Pro
Die Zeit ist gekommen, den Bürgerinnen und Bürgern Möglichkeiten direkter Beteiligung an politischen Entscheidungen einzuräumen. Das Deutschland von heute ist mit der Weimarer Republik nicht vergleichbar. Demokratisches Bewusstsein und Informationsgrad der Bevölkerung sind heute ungleich höher als damals. Die Verfassungen der meisten alten und aller neuen Bundesländer sehen Volksbegehren und Volksentscheide auf Landes- und kommunaler Ebene vor. Sie sind auch vielfach praktiziert worden, teilweise mit großem Erfolg und ohne negative Begleiterscheinungen. Der Missbrauch von Plebisziten kann dadurch ausgeschlossen werden, dass sie zu bestimmten Problemen – etwa Haushalt, Steuern, Außenpolitik – Volksbefragungen nicht zugelassen werden. Die Mindestbeteiligung kann hoch angesetzt werden, um die Durchsetzung von Minderheitsinteressen zu verhindern. Es können lange Fristen für eine umfassende Information der Bevölkerung vorgesehen werden, um Manipulationen und Entscheidungen aufgrund kurzfristiger Stimmungen zu erschweren. Das repräsentative System wird durch direkte Bürgerbeteiligung nicht abgeschafft, sondern ergänzt. Das Parlament bleibt der Ort politischer Auseinandersetzung und Entscheidung. Volksabstimmungen können jedoch das Parlament zwingen, sich mit Themen zu befassen, die die Gesellschaft bewegen.
Contra
Der Parlamentarische Rat hat sich auf Grund der schlechten Erfahrungen mit Volksentscheiden in der Weimarer Republik für eine reine Repräsentativ Demokratie entschieden. Es gibt keinen Grund, an dieser Entscheidung zu rütteln. Elemente direkter Demokratie sind auf kommunaler und Landesebene wegen der Überschaubarkeit der zu entscheidenden Fragen und der geringen Zahl der Abstimmungsberechtigten praktikabel. Für die komplexen Probleme der Bundespolitik sind sie nicht geeignet. Für Volksbefragungen müssen komplizierte politische Probleme auf eine einfache Ja-oder-Nein-Alternative reduziert werden. Entscheidungen in der pluralistischen Demokratie sind aber auf Kompromisse angelegt. Aktive, gut organisierte Minderheiten können ihre Sonderinteressen durchsetzen. Ebenso kann es zur Missachtung von Interessen nicht durchsetzungs fähiger Mehrheiten kommen. Der Manipulation würde Tür und Tor geöffnet. Macht würde denen zufallen, die dem Volk vorzulegenden Fragen formulieren und Zugang zu den Medien haben. Direkte Demokratie ist eine „Prämie für jeden Demagogen“ (Theodor Heuss). Ein per Volksabstimmung beschlossenes Gesetz kann leicht den Anschein größerer Legitimität gewinnen. Es ist auch weniger korrigierbar als parlamentarische Entscheidungen. Es könnte sich die Tendenz entwickeln, das Parlament nur noch weniger wichtige Fragen entscheiden zu lassen.
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