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Der Doktor des Vergessens oder Eine Krankheit macht Karriere

Der Doktor des Vergessens oder Eine Krankheit macht Karriere

22.05.2017, 16:18 Uhr
Beitrag von wize.life-Nutzer

Sein Name hat eine ungewöhnliche und nicht vorauszusehende Karriere gemacht, Zeit seines Lebens war Alois Alzheimer ein durchaus durchschnittlich bekannter Forscher gewesen. Ein Artikel, der den bedeutenden Mann dem Vergessen entreißen soll…

In Marktbreit in Unterfranken war Alois Alzheimer am 18. Juni 1864 zur Weltgekommen, der Vater war Notar, die Junge besuchte nach der heimatlichen Volksschule das Gymnasium in Aschaffenburg und begann ein Medizinstudium in Würzburg. Ein Studienaufenthalt führte ihn nach Tübingen. Er war, wie für Studenten im 19. Jahrhundert üblich, Burschenschaftler und schrieb seine 17 Seiten umfassende Doktorarbeit in Würzburg 1887 zum Thema der Funktion der „Ohrenschmalzdrüsen“. Bis zu diesem Zeitpunkt deutet nichts darauf hin, dass Alzheimer die berufliche Laufbahn des Psychiaters einschlagen wird. Aber ein Jahr später geht er nach Frankfurt am Main, um als Assistenzarzt in die „Städtische Anstalt für Irre und Epileptiker“ einzutreten. Diese Institution war von einem Mann gegründet worden, den man der „Schwarzen Pädagogik“ zurechnet, also der Zwangs- und Gewalterziehung, nämlich dem Psychiater Heinrich Hoffmann, dem Verfasser des Struwwelpeter.

Tatsächlich aber ist die Geschichte der Psychiatrie eines Geschichte der Gewalt, zum Großteil auf dem Irrglauben fiußend, dass man bei seelischen Erkrankungen die Persönlichkeit zerbrechen müsse, um sie neu und perfekt zusammenzusetzen. Es gibt die unzähligen Opfer bis in unser Jahrhundert hinein und es handelt sich keineswegs nur um unbekannte Personen, auch König Ludwig II von Bayern, den man ohne Untersuchung entmündigte oder der unglückliche Dichter Friedrich Hölderlin zählen zu den Leidtragenden. Alois Alzheimer wollte mit ein paar jungen Kollegen den Weg der Reformpsychiatrie einschlagen, die Behandlung sollte „non-ristraint“ erfolgen, man wollte von den Zwangsjacken, den Zwangsernährungen, den kalten Wasserbäder, die eigentlich medizinisches „water-boarding“, also eine Foltermethode waren, wegkommen und in Wachsälen mit Betten, mit Warnwasserbädern, Spaziergängen im Park und Ausflüge in die Umgebung therapieren.
Alois Alzheimer arbeitet in Frankfurt aber in der Histologie, das heißt in der Gewebe-forschung des Gehirns, er untersuchte unter dem Mikroskop Gewebeveränderungen in Hirnpräparaten verstorbener Kranker. Er wurde im Jahr 1985 Obrarzt in Frankfurt. 1905, also mit Jahren ging er nach Heidelberg und wurde Schüler des berühmten Psychiater Emil Kraepelin, mit diesem ging er weiter nach München, wo er sich habilitierte und 1912 wird Alzheimer Professor im schlesischen Breslau. Auf einer Reise nach Breslau erkrankte Alzheimer an einer schweren Infektion, die auch seinen Herzmuskel angriff, dies führte letztendlich am 19. Dezember 1915 zu seinem Tod. Er wurde nur also nur 51 Jahre alt.

Es ist ein Lebenslauf, der farblos bleibt. Wir wissen wenig über die Person des Alois Alzheimer, insgesamt scheint es ruhelos gewesen zu sein. 1894 hatte er eine Bankierswitwe geheiratet und wäre finanziell unabhängig gewesen, er suchte aber eifrig einen Platz in der Wissenschaft. Und hat ihn gefunden, weil er am 25. Novem-ber 1901 einer Patientin namens Auguste Deter begegnete. Diese litt an schweren Persönlichkeitsveränderungen und war überaus vergesslich. Es ist das Anamneseprotokoll überliefert, die kann keine Angaben zu ihrer Person mehr machen und ist kaum mehr orientiert. Die Patientin war erst 51 Jahre alt sagte über sich selbst, dass sie sie selbst verloren hätte und Alzheimer wusste als behandelnder Arzt sehr wohl, dass es kein Einzelfall war, dem er in der „Krankheit des Vergessens“ (so Alzheimer) begegnete. Als Auguste Deter 1906 verstorben war, ließ sich Alzheimer die Krankenakte und das Gehirn nach München kommen. Bei der Untersuchung stellte er das Auftreten von Plaques, also krankhafter Eiweißablagerungen fest, ebenso, dass die Hirnrinde der verstorbenen Deter auffällig dünn war.

