Die folgende Geschichte ist völlig frei erfunden. Übereinstimmungen mit tatsächlichen Gegebenheiten und Personen wäre rein zufällig.
Nun war es so weit. Sie hatten beide gewusst, dass es früher oder später so kommen musste. Nun war es an ihr, ihn das letzte Stück des gemeinsamen Weges zu begleiten. Es war sicher das schwerste Stück des gemeinsamen Weges. Schon den Rückweg wird sie alleine gehen müssen, dessen war sie sich bewusst. Sie wollte nicht traurig sein, das hätte er auch nicht gewollt. Ihre Gedanken kreisten um den zurück gelegten gemeinsamen Weg, sprangen hin und her, so dass ihr fast schwindelig wurde. Nun begann sie, die Gedanken zu ordnen. Am besten wird es sein, wenn ich sie chronologisch ordne.
Ganz am Anfang ihres Weges stand das kennen lernen.
Was war er doch für ein verrückter Kerl! Aber gerade das gefiel mir ja so an ihm. Damals, 1965, im ersten gemeinsamen Urlaub in Italien haben wir uns so richtig ineinander verliebt. Aber auch unsere erste schwere Prüfung gemeistert. Wir schliefen einfach am Strand. Viel Geld hatten wir ja nicht. Der warme Sand und das Geräusch der sich brechenden Wellen am Ufer lies uns an nichts böses denken und schenkte uns einen ruhigen und tiefen Schlaf, eng aneinander gekuschelt im Doppelschlafsack. Den hatte er extra für diesen Urlaub ganz neu beschafft. Für mich war es der erste Urlaub in einem fremden Land. Die fremde Lebensweise gefiel mir. Nur die fremde Sprache bereitete einige Probleme. Aber wozu hatte man Hände und Füße?
Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachten wir. Der Sonnenaufgang war überwältigend. Wir schwammen der Sonne ein Stück entgegen um anschließend ausgiebig an „unserem“ Strand zu duschen. Unser Strand, denn es war noch kein Tourist unterwegs.
Das Frühstück im nahegelegenen Bistro – wir waren die ersten Gäste – war viel besser als zu hause und üppiger. Die Croissants, die offenbar vorm backen hauchdünn mit Aprikosengelee bestrichen wurden – ein unvergleichlicher Geschmack! Und es war preiswert! Allerdings für uns nicht preiswert genug, wie sich schon bald herausstellen sollte. Als wir zahlen wollten, war unser Geldbeutel nicht aufzufinden! Er musste uns in der Nacht am Strand gestohlen worden sein.
Ich sah uns schon im Gefängnis sitzen, in einem fremden Land, ohne Vater und Mutter. Herbert meinte nur, ich solle ihn machen lassen und ging zur Theke. Eine halbe Ewigkeit diskutierte Herbert nun mit dem Kellner; ich weiß nicht, was er ihm erzählte, nur, dass der Kellner zum Telefon griff. Im Telefonat verstand ich dann nur das Wort „Policia“. Ich sah meine Befürchtungen bestätigt!
Als eine Streife der Polizei ankam, war es schon recht lebendig im Bistro geworden. Die beiden Polizisten setzten sich zu uns an den Tisch, stellten jedoch schnell fest, dass die Kommunikation alles andere als einfach war. Dann schrie einer quer durch den Raum, woraufhin sich eine junge Frau zu uns an den Tisch setzte. Ihr Name war Rosemarie und sie sagte kurz, dass der Polizist nach jemandem gerufen habe, der dolmetschen könne.
Im Gespräch, das nun stattfand, ging es – entgegen meiner Erwartungen - nun nur um den nächtlichen Diebstahl. Man machte uns allerdings keine große Hoffnung, dass unser Geldbeutel je wieder auftauchen würde. Ich dachte nur, wie schlecht die Menschheit doch sei, während die Polizisten unsere naive Sorglosigkeit anprangerten. Vor all den anderen Gästen. Es war so peinlich!
Mein Glaube an die Menschheit wurde aber schnell wieder ins rechte Licht gerückt. Die Touristen veranstalteten eine Sammlung. Als wir zahlen wollten, lehnte der Kellner freundlich aber bestimmt ab, holte aber Herbert ans Telefon, damit er zuhause Bescheid sagen konnte. Herbert rief aber nicht zuhause an, sondern bei seinem besten Freund. Sehr schnell war geklärt, dass sein Freund sich darum kümmern würde, dass wir schnellstmöglich Geld für die heimreise bekommen würden. Das Geld aus der Touristen-Sammlung würde sicher für drei bis vier Tage reichen. Bis Geld aus Deutschland kommen würde, so schätzte der Kellner, würden aber mindestens 10 Tage vergehen. Wieder machte sich Angst in mir breit. Herbert nahm mich einfach fest in seine Arme und meinte „Wir schaffen das!“ (Hätte ich damals gewusst, dass ihn einmal eine Bundeskanzlerin zitieren würde … allerdings ohne jemanden in den Arm zu nehmen)
Letztlich dauerte es dann 14 Tage bis Geld aus Deutschland ankam. Es waren die schönsten 14 Tage meines Lebens. Nicht nur, dass ich Herbert immer mehr schätzen und lieben lernte, wir erfuhren auch sehr viel Mitgefühl durch die Bewohner des kleinen Fischerdorfes. Wir waren immer bei jemandem als Gast, sodass wir gar kein Geld brauchten.
Mit dem Heiratsantrag ließ sich Herbert dann trotz allem noch sehr viel Zeit. Erst 6 Jahre später, am Freitag, dem13. August 1971 heirateten wir! Nur am Rande sei erwähnt, dass sich die Geschichte, die sich für uns letztlich zum guten wendete am Freitag, dem 13. August 1965 ereignete. Herbert meinte bei seinem Antrag, dass es doch nur gut sein könne, an diesem für uns positivem Datum zu heiraten. Ob es wirklich am Datum lag, weiß ich nicht. Aber wir hatten eine wunderbare Ehe und selbst aus den größten Missgeschicken wurde immer wieder etwas positives. Ganz ehrlich denke ich eher, dass es an Herberts Art lag, grundsätzlich nie etwas verbissen zu sehen, sondern immer positiv, ruhig und besonnen auf alles was sich so ereignete, zu reagieren.
Aber davon erzähle ich Euch ein anderes Mal. Jetzt muss ich mich um die Trauergäste kümmern. Jetzt muss ich meinen Weg wieder alleine gehen und doch wird Herbert immer noch mitbestimmen. Ich ertappe mich schon jetzt, dass ich mich immer wieder Frage, was würde Herbert jetzt tun.
by Peter Wenzel (Nov. 2015)
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