Scheinargumente der Islamgegner

Scheinargumente der Islamgegner

30.10.2016, 13:16 Uhr
Beitrag von wize.life-Nutzer

Gestern tauchte hier auf wize.life ein Video auf, in dem die klassischen Irrtümer über den Islam aufgezählt wurden. Das Video wurde von jemanden produziert, der sich auf Youtube als Islamgegner ausweist. Er zählte in seinem Video also ganz bewusst Scheinargumente auf, die den Islam nicht nur disqualifizieren, sondern in erster Linie als gefährlich einstufen sollen. Wie gesagt handelt es sich im Video um Scheinargumente, also um Argumente, die keine Argumente sind, aber auf gefährliche Weise Menschen hinter das Licht führen, die sich nicht so sehr mit dem Islam auskennen und womöglich auf diese Scheinargumente hereinfallen. Es sind immer wieder dieselben Scheinargumente, unter denen Islamhetzer unter dem Deckmantel der Islamkritik hetzen. Wenn man deren Methoden einmal durchschaut hat, fällt man nicht mehr darauf herein. Mein Beitrag beschäftigt sich mit diesen Scheinargumenten und versucht ie bloßzustellen. Noch eine Bemerkung: Das hetzerische Video verlinke ich bewusst nicht. Das trübt den Beitrag in keiner Weise.

Der Koran ist anders angelegt, als die Bibel. Nicht einmal chronologisch. Das ungewöhnliche aber ist, der Koran ist von einem Mann geschrieben worden, der uns mit dem Namen Mohammed überliefert wurde. Die Bibel dagegen geht auf verschiedene Autoren zurück. Nach islamischen Glauben, wurden die Koranverse allerdings durch den Engel Gabriel übermittelt, insofern nach muslimischer Auffassung nicht Mohammed selbst der Autor dieses Buches ist. Nun müssen Nichtmuslime nicht bedingungslos an eine Offenbarung glauben, darum bleibt uns Ungläubigen nur die eine Option, Mohammed habe den Koran selbst verfasst. Nun gehe ich mit dieser Sichtweise nicht mit den Gläubigen konform, aber mich stört es auch nicht, wenn Muslime das anders sehen. Christen sprechen auch vom Wort Gottes. Uns Menschen im Westen ist das also nicht unbekannt. Das Christentum und das Judentum zählt ebenso zu den Offenbarungsreligionen, dessen sollten wir uns bewusst sein.

Da der Koran eine göttliche Offenbarung ist, darf er nicht verändert werden. Das ist logisch, denn ein Mensch hat sich nicht über eine göttliche Offenbarung zu stellen. Nach dem Koran ist der Mensch Gott nicht ebenbürtig, das gilt auch für Mohammed (Sure, 112.4).

In dem hetzerischen Video heißt es nur, der Koran soll wörtlich genommen werden und beinhaltet direkte Befehle. Ja, es ist eine göttliche Offenbarung, deswegen nehme man den Koran wörtlich. Der Koran enthält auch Befehle, das ist ebenso richtig. Islamgegner unterschlagen allerdings, dass die Befehle, z. B. ein Tötungsbefehl, nur im historischen Kontext zu verstehen ist. So beinhaltet der Koran keinen allgemeingültigen Tötungsbefehl, dass z.B. alle Ungläubigen umgebracht werden sollen. Aus diesem Grunde ist das herausgreifen eines einzelnen Gewaltverses aus dem historischen Zusammenhang unlauter und wird von der Islamwissenschaft richtigerweise abgelehnt. Wer etwas anderes behauptet unterstützt islamistische Terroristen, die ganz bewusst Gewaltverse aus dem historischen Kontext lösen und damit ihre Straftaten zu legalisieren versuchen. Islamistische Terroristen freuen sich, wenn wir im Westen gegen den Islam hetzen. Genau das wollen sie erreichen. Sie freuen sich auch, wenn die CSU in dieser Angelegenheit den Kurs der AfD aufnimmt.

