Bei der geistigen Fitness im Alter gibt es enorme Unterschiede: Der eine vergisst mit 70 seine Adresse, während ein Gleichaltriger noch geistige Höchstleistungen hinbekommt. Jetzt haben Forscher herausgefunden, woran das liegt - und was man tun kann, um seine "kognitiven Reserven" aufzufüllen.
Dem Rätsel des Alterns auf der Spur
Um dem Rätsel des Alterns auf die Spur zu kommen, haben die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund insgesamt 246 Menschen - aufgeteilt in drei Altersgruppen jung (19-33 Jahre), mittelalt (40-53 Jahre) und älter (65-88 Jahre) - drei Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad gestellt.
Dafür nutzten die Forscher den so genannten Stroop-Test, bei dem den Probanden Farbworte in gleichen oder anderen Farben präsentiert werden. So erscheint etwas das Wort "grün" in roter Farbe. Die Probanden müssen das Wort lesen, oder die abweichende Farbe des Wortes benennen, ohne es zu lesen. In der schwierigsten Aufgabenstellung müssen sich zwischen Wortlesen und Farbe benennen schnell wechseln.
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Bei dem Test geht es um die Fähigkeit, störende Reize auszublenden und zielgerichtet zu handeln, heißt es in einer Mitteilung des Leibniz-Instituts. Während der Tests wurden die Hirnströme der Probanden gemessen.
Dabei stellte sich heraus: Je älter die Teilnehmer der Studie waren, eine desto geringere Leistung zeigten sie, je schwieriger die Aufgaben wurden. Das ist wenig überraschend und den ganz normalen Veränderungen des Körpers mit zunehmendem Alter geschuldet.
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Einige Ältere waren so gut wie deutlich Jüngere
Allerdings: Innerhalb der Gruppe der Älteren gab es sehr große Leistungsunterschiede. Einige der Älteren schnitten sogar ähnlich gut ab wie Teilnehmer, die im Schnitt 20 Jahre jünger waren.
Das haben die Besten unter den Älteren gemeinsam
Als die Forscher analysiert haben, was die Besten unter den Älteren gemeinsam haben, stellten sie fest, dass diese:
- über eine signifikant höhere Bildung verfügen
- einen höheren Intellgenzquotienten haben
- im Alltag häufiger Fremdsprachen nutzen
Auch das Zusammenleben mit Familie oder Lebenspartner hatte den Forschern zufolge einen positiven Einfluss.
Die Messung der Hirnströme bestätigte das Abschneiden der Besten unter den Älteren im Test: Die Hirnaktivität bei der "Handlungsvorbereitung" und der "Aufmerksamkeitszuwendung" war bei ihnen "deutlich stärker ausgeprägt" als bei ihren Altersgenossen - und vergleichbar mit mittelalten und sogar jungen Probanden.
Dieses Ergebnis der Studie, die jetzt im Fachjournal "NeuroImage" veröffentlicht worden ist, bestätigt demnach die "Theorie der kognitiven Reserve".
Das schützt vor dem Abbau kognitiver Funktionen
Bedeutet: Im Verlauf unseres Lebens sorgen Bildung und neue Herausforderungen dafür, dass sich ein den Forschern zufolge "anpassungs- und leistungsfähiges neuronales Netzwerk" ausbildet, das vor dem vorzeitigen Abbau kognitiver Funktionen im Alter schützt.
Wie groß diese kognitive Reserve ist, kann zum einen von der Veranlagung abhängen, also genetische Ursachen haben.
Was man für die geistige Fitness tun kann
Doch unabhängig davon ist es möglich, dafür zu sorgen, dass diese kognitive Reserve möglichst gut gefüllt ist.
"Wer im Alter geistig fit bleiben will, sollte rechtzeitig für seine kognitive Reserve Sorge tragen und Herausforderungen nicht aus dem Weg gehen, die das Gehirn trainieren", sagt Patrick Gajewski, Erstautor der Studie.
Seine Tipps für den Alltag:
- öfter Kopfrechnen
- sich Einkaufslisten merken
- Routen auf der Karte einprägen (statt sich aufs Navi zu verlassen)
- seine Allgemeinbildung fördern
Damit sollte man bereits möglichst als junger Mensch beginnen, sagt der Wissenschaftler.
Tanzen, musizieren, Fremdsprachen lernen
Doch auch im späteren Leben lasse sich das Gehirn durch kognitives Training positiv beeinflussen: "Tanzen ist ein gutes Koordinationstraining, das das Gehirn vielseitig fordert. Ebenso hilft es, ein neues Musikinstrument oder eine neue Sprache zu lernen und sie anzuwenden. Das Gehirn braucht ebenso Training wie jeder Muskel“, so Forscher Gajewski.
Teilnehmer für neue Studie gesucht
Warum es bei der Leistungsfähigkeit älterer Menschen so große Unterschiede gibt, das erforschen die Wissenschaftler gerade detailliert in der "Dortmunder Vital-Studie".
Für diese Langzeitstudie sucht das Leibniz Institut für das ganze Jahr 2020 möglichst berufstätige Teilnehmer zwischen zwischen 35-44 Jahren und 60-70 Jahren. Interessierte finden alle nötigen Informationen hier.
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