wize.life
Neu hier? Jetzt kostenlos registrieren und mitmachen! Warum eigentlich?
Egon Schiele - der Künstler, der für seine Kunst ins Gefängnis ging

Egon Schiele - der Künstler, der für seine Kunst ins Gefängnis ging

Volker Barth
01.02.2014, 13:08 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges rückte explosionsartig der junge österreichische Künstler Egon Schiele in den Focus des Weltkunstgeschehens - dieses geschah damals in Wien, der riesigen österreichisch-ungarischen Metropole.

Der Kunstkritiker Arthur Roessler, der Kunstsammler Carl Reininghaus und der schon berühmte Maler und väterliche Förderer Gustav Klimt sicherten Egon Leo Adolf Ludwig Schiele (sein voller Name) finanziell ab. Er löste sich aber schnell von Gustav Klimts dekorativem Jugendstil und experimentierte mit seiner expressionistischen Auffassung und Sichtweise.

In Egon Schieles Zeit war die Sexualität das epochal-typische Thema. Von der Psychoanalyse über die Medizin bis hin zur Kunst begegnet man den Sex-Gesichtspunkten: Emanzipation, Unterdrückung und auch Schmerz, dieser ist fast die große Muse nach der Jahrhundertwende.

Der Künstler als "Elend"

Ab dem Jahre 1910 malte und zeichnete Egon Schiele die enorme Zahl von etwa ein hundert Selbstbildnissen und ist damit in der Tradition von Albrecht Dürer, Rembrandt van Rijn, Ferdinand Hodler sowie Vincent van Gogh. Egon Schiele sieht sich selbst als ausgemergelter kränklicher Körper mit langen gestreckten Gliedmaßen, verkrampft, buckelig und einem komischen Brustkorb: Der Künstler ist also ein Bild des Elendes und des Leids - einfach ein Krüppel.

Die Ungewöhnlichkeit sich selbst nackt darzustellen ist ganz selten. Das prominenteste Beispiel ist die inzwischen weitverbreitete Zeichnung „Selbstbildnis als Akt“ von Albrecht Dürer, 1506, aus der Grafischen Sammlung Weimar. Die „Erbärmlichkeit“ der schielischen Selbstakte ist Chiffre für einen leidenden Künstler und bildet somit eine gewisse Künstler-Märtyrer-Legende, so wie auch bei Vincent van Gogh. Gleichfalls beinhaltet das „nackte Selbstbildnis“ auch Aspekte von Narzißmus und Exhibitionismus - der Künstler stellt sich selbst als sexuelles Wesen zur Schau. Leid und Qual, Krankheit und Irrsinn, Verzweiflung und sittliche Verruchtheit werden anfangs des 20. Jahrhunderts Begleiter von „Genies“, Beispiele dafür Oskar Kokoschka, Ferdinand Hodler und Gustav Klimt. Aber bei Egon Schiele kommt noch ein wesentliches Merkmal hinzu: Die Häßlichkeit und die Obszönität.

Egon Schieles Konflikte mit seinem Akademieprofessor

Im Jahre 1906 begann Egon Schiele 16jährig sein Studium an der Wiener Kunstakademie, brach es aber schnell ab, denn schließlich lästerte sein Historien- und Porträtmaler Prof. Christian Griepenkerl: „Sie hat mir der Teufel in die Schule gekackt!“ Der Malstil eines Gustav Klimt und der der Secessionisten beeindruckten Egon Schiele viel stärker. Ein ganz wesentlicher Bedeutungsträger in Schieles Werk ist eben die „Linie“ und nach dem Studiumende gründete er umgehend die „Neukunstgruppe“. Er manifestiert: „Der Neukünstler ist und muß unbedingt er selbst sein, er muß Schöpfer sein, er muß unvermittelt ohne all das Vergangene und Hergebrachte zu nutzen, ganz allein den Grund bauen können. Dann ist er Neukünstler“.

Und in einem Brief dokumentiert Egon Schiele seine „Selbstwerdung“: „Ich bin durch Klimt gegangen bis März. Heute glaub ich, bin ich der ganz andere ...“

Egon Schiele erfindet gänzlich unakademisch radikale und subjektive Ansichten und Blickwinkel, die die Personen kompositorisch verzerren, verkrampfen und deformieren. Bei ihm wirken die Aktdarstellungen aber wie Posen, die der Künstler genau arrangiert hat.

Das Auge kein Lustorgan sondern Zeuge

Hier ist das Auge nicht das „Lustorgan“, sondern der Zeuge von radikal entblößten und schutzlos ausgelieferten Körpern. Er „erzeugte“ einen grauenvollen erotischen Realismus, wobei das „Fleisch“ gleichzeitig Qual und Sehnsucht bedeutet. In einer Gesellschaft, deren offizielle Moralvorstellungen sehr prüde waren, mußten Schieles Akte zum Ärgernis werden, denn die aggresssive Nacktheit, ohne eine mythologische und historische „Tarnung“, wurde zu einer extrem obsessiven Erforschung ohne jegliche Distanz.

1911 möchte Egon Schiele weg von Wien, er ist diesen „Rummel“ leid, „Wien ist Schatten, die Stadt ist schwarz, alles heißt Rezept. Ich will allein sein.“ Er bezog dann ein Haus in Krumau/Moldau (heute Tschechien), dem Geburtsort seiner Mutter, mit Wally (Valerie) Neuzil, einem ehemaligen Model von Gustav Klimt. Es begann eine recht produktive Schaffensphase sogar mit interessanten Altstadtmotiven. Leider nahm aber die Bevölkerung Anstoß an der „wilden Ehe“ der beiden und wies sie im August aus der Stadt, denn sie verstießen gegen den herrschenden Sittlichkeitsbegriff und damit gegen das Schamgefühl, das seit 1900 unter verschärften Strafschutz gestellt war.

