Corona: Virus-Hotspot Ischgl in Kritik - Brisante SMS aufgetaucht

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Der Skibetrieb in Ischgl lief bis vergangenen Samstag weiter - obwohl da längst bekannt war, dass sich zahlreiche Urlauber mit dem Coronavirus infiziert hatten und zuvor dort Urlaub gemacht hattenFoto-Quelle: Pixabay
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Der Skiort Ischgl in Tirol gilt als "Virenschleuder" bei der Ausbreitung des Coronavirus in Europa. Rund 1000 Fälle sollen hier ihren Ursprung haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Jetzt sind SMS aufgetaucht, die zeigen: Die dramatische Lage war Verantwortlichen voll bewusst. Trotzdem haben sie lange nicht reagiert.

Von Ischgl aus sollen Urlauber das Coronavirus in ihre Heimatländer geschleppt haben. Nicht nur Deutschland ist betroffen, sondern auch Island, Norwegen, Dänemark, Großbritannien. Vor allem eine Bar gilt als "Virenschleuder", wo sich zahlreiche Wintersportler beim Après-Ski infiziert haben.

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Der Vorwurf an Behörden in Tirol: Das Skigebiet aus wirtschaftlichen Gründen lange nicht geschlossen zu haben - trotz bekannter Infektionen. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Brisante SMS aufgetaucht

Jetzt sind brisante SMS aufgetaucht, die nahelegen, dass den Verantwortlichen die dramatische Lage durchaus bewusst war.

So soll der Nationalratsabgeordnete Franz Hörl (ÖVP) an den Wirt der Après-Ski-Bar "Kitzloch", wo Anfang März bei einem Barkeeper eine Infektion nachgewiesen worden war, appelliert haben, die Bar endlich zuzusperren, berichtet "Der Standard".

Ansonsten könne er Schuld sein "am Ende der Saison in Ischgl und eventuell Tirol", so Hörl. Den SMS-Verkehr zwischen dem Politiker und dem Wirt hatte zuerst ein Tiroler Blogger veröffentlicht.

"Du provozierst das derzeit"

Der Politiker Hörl, der als Lobbyist der Seilbahnwirtschaft gilt, hat der Zeitung die Echtheit der SMS bestätigt.

In einer weiteren Nachricht schreibt er: "Wenn eine Kamera den Betrieb sieht, stehen wir Tiroler da wie ein Hottentotten-Staat." Sollte die Saison einbrechen, hätte der Barbetreiber "kein Geschäft" mehr. "Du provozierst das derzeit."

Wurde weiterer Fall vertuscht?

Damit nicht genug: In einem anderen Lokal in Ischgl soll bereits Ende Februar - vor dem Corona-Fall im "Kitzloch" - eine Coronavirus-Infektion bekannt geworden sein, berichtet das ZDF. Der Wirt soll dies den Informationen des Fernsehsenders zufolge aber nicht den Gesundheitsbehörden gemeldet haben.

Im Video: Causa Ischgl: Verdacht auf Unterlassung

Der Skiort Ischgl sowie das gesamte Paznautal in Österreich wurde unter Quarantäne gestellt. Es mehren sich die Fälle von infizierten Skifahrern, die zuvor ihren Winterurlaub im Tiroler Skiort Ischgl verbracht hatten, berichtet die "Welt". Neben Deutschland gibt es der Zeitung zufolge allein in Hamburg über 80 Infizierte, im baden-württembergischen Aalen sogar rund 200.

Hinzu kommen Hunderte weitere in ganz Europa: In Norwegen, Dänemark, Großbritannien und: Island. Der Vorwurf an die Behörden in Österreich: Sie hätten zu spät reagiert. Der Skibetrieb sei noch Tage weitergelaufen - obwohl bekannt war, dass ein Mitarbeiter einer beliebten Après-Ski-Bar positiv auf das Virus getestet worden war.

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Auf Island soll Behörden bereits Ende Februar aufgefallen sein, dass zahlreiche Corona-Fälle mit Ischgl in Zusammenhang standen. Bei einer Reisegruppe, die in Tirol Urlaub gemacht hatte und mit Icelandair von München aus zurück in ihre Heimat geflogen war, wurde bei einer erheblichen Zahl das Virus nachgewiesen. Island stufte daraufhin Ischgl am 5. März als absolutes Risikogebiet ein. Die Rückkehrer mussten in Quarantäne.

Doch Österreich nahm diese Warnung nicht ernst genug. Zwei Tage später, am 7. März, teilte die Gesundheitsbehörde in Tirol mit, dass bei einem 36-Jährigen das neue Coronavirus nachgewiesen worden war. Der Mann hatte als Barkeeper in der Bar "Kitzloch" in Ischgl gearbeitet.

Dennoch spielte die Behörde die mögliche Gefahr zunächst herunter: "Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich", heißt es in der Mitteilung vom 7. März 2020.

