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Kunst verstehen: Mit Grazie, viel Erotik & Sandro Botticelli in den sanften ...

Kunst verstehen: Mit Grazie, viel Erotik & Sandro Botticelli in den sanften Frühling ...

Volker Barth
19.03.2015, 20:47 Uhr
Beitrag von Volker Barth
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Hurra, der Frühling ist nun da! Es ist Frühlingsanfang und somit ein guter Grund für mich ein geliebtes und weltberühmtes Gemälde vorzustellen. Es wurde vom italienischen Renaissance-Maler Sandro Botticelli um 1482 bis 1487 gemalt und hat den deutschen Titel „Frühling“, aber italienisch „La Primavera“.

Das Bild hat die enorme „Größe“ von 203 mal 314 Zentimeter, ist mit Tempera auf Holz gemalt und hängt in den Uffizien in Florenz.

Der italienische Kunsthistoriker Giorgio Vasari „Vater der Kunstgeschichte“ erwähnt in seinen „Viten“ von 1550 ein Gemälde Sandro Botticellis im Landhaus Castello des toskanischen Großherzogs Cosimo de’ Medici mit dem Titel „Venus, von den Grazien mit Blumen bekränzt, die den Frühling verkünden.“

Durch eindeutige Erkenntnisse im Jahre 1975 stellte sich aber heraus, dass das Gemälde nicht zu diesem Landhaus gehörte, sondern zu einem Stadtpalast der Medici in Florenz - genauer zum Schlaf- bzw. Hochzeitszimmer von Lorenzo de Pierfrancescos Ehefrau Semiramide Appiani.

Ein literarisches Patchwork wird zu einem Bildmotiv

Aby Warburg, der Begründer der Ikonologie (Wissenschaft von der Deutung von Bildinhalten) wies 1893 als erster in seiner Straßburger Dissertation antike Autoren als literarische Quellen für Botticellis Gemälde nach. Es sind: Ovid (Fasti), Horaz (Oden), Vergil (Aeneis), Lukrez (De rerum natura), Leon Battista Alberti und Angelo Poliziano.

Als Personen treten - fast lebensgroß - von rechts nach links im Gemälde auf: Zephyr, Chloris, Flora, Venus und Amor, drei Grazien und Merkur.

Eine Symbolisierung der Frühlingsmonate

Botticellis Meisterwerk kennt viele unterschiedliche, auch widersprüchliche Interpretationen. Kunsthistorisch sehr interessant ist die von Charles Dempsey (Warburg-Schule): Das Bild ist eine Symbolisierung des Frühlings, wobei Zephyr, Chloris und Flora den stürmischen Frühlingsmonat März personifizieren, Venus, Amor und die Grazien den April und Merkur den Mai und dieser Monatsname ist, laut Ovid, abgeleitet von Maia der Mutter des Merkurs.

Bei Ovid heißt es: „... während sie sprach, haucht sie Frühlingsrosen aus ihrem Munde: Chloris war ich, die ich [jetzt] Flora genannt werde. .. und Es war Frühling, ich irrte umher; Zephyrus erblickte mich, ich ging weg. Er folgte, ich fliehe, jener war stärker [...] Die Gewalt tat dennoch machte er wieder gut dadurch, dass er mir den Namen der Gattin gab, und in meiner Ehe gibt es keinen Grund zur Klage. Stets genieße ich den Frühling, stets ist üppig blühend die Jahreszeit, die Bäume haben Laub und Nahrung stets der Erdboden.“

Eine weitere Interpretation, die ich sehr schätze, legt der führende, aktuelle, deutsche Renaissance-Spezialist Frank Zöllner aus Leipzig vor. Nach ihm gehört das Gemälde eindeutig zum „Genre der Hochzeitsbilder“, die an den Höfen der Renaissance häufig aus derartigen Anlässen in Auftrag gegeben wurden.

Ein Gemälde für die Hochzeit

Nach der Pazzi-Verschwörung (1478) und den Ausschreitungen waren die Medicis vom Papst exkommuniziert worden und politisch isoliert. Lorenzo il Magnifico, Sadtherr von Florenz, bemühte sich um eine Verbesserung zu den Aragonen (Verbündete des Papstes) in Neapel. Es kam zu einem „politischer Clou“: Erfolgreiche Verhandlungen über die Heirat zwischen Lorenzo di Pierfrancesco de Medici mit der minderjährigen und verwaisten Semiramide Appiani, Tochter des Jacopo III. von Piombino (April 1481). Die Appiani waren seit Generationen mit den Aragonen liiert und kontrollierten den wichtigen Hafen Piombino und den Abbau von Eisenerz auf Elba.

