlang der Lagune gemütlich nach Lignano zurückradeln. Dort lohnt der üppig mit Yachten und Segelbooten bestückte Hafen einen Abstecher. Sehr zu empfehlen ist hier das Restaurants „Marechiaro“ – das Gegenstück zu den beiden Top-Lokalen im Süden Lignanos. Man sitzt hier wie auf einem Schiffsbug direkt über der Lagune, genießt den prachtvollen Sonnenuntergang und kann sich Spezialitäten wie Steinbutt-Roulade mit knusprigen Gemüsen, schwarzes Tintenfischragout mit Safran-Reis oder sautierten Schwertfisch mit rosa Pfeffer und Zitrusfrüchten kommen lassen.
Na ja – entscheiden kann man ja immer noch. Jetzt mobilisieren wir noch mal die letzten Kräfte für die knapp drei Kilometer bis zum Hotel. Dort warten bereits der beheizte Pool mit einem erfrischenden Bad und ein leckerer Aperol Spritz an der Poolbar mit Blick aufs Meer. Italien, Du hast es gut!
Buchnung von Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätzen unter www.lignanoholiday.com.
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