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Wiesn 2016 mit enttäuschender Bilanz: Weniger Besucher, Bierleichen und Stra ...

Wiesn 2016 mit enttäuschender Bilanz: Weniger Besucher, Bierleichen und Straftaten.

Thomas Bily
03.10.2016, 23:00 Uhr
Beitrag von Thomas Bily

Statt 1 Million wurden am ersten Wiesn Wochenende 2016 nur 500.000 Besucher gezählt. Das ist selbst mit 5 Maß im Gesicht leicht zu rechnen: Die Hälfte fehlt. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Wetter war gerade in der ersten Woche nasskalt. Der neue Zaun und die Sicherheitsmaßnahmen schrecken eher die Gäste ab als den IS. Insider (wie Bedienungen und Wirte) sagten nach der Wiesn, dass die offiziell kommunizierten 5,6 Millionen wohl ziemlich geschönt seien. Sie gehen eher von unter 5 Mio aus...
Vielleicht waren Wetter und Terrorangst aber nur der letzte Kick für viele, mal darüber nachzudenken, warum sei eine derart absurde Veranstaltung freiwillig besuchen sollten. Betrachten wir es objektiv und frei von persönlichen Geschmäckern nach der Nutzentheorie: Ich gehe auf die Wiesn, weil dort ein Zustand herrscht, den ich dem Zustand bevorzuge, der eintreten würde, wenn ich zuhause bliebe oder - beispielsweise - ins Lindwurmstüberl oder in meine Vereinsgaststätte ginge. Aber welche Erwartung könnte es sein, die meine Entscheidung pro Wiesn ausfallen ließe?

Gemeinschaft

Mit vielen Gleichgesinnten ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln! Schon bei der Anfahrt in der UBahn schweißgebadet Rücken an Rücken stehend, weil die Alternative die Knoblauchfahne des Gegenübers wäre. Panik während des Gedränges auf Treppe von der U-Bahn ans Tageslicht. Pferch-Erlebnisse am Eingang wie sie sonst nur Schafen in Neuseeland vorbehalten sind, wenn sie zur Schur geleitet werden. Um dann endlich auf beinharten Bänken an einem klebrigen Holztisch sitzen zu dürfen, der für 10 Leptosomen grad so reichen würde, aber in einer übergewichtigen Gesellschaft Platzangst provoziert.

Unterhaltungsangebot

Seit ein paar Jahren ist es Pflicht, noch vor dem Eintreffen des ersten Getränks auf den Bänken zu stehen und ein Bekenntnis zu Gassenhauern des 20. und 21. Jahrhunderts abzulegen. Wiesnhits werden Lieder, die selbst schwere Zungen noch mitlallen können - wie "Hulapalu". Gespickt wird das Musikprogramm durch dirigierende Feuerwehrkommandanten oder Hochzeitsanträge auf dem Podium. Sollte man dieser Mischung überdrüssig werden, kann man im Freien ein Spektrum von faktischen Schießständen (Gewehr oder Dart) bis zu virtuellen Enthauptungen (Schichtl) abgrasen.
Manche freuen sich über das internationale Flair der Wiesn. Die Internationalität wird in den meisten Fällen mit dem Bierkonsum nivelliert. Mit 5 Maß sind Ägypter und Bayer sprachlich auf ein und demselben Bodensatz. Italiener und Australier genießen eine Sonderrolle mit eigenen Wochenenden und Zelten. Dort fliegen Maßkrüge, BH´s und Schlüpfer tief.

Verpflegung

Egal, wo man sich bewegt: Es ist Nahrung in Sicht. Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass die Qualität der Speisen auf so einem hohen Niveau gehalten werden kann. Ja, die Hendl, Haxen und Kaiserschmarrn schmecken exzellent. Die Verzehrsituation aber reisst all das mit dem Arsch ein, was die Köche aufs Teller zaubern. Sie ähnelt einem Hindernisparkour: Es herrscht eingeschränkte Bewegungsfreiheit am Tisch. Gabel und Messer können nur ungelenk zusammenarbeiten. Servietten sind nur schwer sauber zu halten vor eigener Benutzung. Teller mit Resten der anderen stehen noch auf dem Tisch. Immer wieder wird das Essen mit Trinkaufforderungen unterbrochen wie "Ein Prosit...." - es klingt fast wie Hohn - "...der Gemütlichkeit". Man sieht sich links und rechts eingegrenzt durch die nackten Waden der auf der Bank stehenden Nachbarn. Passanten grölen von den Fluren in den Tisch (manchmal noch mit Sabber vom Übergeben) und tragen einen Hendl-Hut auf dem Kopf. Ist das ein Verzehr-Zustand, für den man sich bewusst entscheiden würde?

Hygiene

Normaler Weise kann es ja den meisten heutzutage gar nicht piekfein genug hergehen. Das gilt gerade für die betuchteren Herrschaften in den Boxen. Aber auch sie trinken aus schlecht gespülten Maßkrügen (die Krankheitsquote ist in München und Umgebung nach der Wiesn deutlich höher - man spricht mittlerweile offiziell vom Wiesn Virus).
An jeder Ecke trifft man Volltrunkene, manche mit Resten von Erbrochenen an Hemd und Hose. Und wer das Extreme sucht, der sollte ab 20.00 Uhr mal eine der WC Hallen eines großen Zeltes aufsuchen. Ich sag es mal so: Mein Onkel hatte einen Bauernhof, wo ich gerne mitgeholfen hab. So ein Wiesn Klo erinnert mich immer an den Schweinestall: deftiger Gestank, unverständliches Grunzen und wildes Durcheinander.

Die Besucherzahl ist 2016 stark zurückgegangen, wahrscheinlich viel deutlicher, als offiziell verlautbart wird von Presse und Wiesn. Und es gibt weitere positive Nachrichten:

  • weniger Bierkonsum
  • weniger Bierleichen
  • weniger Straftaten
  • weniger Polizeieinsätze
  • etc.

Der Erfolg einer Wiesn wird aber vorrangig an Besucherzahlen und Bierausschank gemessen. Man nimmt dafür in Kauf, dass all diese erfreulichen Kennzahlen in die andere Richtung zeigen. Das zeigt den wahren Charakter dieser Veranstaltung.

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6 Kommentare

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Thomas Bily
Uns haben persönliche Einschätzungen von Bedienungen und Wirten nach der Wiesn erreicht. Sie meinen, dass die offiziell kommunizierten 5,6 Millionen wohl ziemlich geschönt seien. Sie gehen eher von unter 5 Mio aus...
  • 08.10.2016, 15:16 Uhr
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ja ,so ist es gut beschrieben .
  • 04.10.2016, 11:43 Uhr
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Eine realistische Analyse, die man weiter sagen sollte!
  • 04.10.2016, 08:01 Uhr
  • 1
Thomas Bily
Danke Herr Klier! Leiten Sie das gerne weiter an Ihre Freunde und Bekannten. schönen Gruß
  • 04.10.2016, 08:06 Uhr
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Bravo Thomas. Es gibt in Deinem Beitrag kein einziges Wort, dem ich nicht aus vollstem Herzen zustimme. Sich freiwillig all diese Widrigkeiten anzutun und dafür auch noch horrende Preise zu bezahlen, ist mir einfach unbegreiflich. Du schreibst "Die Hälfte fehlt". Mein Mitleid hält sich in Grenzen.
  • 04.10.2016, 06:53 Uhr
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Mutig für einen Münchner, das Oktoberfest so abgeklärt sachlich zu beschreiben, anstatt es zu verklären
  • 03.10.2016, 23:21 Uhr
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