Die Neulengbacher Affaire

Nach einem Kurzaufenthalt in Wien läßt sich dann Egon Schiele mit Wally in Neulengbach (Wienerwald), einer Kleinstadt in der Nähe Wiens nieder. Aber die nun wieder beginnende künstlerische Schaffenskraft wird jäh unterbrochen. Egon Schieles Angewohnheit, ja „Leidenschaft“ Nachbarschaftskinder als Modelle zu nehmen, werden zum Verhängnis. Als Egon und Wally einem dreizehnjährigem ausgerissenen Mädchen Unterschlupf gewähren, verklagt der Vater die beiden wegen „Entführung“ und „Schändung“, gleichfalls wurden auch Zeichnungen beschlagnahmt. Am 13. April 1912 kommt Egon Schiele in Untersuchungshaft und wird am 30. April 1912 ins Kreisgericht nach St. Pölten überstellt. Im Prozeß wurden die Anklagepunkte aber fallengelassen und Egon Schiele wurde noch wegen „Verbreitung unsittlicher Zeichnungen“ zu drei Tagen Haft verurteilt, die durch seine dreiwöchige Untersuchungshaft mehr als abgebüßt waren, aber eine seiner Zeichnungen wurde öffentlich verbrannt!

Die gewisse „Unsittlichkeit“ bestand darin, dass Egon Schiele und Wally den Kindmodellen erlaubten, direkt nach dem sie gezeichnet wurden, in dem Atelier mit all ihren Freundinnen und Freunden spielen, herumtummelten und auch malen zu können, wobei aber die "Egon Schiele Motive" nicht weggesperrt wurden.

Keine Dreierbeziehung

Nun, nach all dem „Moralischen“, noch einige interessante Punkte aus Egon Schieles Biografie. Im November 1912 bezieht er (bis zu seinem Tod) ein neues Atelier in Wien in der Hietzinger Hauptstraße 101 und 1913 ernannte der Bund Österreichischer Künstler (Präsident Gustav Klimt) ihn zum Mitglied. Zwei Jahre später wurde Egon Schiele Einjährig-Freiwilliger im k. u. k. Infantrie-Regiment Nr. 75 - er musste aber nur militärischen Verwaltungsdienst machen. Kurz vor seiner Versetzung nach Prag heiratete er Edith Harms, die mit ihrer Schwester Adele und ihren Eltern gegenüber von seinem Wiener Atelier wohnten. Egon Schieles Frau forderte nun den Bruch mit seiner Muse und Model Wally Neuzil - Egon stimmte notgedrungen zu - denn beide Frauen lehnten eine Dreierbeziehung entschieden ab.

Nach dem Tod Gustav Klimts (6. Februar 1918) ist nun Egon Schiele der wichtigste Maler Österreichs, aber den nun bevorstehenden Ruhm und Aufstieg vereitelte eine fürchterliche Epidemie, die Spanische Grippe (etwa 25 Millionen Opfer). Einen Monat vor Ende des Ersten Weltkrieges starben erst seine schwangere Frau und drei Tage später er (31. Oktober 1918), nur 28 Jahre alt.b

Egon Schiele fühlte sich als ein verkanntes Genie und verglich sein Schicksal mit dem Vincent van Goghs.

Links:

(Egon Schieles Geburtshaus -
Wiedereröffnung 5-4-2014)
http://www.egon-schiele.eu/de/das-museum

(Egon Schiele und das Mädchen T. von Mossig)
http://www.mossig.info/mossig/schiele1.htm

(Neulenbbacher „Affäre“)
http://www.veko-online.de/index.php/...iminalitaet

Diesen Inhalt jetzt auf Facebook teilen!
Diesen Inhalt jetzt auf Twitter teilen!

8 Kommentare

Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
danke volker , das ist wieder eine kurze Zusammenfassung von egon schiele, wunderbar
  • 03.02.2014, 16:10 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Volker Barth
Liebe Fans, liebe Heidrun
bei all diesen positiven Zustimmungen lohnt es sich weiterhin für SB "Kunst & Unterhaltung" zu "arbeiten"!
  • 03.02.2014, 12:39 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Wie immer ein wunderbarer Eintrag
  • 02.02.2014, 04:48 Uhr
  • 0
Volker Barth
Danke für Dein Lob!
  • 02.02.2014, 14:35 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Eben lese ich ein Buch über Egon Schiele…er wurde nur 28 Jahre alt…was für ein offener Maler…vor allem seine Akte sind grossartig…in manchem erinnert er mich doch an Toulouse Lautrec..die Bewegung des Expressionismus
  • 01.02.2014, 17:53 Uhr
  • 0
Volker Barth
Sie haben total Recht, viele Gemeinsamkeiten besitzen Egon Schieles Zeichnungen und eben auch die von Henri de Toulouse-Lautrec!
  • 01.02.2014, 23:08 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Der Text, wieder ein echter "Barth". Danke.
Ist Ihnen bekannt, ob sich Schiele und Hitler begegnet sind?
Galten Schieles Bilder als "entartet"?
  • 01.02.2014, 17:37 Uhr
  • 0
Volker Barth
Lieber Herr Reul danke für Ihr Lob - ich glaube Hitler und Schiele haben sich nicht getroffen, denn auch Vincent van Gogh galt als "entartet". Mehr zum Thema: - Google - egon schiele entartete kunst - Bitte die ersten zwei Internet-Eintragungen (interessant!) lesen. Also auch Egon Schiele war "entartet"!
  • 01.02.2014, 23:02 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.