Satire als Alibi-Instrument
Bevor Menschen sich der Sprache bemächtigten – es sollen zuerst Frauen gewesen sein, die abends im Kreis um das Feuer herum saßen und die Ereignisse des Tages in emotionalen Interjektionen „o“, „ah“, „au“ einzufangen versuchten - , drückten sie ihre Freude oder Wut mithilfe ihrer Mimik und ihren Fäusten aus.
Im Laufe der Entwicklung des Menschen, einer ständig wachsenden Differenzierung der Wahrnehmung, des Fühlens und Denkens , entwickelte sich natürlich auch die Sprache als das subtilste Verständigungsmittel weiter und weiter.
Wenn man früher nur die Zähne gezeigt hatte , um einen potentiellen Feind einzuschüchtern und hoffentlich auch abzuwehren – das ist tatsächlich die Vorstufe des Lächelns ! - oder die Arme gereckt hatte, konnte man nun seine Gefühle v e r b a l äußern.
Ein bedeutender Entwicklungsschritt, der, wie immer, Gewinne und Verluste bedeutete: Physische Energien wurden eingespart, aber viele visuelle Eindrücke gingen verloren.
Der moderne Rückgriff auf 'Bilder' (Smileys) versucht, diesen Verlust auszugleichen, für die einen ein Horror, für die anderen eine emotionale Befriedigung.
xxx
Die Umsetzung von Gefühlen in nuancierte Sprache ist unser Thema. Machen wir einfach ein Experiment und versuchen wir, für folgende Emotionen die s p r a c h l i c h e Entsprechung zu finden:
Zuneigung/Freude – Schadenfreude – List – Hass.
Zuneigung/Freude lässt sich in h u m o r vollen Worten oder gar Komplimenten oder konstruktiver Kritik ausdrücken.
Hierher gehört als Figur der Clown mit seinen Sprüchen.
Schadenfreude findet im W i t z den besten Ausdruck. Humor ist immer freundlich, gutmütig; ein Witz ist immer eine Spur aggressiv.
Beispiel: Wenn sie hinfällt, ist sie gleich zu Hause (für eine sehr große weibliche Person .
Zum Witz gehört die Karikatur.
List ist im Grunde ein Täuschungsmanöver:
a) Man drückt sich freundlich aus, möchte aber verletzen.
Beispiel: Er ist ein Politclown.
b) Man drückt sich vulgär, unflätig aus, verletzt jemanden absichtlich, möchte dafür aber nicht bestraft werden.
Beispiel: die Böhmermann-Texte
Hier ist das weite Feld der Satire. Sie hat unzweifelhaft einen hohen Unterhaltungswert, kann als a) sehr amüsant sein.
Dennoch empfinde ich diesen Sprachstil als unehrlich. Er gefällt mir nicht, weil immer etwas Böses im Hintergrund lauert. Man wagt nicht, dem Anderen etwas offen ins Gesicht zu sagen, man riskiert nicht den Zweikampf, sondern schießt dem Anderen lieber ins Genick.
Ich empfinde das als unzulässige Überschreitung der Meinungsfreiheit , was auch bestraft werden sollte.
xxx
Mit der Satire verlässt die Sprache ihr eigentliches Aufgabenfeld. Sie soll Verständigung ermöglichen, dem anderen dienliche Informationen liefern und dabei dem Gesprächspartner offen gegenübertreten.
Wer den Satz „Du bist ein Idiot“ (Satire!) schreibt, ist eigentlich ein Feigling, der sich eine Decke über den Kopf gezogen hat, um nicht erkannt zu werden.
Unterhaltsam ist alles: Humor, Witz, harmlose und bösartige Satiren.
Sprache ist der menschlichste Ausdruck des Menschen. Der Gebrauch ihrer Nuancen verrät alles.
© est
6 Kommentare