"Keinen Grund zur Beunruhigung"

Für Besucher, die zwischen 15. Februar und 7. März in der der Bar "Kitzloch" gewesen waren und grippeähnliche Symptome aufwiesen, bestehe die Möglichkeit, den "Gesundheitszustand abzuklären". Für Besucher ohne Symptome sei keine weitere medizinische Abklärung nötig.

"Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung", hieß es an jenem Tag vonseiten der Behörde.

Am Tag darauf dann gab die Gesundheitsbehörde in einer Pressemitteilung bekannt: "Die Ischgler Bar „Kitzloch“ wird nach mehreren bestätigten Coronavirus-Erkrankungen im Einvernehmen mit dem Betreiber behördlich gesperrt."

Doch der Betrieb in den anderen Bars ging noch zwei Tage weiter: Am 10. März wurden schließlich sämtliche Après-Ski-Lokale geschlossen.

"Ballermann der Alpen"

Après-Ski ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was angesichts des grassierenden Virus ratsam ist: Skifahrer stehen in den überfüllten Lokalen eng beieinander. Als "Ballermann der Alpen" bezeichnet etwa die österreichische Zeitung "Der Standard" Ischgl.

Erst am 13. März wurde auch der Liftbetrieb Ischgl gestoppt, der Betrieb in dem Skigebiet eingestellt.

Doch bis dahin waren zahlreiche Menschen auf den Pisten des Ortes unterwegs, der inzwischen als ein Hotspot für die Ausbreitung des Virus in Europa gilt - obwohl da schon seit Tagen die Infektionen behördlich bekannt waren.

Zahlreiche Länder, darunter Schweden, Dänemark, Norwegen und Island sind nun besorgt und wütend. Sie werfen den Behörden in Österreich vor, nicht rechtzeitig die nötigen Maßnahmen getroffen zu haben.

Auch Österreich selbst ist betroffen: Ein Narkosearzt der Uniklinik Salzburg wurde positiv auf das Coronavirus getestet und war vorher beim Skifahren in Ischgl, berichtet der Bayerische Rundfunk. Der Mann hatte in der Klinik zahlreiche Kontakte, rund 100 Menschen seien in Quarantäne, heißt es.

Tirol weist Vorwürfe zurück

Und so müssen sich die Verantwortlichen in Tirol aus dem eigenen Land schwere Vorwürfe gefallen lassen: Von "Gier" spricht die österreichische Zeitung "Der Standard" und schreibt: "Man sollte diese letzte starke Touristenwoche noch mitnehmen, auf dass die Kassen der Liftbetreiber und Hoteliers klingeln. Nun haben wir alle den Schaden."

Dagegen wehrt sich der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter: "Wir waren in Tirol die ersten, die schon Hotels geschlossen haben. Wir waren die ersten, die Bars geschlossen haben. Wir waren die ersten, die Maßnahmen unternommen haben, dass Sankt Anton am Arlberg und Paznaun gesperrt wurde", so Platter im ORF. Er sei der Meinung, "dass wir immer einen Schritt weiter waren".

autoren wize.life
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4 Kommentare

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Schon als Kind hatte ich bei zahlreichen Aufenthalten den Eindruck, daß dieses Land zu denen gehört, wo sie Dir für 20% Aufpreis ("küß die Hand, Herr Ingenieur!") erstaunlich Vieles zu bieten bereit sind, Du aber auch mit Vielem zu rechnen hast.
Und damit meine ich nicht bloß das "geschulte Amtsauge" des Dorfgendarmen, mit dem er das Lasergerät zur Geschwindigkeitsmessung objektiv, leger und fesch ersetzt.
Ein Kulturland halt, bloß leider durch permanente politische und ökonomische Mißwirtschaft im Übermaß abhängig vom Tourismus.
Schade!
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Es ist immer die Gier, unabhängig jetzt vom Corona Virus,die Menschen dazu bringt egoistisch,rücksichtslos anderen gegenüber,empathielos ,gewissenlos und nur den eigenen Vorteil im Blick zu handeln.Und das seit es Menschen gibt ,egal wo auf diesem Globus.Ich bin sicher es ist nicht das Gros der Menschheit,nur wird und wurde auch zu allen Zeiten unserer Menschheitsgeschichte ein solches Verhalten viel mehr angeprangert,statt ebenso über die Menschen zu sprechen,zu schreiben usw.die sich weigern eine solche Haltung zu leben.Das war schon so in der Antike ,weil es den Menschen per se eher fasziniert,was andere Böses,Schlechtes usw.tun,da der Einzelne schon immer,egal wann in der Menschheitsgeschichte,sich eher unbehaglich fühlt,wenn er ständig damit konfrontiert wird,was andere Gutes,Edles,Bewundernswertes ihren Mitmenschen von ganzem Herzen schenken.Nicht nur ich hoffe,dass diese ,nie dagewesene Krise dem Einen oder Anderen zeigt,dass sich gelebte Menschlichkeit hundert Mal besser anfühlt,als das,was die Gier an Gefühlen auslöst.Weil,Menschlichkeit erfüllend ist,Gier jedoch nur ein Fass ohne Boden.
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Die Verantwortlichen gehören eingelocht
jawohl stimme ich zu
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