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Para-Snowboarden: Bretter, die Freiheit bedeuten

Para-Snowboarden: Bretter, die Freiheit bedeuten

Sozialverband VdK Bayern e.V.
21.01.2016, 10:02 Uhr

Das deutsche Team Christian Schmiedt, Manuel Neß und Stefan Lösler gibt Gas – Seit Sotschi 2014 ist die Disziplin paralympisch


Christian Schmiedt, Manuel Neß und Stefan Lösler eint vor allem eines: ihre Leidenschaft fürs Snowboardfahren. Ihre Beinprothesen hindern sie daran nicht. Im Gegenteil. Die Sportler nehmen an internationalen Wettbewerben im Para-Snowboarding teil. Mit wenig Budget, aber viel Ehrgeiz – und Spaß. Ihr Trainer André Stötzer rechnet den Jungs für die Zukunft gute Chancen aus.

Ein Tag auf der Piste. Der Wind pfeift, wirbelt den Schnee auf. Christian Schmiedt, Manuel Neß und Stefan Lösler kneifen die Augen zusammen, zurren die Bindungen fest. André Stötzer klopft sich den Schnee von den Handschuhen und ruft den Sportlern in Erinnerung, worauf es bei der nächsten Abfahrt ankommt: „Es geht nicht um Schnelligkeit. Es geht um eine saubere Technik.“ Im Wettkampf ist beides wichtig, heute nicht.

Heute, oben auf dem Stubaier Gletscher, konzentrieren sich die drei deutschen Para-Snowboarder darauf, „Druck auf die Kanten zu bekommen“. Kein Druck, keine Schnelligkeit. Stefan Lösler steht auf, nimmt die erste Kurve mit Schwung. Das linke Hosenbein hochgekrempelt, die Beinprothese glänzt im Sonnenlicht. Sein Markenzeichen. Er versteckt sie nicht, die Prothese. Eine hochspezialisierte, eine, die fürs Ski- und Snowboardfahren gemacht ist. „Procarve II“ heißt sie.

Der 30-Jährige lacht, wenn er an seine wackeligen Anfänge mit der Alltagsprothese denkt. An seinen Neuanfang auf dem Snowboard nach dem Unfall im Jahr 2010. Als sein linkes Bein zwischen die Stoßstangen zweier Autos gerät und komplett zerquetscht wird. Es muss im Kniegelenk amputiert werden. Zwei Monate Krankenhaus und etliche Wochen Reha sind die Folge. 18 Monate nach der komplizierten Amputation steht Stefan Lösler wieder auf der Piste. Sein Bein hat er verloren, seinen sportlichen Ehrgeiz nicht. Das Ziel: Sotschi 2014. Paralympische Premiere für den 30-Jährigen – und für die Disziplin Snowboardcross überhaupt.

Aufs Treppchen schafft er es nicht. Aber das ist nicht wichtig. Vielmehr die Stimmung im Stadion. „Es war überwältigend.“ Inzwischen ist er nicht mehr der einzige deutsche Para-Snowboarder. Seit einem Jahr sind sie nun zu dritt. Stefan Lösler selbst wird in dieser Saison nicht an Wettkämpfen teilnehmen, zu groß wäre die Verletzungsgefahr. Denn wieder hat er die Paralympics im Visier. Die Sommerspiele in Rio. Die Disziplin: Triathlon.

Wenig Mittel, viel Ehrgeiz

Seine Snowboard-Kollegen Christian Schmiedt und Manuel Neß indes wollen sich bei internationalen Wettkämpfen messen. „Die beiden haben diese Saison große Fortschritte gemacht“, lobt André Stötzer. Er rechnet ihnen gute Chancen aus. Obwohl das Budget für intensive Trainingseinheiten fehlt. Der Orthopädietechnik-Meister und Snowboardlehrer des Deutschen Skiverbands (DSV) trainiert die Sportler ehrenamtlich. „Erfolg ist auch mit geringen Mitteln möglich“, sagt er. Trotzdem: Er hofft für seine Jungs auf mehr Unterstützung vom Deutschen Behindertensportverband (DBS). Diese hat Marc Möllmann, stellvertretender DBS-Sportdirektor, für die Zukunft in Aussicht gestellt. Geld hin oder her.

Christian Schmiedt liebt das Snowboarden, die Freiheit, wenn das Brett über die Piste gleitet, der Schnee spritzt. Er rückt die Skibrille zurecht, fährt los, nimmt die Kurven mit Leichtigkeit. Kaum zu glauben, dass in seinen Snowboardstiefeln zwei Prothesen stecken. Der 26-Jährige hat eine Form von Dysmelie, eine angeborene Fehlbildung der Beine und Finger. Beide Unterschenkel sind amputiert. Trotzdem fährt er seit seiner Jugend Snowboard – wie VdK-Mitglied Manuel Neß. Sein linker Unterschenkel und sein linker Arm sind nicht richtig ausgebildet, ebenfalls eine Dysmelie. Er könnte auch in der Klasse „Upper Limb“ für Snowboarder mit Armbehinderung starten. Weil sein größeres Handicap aber die Unterschenkelamputation ist, geht der 25-Jährige wie Christian Schmiedt in der Klasse „Lower Limb I“ an den Start.

An diesem windigen Tag auf dem Stubaier Gletscher geht‘s nicht ums Schnellsein. Eigentlich. Auf der letzten Abfahrt liefern sich die Sportler doch ein Kopf-an-Kopf- Rennen. Weit abgeschlagen: VdK-Redakteurin Caroline Meyer. (Caroline Meyer)

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1 Kommentar

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Es ist immer wieder positiv aufbauend zu lesen, wie man mit dem Handicap einer Prothese (oder zweier) den geliebten Sport weiter betreiben oder neue Möglichkeiten kennen lernen kann. Dazu bedarf es großer Disziplin, einer guten Versorgung und manchmal gehörig die Zähne zusammenbeißen. Ich weiß wovon ich rede (USA re).
  • 21.01.2016, 15:48 Uhr
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