Am 3. November1906 stellte Alzheimer seine wissenschaftlichen Erkenntnisse auf einer Fachtagung Kollegen vor, das Plenum war so überrascht, dass es keine Fragen stellte. Nach dem Tode Alzheimers benannte sein Lehrer Kraepelin die bekannten Symptome als „Morbus Alzheimer“. Aber die Krankheit führte weit über 50 Jahre ein Schattendasein. Erst als die Lebenserwartung anstieg, wuchs auch die Anzahl der an schwerer Demenz erkrankten Menschen sprunghaft an. Es wurde auf der seinerzeit gelegten Basis emsig weitergeforscht, gerade weil die Persönlichkeitsveränderungen und die Hilflosigkeit der Patienten unendliches Leid für sie selbst und die Angehörigen bedeuten, aber ein Durchbruch deutet sich noch nicht an. Es gibt Medikamente, welche den Ausbruch der Krankheit verzögern, es, es gibt unterstützende Mittel gegen Aggressionen und Depressionen, eine Heilung aber ist derzeit nicht möglich.

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13 Kommentare

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Alois Alzheimer hat schon was bewegt, da er auf Kronberg Gymnasium Aschaffenburg ging, auch natürlich weiter machte mit Schulischer Leistungen in anderen Orten. Leider ist Alois Alzheimer sehr früh von uns gegangen mit 51 Jahren.
Er war der Forschung mit Demenz von Menschen sehr nah und gut geforscht. Da sollte man auch dankbar sein.
Demenz ist für Menschen wo es haben und Angehörige nicht sehr leicht, eher sehr sehr schwer.
  • 23.05.2017, 21:41 Uhr
  • 0
Heut Abend kommt im ZDF Still Alice - Mein Leben ohne Gestern. Drama USA/F 2014 Mit Julianne Moore.
20.15 Uhr.