Der Koran ist zwar eine göttliche Offenbarung, trotzdem finden wir dort Widersprüche. Das Alte und das Neue Testament steht in dieen Dingen den Koran nicht nach. Bloß haben Koranexegeten eine Verfahren entwickelt, um dieser Misere der Widersprüche zu entgehen: Sie nennen das Abrogation. In der islamischen Welt herrscht keine Einigkeit darüber, inwieweit die Abrogation durchgeführt wird, manche Gelehrte lehnen sie sogar ab. Das hetzerischen Video setzt allerdings auf Schwarzweißmalerei und denkt nicht tiefgründiger darüber nach. So wird ganz banal gesagt:»Es steht im Koran beschrieben, dass, wenn zwei Passagen sich widersprechen, diejenige, die später geschrieben wurde, die frühere ersetzt.« Weiterhin wird gesagt, die meisten wissen nicht, dass die friedlichen Passagen im Koran aus früherer Zeit stammen und von den späteren gewaltbereiten und weniger toleranten Versen überschrieben werden. Ich sage ja nicht, dass das gelogen ist. Wenn wir die Suren aus Mekka mit den Suren aus Medina vergleichen, kommen wir zu diesem Ergebnis. Trotzdem ist es Schwarzweißmalerei weil eben nicht darauf verwiesen wird, dass sich Mohammed, als er nach Medina zog, sich gegen feindliche Angriffen verteidigen musste, die sog. Gewaltverse, wie oben schon erwähnt, eben nur in diesem historischen Kontext gelten, d.h. füt mich in logischer Konsequenz, die gewaltbereiten und weniger toleranten Verse liegen einem Verteidigungsfall zugrunde und sind keine Befehle, die eine allgemeine Gültigkeit haben.

Im Koran steht: »Tilgen wie einen Vers oder stellen ihn dem Vergessen anheim, so bringen wir einen besseren als ihn oder einen, der ihm gleicht. Weißt du denn nicht, dass Gott aller Dinge mächtig ist.« ( 2, 106)

Es gibt Verse im Koran, die sich für eine Abrogation nicht begeistern können. z.B.:

»Das Wort deines Herrn ist vollendet, in Wahrheit und Geradheit. Es gibt keinen, der seine Worte abändern könnte. Er ist der Hörende, der Wissende.« (6,11).

Für die Behauptungen im Hetzvideo muss man selbst die Koranstellen suchen, dass zeigt wie oberflächlich hier mit Aussagen umgegangen wird. So heißt es im Video, dass kein Muslim diese direkten und klaren Nachrichten (gemeint sind wohl Verse oder Suren, nicht mal das gängige Fachvokabular wird benutzt) auslassen oder verändern dar. Wenn es es doch tut, landet er in der Hölle. Wahrscheinlich bezieht sich der Videomacher auf einen Vers wie 9,63: »Wissen sie denn nicht, dass dem, der gegen Gott und seinem Gesandten handelt, das Feuer der Hölle zugedacht ist, worin er ewig bleibt?«

Und dann folgt im Video das brandheiße Thema des sog. politischen Islam, der weltweit eingeführt werden soll. Der Islam sei weniger eine Religion, sondern eine religiöse Ideologie, die durch die Scharia, ach was für ein schreckhaftes Wort, knallhart umgesetzt werden muss. Hier fehlt dann auch nicht die Auflistungen der menschenunwürdigen Haddstrafen wie Steinigung und Händeabschlagen, was Mohammed übrigens aus dem Alten Testament abgekupfert hat.

5. Buch Mose: 25,1,12: »Wenn zwei Männer in Streit geraten sind und die Frau des einen kommt ihrem bedrängten Mann zu Hilfe und packt den andern bei den Hoden,
dann dürft ihr kein Mitleid mit ihr haben; ihr müsst ihr die Hand abhacken.«
Wie oberflächlich das Video mit der Scharia umgeht, zeigt sich allein schon darin, dass nicht ein mal erwähnt wird, in welchen Ländern die Scharia überhaupt Gültigkeit hat, sondern es wird einfach schlichtweg dumm behauptet, der Islam vertrage sich nicht mit Demokratie. Martin Rohe, ein Fachmann für Islamisches Recht, schreibt:
»Die meisten Muslime halten die religiösen Aspekte ihrer Religion für entscheidend, während sie das geltende Recht – gerade auch in demokratischen Rechtsstaaten – respektieren und unterstützen.« (Mathias Rohe, Pos. 128)