Also es war keine Liebesheirat sondern ein politischer „Akt“, denn in einer Ehe war damals nicht die sexuelle Lust das Wichtigste, sondern das Zeugen von Nachkommen.b

Ist "Frühling" denn ein Hochzeitsbild?

Im Zentrum des Gemäldes „Frühling“ präsentiert sich die Liebesgöttin Venus, begleitet von ihrem mit Augenbinde versehenen Sohn Amor, der einen Pfeil abschießt. Trotzdem verläuft das Bildgeschehen von rechts nach links. Alles geschieht auf einer üppigblühenden Wiese, die von einem fruchtbaren Orangenhain begrenzt wird (Die Früchte sind eine Anspielung auf das Medici-Wappen). Auf der linken Bildseite sind die Baumstämme gerade, aber ganz rechts durch den Wind gebeugt, während in der Mitte sich eine Art Laube bildet.

Es finden sich nun neun Personen zusammen. Am rechten Bildrand hat der bläulich-kühle Zephyr, eine griechische Windgottheit, die den Westwind (aufgeblasene Wangen) verkörpert, seinen Auftritt. Er bedrängt und verfolgt in wehenden Tüchern die Nymphe Chloris, die vergebens versucht zu fliehen und ihn nur noch anstarrt, während aus ihrem Munde Rosen quellen. Die Person rechts daneben ist Flora, das Ergebnis der Verwandlung (Vergewaltigung+Heirat) von der jungfräulichen Nymphe Chloris und dem wärmenden Frühlingswind des Zephyr. Entstanden ist nun Flora, die römische Göttin der Blumen und der Jugend, des Frühlings und der „guten Hoffnung“. In einem mit Blüten übersäten Kleid und mit Blumen bekränzt, schreitet sie und streut Rosen aus ihrem geschürzten Gewand in die Wiese. Am linken äußeren Rand des Bildes stochert in galanter Haltung Merkur, der Gott der Kaufleute, aber auch der Schutzherr von Haus und Hof, mit seinem Stab (Caduceus) „in vielleicht aufziehende dunkle Wolken“. Der Götterbote Merkur hat hier die drei Grazien, Töchter des Zeus, Sinnbild für weibliche Anmut und Schönheit, zur Venus mitgebracht - (in vielen Renaissance-Gemälden sind sie ihre Begleiterinnen). Beschwingt tanzen sie in leichten Schleiern einen Reigen.

Und nun zum Bildzentrum, wo die Liebesgöttin Venus residiert, vom Gesamt-Geschehen sogar etwas isoliert. Sie präsentiert die Liebe, das erotische Verlangen und die Schönheit, nicht nackt, sondern recht luftig-leicht gekleidete in Weiß und mit einem roten Mantel über ihre rechte Schulter. Sie verkörpert in diesem Bild keine sinnliche Leidenschaft, sondern harmonische Liebe und den Fortbestand der Familie (mit einer sichtbarer Schwangerschaft?).

Noch interessante Anmerkungen:

Vorbilder und Informationsquellen für die Frauengestalten im Gemälde „Frühling“ sind antike Statuen, die Sandro Botticelli 1481/82 in einer römischen Sammlung sah. Anregungen zu den sehr detailiert gemalten Blumen und Pflanzen holte er sich bei dem niederländischen Maler Hugo van der Goes.

Am 29. Januar 1475 fand in Florenz ein Turnier statt, bei dem Giuliano de’ Medici, der Bruder des berühmten Lorenzo Il Magnifico, seinen Auftritt „Simonetta Vespucci“ widmete, die leider sehr früh starb. Sie ist die einzige Frau, die in Zusammenhang mit dem berühmten Renaissance-Maler Sandro Botticelli genannt wird. In der Stadt Porto Venere, wörtlich übersetzt im „Hafen der Venus“, wurde sie geboren. Der Überlieferung nach betrat hier „die Göttin der Schönheit“ erstmals italienischen Boden.

In zahlreichen Madonnen- und Porträtdarstellungen von Sandro Botticelli tritt diese „Simonetta Vespucci“ als idealisierte schöne Frau mit ihrem typisch zart-blassen, melancholischen Ausdruck auf und fasziniert die Kunstfreunde.

Links:

(Sandro Botticelli - Biografie)
http://www.whoswho.de/bio/alessandro...lipepi.html

(Renaissance - Malerei)
http://de.wikipedia.org/wiki/Malerei...Renaissance

(Medici)
http://www.planet-wissen.de/laender_.../medici.jsp

(Römische Mythologie)
http://de.wikipedia.org/wiki/Römische_Mythologie

(Uffizien)
http://www.reise-nach-italien.de/uffizien.html

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1 Kommentar

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Volker Barth
Es freut mich riesig, Dir einen Hauch von frühlingshaftem Lesegefühl geschenkt zu haben
  • 21.03.2015, 12:53 Uhr
  • 1
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