Wie sich ein Mensch verändern kann durch so eine Krankheit ist erschreckend.
Dieser Film ist, finde ich sehr gut gemacht.
  • 24.05.2017, 07:15 Uhr
  • 1
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Leider stößt die Forschung immer wieder an ihre Grenzen!
  • 23.05.2017, 10:43 Uhr
  • 0
So ist es wohl, Lina, es wird ein weiter Weg sein, denn man kennt weder die Ursachen noch die Auslöser noch den eigentlichen Verlauf der Demenz-Erkrankungen so gut, dass man an eine Therapie denken könnte...
Für die Angehörigen ist es immer ein schweres Schicksal!
Dir liebe Grüße
Valentin
  • 23.05.2017, 20:51 Uhr
  • 0
Da stimme ich zu. Grüße zurück.
  • 24.05.2017, 10:57 Uhr
  • 0
Leider gibt es zu wenig Einrichtungen, welche speziell für
Demenzkranke konzipiert sind. Leider werden diese Menschen mit Medikamenten vollgestopft, was ich sehr
schrecklich finde. In meinem Bekanntenkreis gibt es einige
solcher Kranken und ich bin immer wieder überrascht, wie
sie auf liebevolle Zuwendung reagieren. Hier müssten
spezielle Pflegekräfte ausgebildet werden. Wegsperren
hilft nicht! Die Angehörigen stoßen an ihre Grenzen.
Lieben Gruß
  • 30.05.2017, 13:58 Uhr
  • 0
Renate und Lina, danke Euch für die Zuschriften. Ihr habt sicherlich Recht mit der Meinung, dass die Versorgung von Demenzkranken nicht ausreicht. Und auch, dass man als naher Angehöriger oft an Grenzen stößt. Für mich war es total schmerzhaft, als meine Mutter mich nicht mehr erkannte. Aufgrund meiner Lebensgeschochte hatte ich eine starke Gefühlsbindung, die gegenseitig war. Und dann erkannte sie mich nicht mehr!!!Ich konnte es nicht fassen, für mich brach eine Welt zusammen. Wir sind fünf Geschwister und haben sie reihum gepflegt und versorgt, wobei eine Schwägerin die Hauptlast geragen hat...
Es gibt wenig Demenzheime, es gibt keine Kurzzeitpflegen,es gibt keine ehrenamtlichen Besuchsdienste...Eigentlich herrscht Notstand! Und es kann Jede und Jeden treffen!
Alles Gute Euch!
  • 30.05.2017, 16:02 Uhr
  • 0
Bei uns in der Gegend gibt es Tageseinrichtungen, welche
die Demenzkranken am Morgen abholen und am Abend
wieder zurückbringen. Die Angehörigen sind dann ent-
lastet, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Dafür benötigt man mehr Personal und auch die Kosten für die Betroffenen
sind wesentlich höher. Die Einstufung für diesen Personen-
kreis ist sehr minimal. Hier müsste noch vielmehr
getan werden.
  • 30.05.2017, 18:10 Uhr
  • 1
Vor 10 Jahren ca. wurde praktisch ein neuer Beruf geschaffen, die Betreuungskräfte nach § 87b. Sie sollen in den Pflegeheimen die Pflegekräfte entlasten und sich um die Demenz-Kranken kümmern, sie beschäftigen, fördern und so die Krankheit verlangsamen. Ich habe bis zu meiner Rente als eine solche Betreuungskraft gearbeitet. Leider werden diese Betreuungskräfte oft als Hilfskräfte vom Pflegepersonal missbraucht und außerdem nicht wirklich anerkannt. Das ist sehr schade, denn wir hatten zu vielen Bewohnern eine ganz enge Beziehung. Mir ging immer das Herz auf, wenn ich es geschafft hatte, zu einem Bewohner durch zu dringen, der sonst nur vor sich hinstarrte oder planlos umher lief. Es ist ein wunderbarer Beruf, der den demenziell Erkrankten so viel geben kann und das Leben im Heim erträglicher machen kann.
  • 30.05.2017, 20:39 Uhr
  • 0
Große Hochachtung, dass Sie die Pflegekräfte entlastet
haben und so den Betroffenen helfen konnten. Leider ist
mir auch zu Ohren gekommen, dass die Betreuungskräfte
als Hilfskräfte mißbraucht wurden und so die ursprünglich
angedachte Hilfe für die Betroffenen ausgehebelt wurde.
  • 31.05.2017, 08:45 Uhr
  • 0
Was Ihr, Angelika und Lina, ansprecht ist aber tatsächlich ein immenses Problem, denn die Betreuungskräfte und- assistenten können durch ihre erbrachte Zeit eine recht intensive und gefühlsmäßig positive Beziehung aufbauen. Und da kommt bisweilen -weil es sich immer auch um Menschen handelt. beim Pflegepersonal "Eifersucht", weil das, so denke ich mir, sich nur noch mißbraucht für die direkte Pflege und für -das datf man überhaupt nocht vergessen!- Doukmentation vorkommt. Denn auch das Pflegepersonal will eigentlich für die Menschen da sein, unterstelle ich mal. Eine sinnvolle Gestaltung des Stationsablaufs in einem guten Miteinander hinzubekommen dürfte eine enorme Leistung sein. Ich sag einfach mal als gelernter und in vielen Berufsfeldern erprobter Sozialarbeiter: Hut ab vor Ehrenamtlichen und Profis, die einen guten Job machne!
  • 01.06.2017, 19:56 Uhr
  • 1
Du hast recht, Valentin, die Eifersucht des Pflegepersonals war anfangs groß. "Ihr könnt all`die schönen Sachen mit den Bewohnern machen" hieß es. Oder wir wurden als "Bastel-Tanten" bezeichnet. Viele können aber auch nichts mit den Alzheimer Patienten anfangen und sich nicht auf sie einstellen - selbst auf dem Demenzbereich! Es sind viel, viel mehr Schulungen der Pflege nötig, um ein besseres Verständnis für die demenziell Erkrankten herzustellen. Und der Respekt fehlt vielen Pflegekräften. Denn auch wenn sich viele Bewohner mit Alzheimer wieder wie Kinder benehmen, sind sie doch alte Menschen mit einer großen, zu würdigenden Lebenserfahrung. Es gibt in diesem Bereich noch viel zu tun!
  • 01.06.2017, 23:58 Uhr
  • 1
Und so schließt sich der Kreis, aber er wird sich hoffentlich erweitern und größer werden. Denn unser Wissen und unser Können mit Demenzkranken, aber auch mit schwierigen Menschen insgesamt, steht am Beginn. Ich merke bei mir - und beziehe das sehr wohl auf mich selbst, dass ich auch oft in Routine verfalle...Und es gibt einen oder zwei Personenkreise, mit denen ich nie arbeiten könnte, dazu zählen Alkoholiker, das weiß ich und gebs einfach zu...
Angst macht mir mein eigenes Alter, ich werd täglich im Umgang mit behinderten Senioren damit konfrontiert: Mit Sturheit, Unfelxibiltät, körperlichem Abbau...All das kommt, wenn auch hoffentlich in abgeschwächter Form auf uns Alle zu...Das sind halt Tatsachen.
  • 02.06.2017, 18:30 Uhr
  • 2
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