Im Video wird die Scharia so dargestellt, als sei sie ein Gesetzbuch. Die Scharia entstand erst durch islamische Rechtsgelehrte zwischen dem achten und neunten Jahrhundert nach Christus. Sie ist das Konglomerat der Islamischen Normenlehre und beinhaltet Vorschriften der religiösen Praxis, Regelungen zwischenmenschlicher Beziehungen. Die Scharia ist auf das Diesseits und auf auf das Jenseits ausgerichtet. Das unterscheidet sie grundsätzlich von Gesetzesvorschriften weltlicher Staaten. Ein einziges festgelegtes islamisches Recht gibt es nicht, da sich sie sunnitischen und schiitischen Schulen erheblich unterscheiden. Nur über die Rechtsquellen ist man sich einig. Erstens der Koran und zweitens die Hadithe, die überlieferten Aussagen des Propheten. Neben der Scharia hat sich seit dem achten Jahrhundert die Rechtsliteratur entwickelt,, die im Fachjargon Jurisprudenz (=fiqh) genannt wird. Diese Literatur wurde als notwendig erachtet, da der Koran verhältnismäßig wenig Handlungsanweisungen erhält. Die Mehrzahl dieser rechtlichen Bestimmungen sind von Rechtsgelehrten aufgrund der Sunna und aufgrund lokaler Bräuche entwickelt worden. Da Menschen nicht unfehlbar sind, sind solche fiqh‘s allerdings Wandlungen unterworfen. Sie sind nicht feststehend wie die göttliche Scharia.

Das Video steckt seine Fühler in den dumpfen Sumpf des Unwissens, wenn behauptet wird, der Islam erlaube keine freie Meinungsäußerung und sei darauf angelegt, seine Kriegsgegnger zu täuschen. Das islamische Wort „Taqiyya“ wird hetzerisch missbraucht. Der Ikslam befinde sich (anbeglich) in einem Krieg mit den Ungläubigen. Das Video sackt ab in ein argumentaiv halsbrecherisches Gemurks, was in den Bereich der Verschwörungstheorien einen Platz finden mag, aber nicht in der Realität.

„Taqiyya“ bezeichnet nach schiitischer Lehre ein theologisches Prinzip, wonach man seinen Glauben zum Schutz der eigenen Person oder der eigenen Familie verheimlichen oder verleugnen darf. Sog. Islamhetzer, die unter dem Deckmantel der Islamkritik erscheinen, benutzen den Begriff, um Muslime als Lügner darzustellen.

Die Behauptung, der Islam sei gleich Staat und Religion gründet sich auf Behauptungen von Islamisten, die im 19. Jahrhundert zum Kampf gegen die Kolonialisten riefen. Der geistige Vater des islamischen Fundamentalismus ist nicht Mohammed, sondern der Ägypter Sayyid Qutb (1906-1966), der wie auch Hasan al Bannā (1906-1949), dem Gründer der Muslimbruderschaft, Gewalt gegen die westliche Zivilisation legimitiert, um einen totalitären Gottesstaat (Hakimiyyat Allah) zu errichten. Der Gottesstaat ist eine Erfindung von islamistischen Dschihadisten, die mit aller Gewalt ihre kranke Ideologie der Welt aufsetzen wollen. Siehe der sog. Islamische Staat. Im Koran und in der Sunna (Lebensgeschichte des Propheten) wird der Gottesstaat nicht erwähnt. (vgl. Tibi, Seite 9). Der Muslim von nebenan hat damit nichts zu tun. Viele Muslime fliehen vor dem Islamischen Staat, weil sie von diesen Terroristen nichts wissen wollen, weil sie um ihr Leben fürchten.

Wenn Islamhetzer den gesamten Islam verteufeln, arbeiten sie letzten Endes im Sinne des sog. Islamischen Staates, deren Opfer in der Überzahl Muslime selber sind.


Literatur

Hartmut Bobzin /hrsg. und übersetzt): Der Koran, beck‘sche reihe, 2012
Mathias Rohe: Das Islamische Recht, Eine Einführung, Verlag C.H. Beck, München, 2013
Bassam Tibi: Fundamentalismus im Islam – Eine Gefahr für den Weltfrieden?, 2002, Darmstadt

INFO-LINK

Diesen Inhalt jetzt auf Facebook teilen!
Diesen Inhalt jetzt auf Twitter teilen!

141 Kommentare

Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Und wann konvertierst Du endlich ?
  • gerade eben
  • 1
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Ein Beitrag der sich wohltuend von den meisten abhebt.
Das wird hier allerdings nicht gerne gesehen.
Emotionslos Fakten berichten mögen viele nicht.
  • gerade eben
  • 2
dass Fakten gerne übersehen werden, sieht man an manchen kommentaren unter uns
  • gerade eben
  • 2
Fakt ist: Mohammed konnte gar nicht schreiben!! Ich hoffe, dass der (christliche) Erzengel es konnte oder sollte etwa Allah selbst die Feder geführt haben? Fakt ist, das über den Koran, es soll übrigens mal 28 verschieden lautende Korane gegeben haben, schon gleich nach der Entstehung dieser Ideologie die furchtbarsten Kriege unter den Anhängern begannen. So entstanden Sunniten, Schiiten und unzählige andere Gruppen auch die Yesiden.
  • gerade eben
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Was im Namen dieser Religion geschieht, ist für uns nicht nachvoll-
ziehbar! Es ist schrecklich, was Menschen aus einer Religion machen.
  • gerade eben
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Hier wurde ein Kommentar durch den Ersteller entfernt.
Ich habe den Bericht gelesen und kann nicht sagen, daß er meine Bedenken, weggefegt hätte. Ich bin mir sicher, daß es den toleranten islamischen Menschen gibt, aber als Gemeinschaft, als Ganzes ist der Islam es nicht. Man liest, hört und sieht, was im Namen dieser Religion auf der weiten Welt geschieht, was für fürchterliche Verbrechen an Zweiflern und Andersgläubigen begangen werden und auf welche Weise im Namen dieser Religion, Recht gesprochen wird. Die Rechte der Frauen werden mit Füßen getreten, Freiheiten die für uns Normalität darstellen sind ein Verbrechen im Namen Gottes .... Man kann nicht nur die positiven Seiten aufzeigen und so tun als wäre alles andere erfunden.
Solange sich der Islam nicht in sich selbst ändert, und das wird er nicht, zumindest nicht in der nächsten Zeit, bleibt er für mich eine ungeliebte Angelegenheit.
  • 31.10.2016, 20:56 Uhr
  • 3
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Ich "verteufle" jede Religion welche nur ihren Gott als den einzig wahren Gott ihren gläubigen Mitgliedern verkauft/aufzwingt, unter Androhung der Hölle
  • 31.10.2016, 15:27 Uhr
  • 4
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Hier wurde ein Kommentar durch den Ersteller entfernt.
Und in dem zweiten geht es um die drei Phasen des Dschihad, was ich persönlich sehr heftig finde, was mir allerdings von einigen ehemaligen radikalen Moslems in meiner Gemeinde von der Aussage bestätigt wurde. Ein bisschen amerikanisch geprägt, kommt ja auch aus Amerika:
The Three Stages Of Jihad
The Three Stages Of Jihad
  • 31.10.2016, 14:43 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Habe das Video auch nicht gesehen (wo kann man es denn sehen?), aber zum Thema Islam fallen mir sofort zwei Videos ein, das erste an die ISIS in einer Wortwahl, das speziell für die Zielgruppe gedacht ist:
Who Would Dare to Love ISIS? (A Letter from the People of the Cross)
Who Would Dare to Love ISIS? (A Letter from the People of the Cross)
  • 31.10.2016, 13:36 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Es ist hier so wie immer. Ich glaube kaum, dass viele von den Kommentar-Schreibern den Artikel überhaupt ganz gelesen haben. Keine Ahnung - aber 'ne Meinung - und Hauptsache: widersprechen. So ist es immer. Macht ja auch Mühe, so einen langen Artikel Wort für Wort zu lesen - und dann SACHLICH darauf zu reagieren.
  • 31.10.2016, 13:18 Uhr
  • 3
Wenn ein Artikel mit einer Lüge beginnt, dann ist er von Vornherein im Ganzen unglaubwürdig, Heidi. Wo darf ich denn deinen sachlichen Kommentar lesen?
  • gerade eben
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.