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Kunst verstehen: Anders Zorn sollte Frau Martha Liebermann porträtieren ...

Kunst verstehen: Anders Zorn sollte Frau Martha Liebermann porträtieren ...

Volker Barth
11.03.2017, 22:10 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Diesen sehnlichen Wunsch hatte der deutsche impressionistische Maler Max Liebermann. Schriftlich, in einem Brief im Mai 1896, lud er seinen schwedischen Malerfreund Andres Zorn, der derzeit in Paris lebte, zu sich nach Berlin ein und bat ihn „um ein Porträt seiner Ehefrau Martha“.br

Max Liebermann war ein gewandter und fleißiger Briefeschreiber, Anders Zorn das genaue Gegenteil, aber die jeweiligen Briefe wurden keineswegs gesammelt. - Nur diesen einen Brief von Max Liebermann, den vom Mai 1886, bewahrte Anders Zorn mit großem Stolz auf! Dieser enthielt ja die überraschende Einladung für Andres Zorn und seine Frau Emma nach Berlin. Das Ehepaar lebte noch in Paris, war aber im Aufbruch, um sich in Mora/Dalarna/Schweden einen neuen festen Wohnsitz aufzubauen.

... und Andres Zorn malte

Schon wenige Tage nach dem Pariser Briefempfang, stand der schwedische Maler Andres Zorn in Berlin hinter einer Staffelei und malte. Dieses geschah 1896 in der exklusiven Wohnung Palais Liebermann, Berlin-Mitte, Pariser Platz 7, neben dem Brandenburger Tor. Andres Zorn schuf ein meisterliches, bezauberndes und faszinierendes Porträt von Max Liebermanns Ehefrau Martha Liebermann. Sie war eine sehr geschätzte Persönlichkeit des Berliner Kulturlebens.

Zu diesem Porträt schuf Andres Zorn ein Parallelgemälde betitelt „Max Liebermann“, voraussichtlich noch im selben Jahr, in fast gleichem Format, aber undatiert und unsigniert. Die beiden Gemälde gehören einfach zusammen, beide Porträtierten schauen den Gemäldebetrachter an, wobei ihre Hände eine kompositorisch wichtige Rolle spielen. Diese Porträts sollten nebeneinanderhängen, die Hände einander zugewandt, denn so ergibt sich ein „unzertrennliches Paar“.b

Aus dem Jahre 1891 gibt es eine Andres Zorns Zeichnung (Max Liebermann im Alter von 44 Jahren) in einem „kühnen Duktus“ ausgeführt, der ihm bei französischen Künstlern und Journalisten viel Bewunderung einbrachte. (Obwohl diese Zeichnung Max Liebermann „liebte“, nahm Andres Zorn sie wieder mit zurück nach Schweden - sie trägt von beiden Künstlern eine Signatur). Noch im selben Jahr 1891, schuf Andres Zorn eine Radierung nach dieser Zeichnung und übersandte dann einen Abzug nach Berlin im Januar 1892.

Der private Porträtauftrag „Martha Liebermann“ bot für Andres Zorn eine ausgezeichnete Gelegenheit, sein Können einem „neuen“ deutschen Publikum in einem extravaganten, „französischen“ Milieu vorzustellen. Denn gerne präsentierten die Liebermanns auch ihre exquisite französische Kunstsammlung (in Paris erworbenen Werke von Manet, Degas, Monet, Pissarro und Sisley) - sie war in Berlin eine kulturpolitische Attraktion.

Wer war Andres Zorn?

Anders Leonard Zorn war ein sehr gefragter und international erfolgreicher schwedischer Künstler, der am 18. Februar 1860 in Mora/Mittelschweden geboren wurde. Er war der uneheliche Sohn des aus Deutschland stammenden Braumeisters Johann Leonhard Zorn, der seinen Vater, der 1872 in Helsinki starb, nie kennenlernte - trotzdem nahm er dessen Nachnamen an. Mit 15 Jahren begann Andres Zorn ein Kunststudium an der Königlichen Akademie der Künste in Stockholm. Bei einer studentischen Ausstellung im Jahr 1880 präsentierte er sein erstes bedeutendes Aquarell, „In Trauer“, das ihm hohe Anerkennung in der Kunstszene brachte. Andres Zorn lernte Emma Lamm, die Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie, kennen und verlobte sich im Juni 1881. Dann machte er sich einen Namen als guter Porträt-Zeichner und bekam in der Folgezeit viele Aufträge von reichen schwedischen Familien.

Um aber sein Studium fortzusetzen und genug Geld zu verdienen, verließ Andres Zorn seine schwedische Heimat. Vier Jahre verbrachte er in England und Spanien und konnte seinen Stil verbessern. Viel Zeit verwendete er für das Studium der Bewegung und Reflexionen von Wasseroberflächen.

Nach seiner Schweden-Rückkehr im Herbst 1885 heiratete Andres Zorn Emma Lamm. Er unternahm aber weiter Reisen nach Spanien, Nordafrika und England und ab 1890 bemühte er sich auf dem deutschen Kunstmarkt Fuß zu fassen. In diesem Jahr erhielt er einen Auftrag vom Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, ein Aquarell mit einem Hafenmotiv zu fertigen. (Der Hamburger Hafen war der einzige Auftrag von Lichtwark für ein Gemälde, aber bis zu seinem Tode kaufte Lichtwark insgesamt 42 Radierungen von Andres Zorn, die später in den Besitz der Kunsthalle Hamburg übergingen.) In Berlin, Dresden und München folgten weitere Zorn-Ausstellungen, so dass er auf diese Art und Weise in Deutschland recht bekannt wurde.

Mehrere Jahre verbrachte Andres Zorn in Paris und lernte hier den „Impressionismus“ kennen. Nicht nur in Frankreich empfing er wichtige Impulse, auch in Spanien, England und Deutschland. Dieses alles verbunden mit den intensiven Einflüssen seiner schwedischen Heimat ließen ein umfangreiches Werk entstehen. Neben Ölgemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Radierungen schuf er auch Skulpturen (Berühmt: seine Statue vom schwedischen König Gustav Wasa).

... auch nach Amerika

Andres Zorn reiste sogar siebenmal in die USA, wobei er mondäne Porträts der internationalen High Society malte, wie z.B.: den 24. Präsidenten der Vereinigten Staaten, (1899) Grover Cleveland.

Schon Jahre vorher, im Jahre 1896, als Anders Zorn auf der Internationalen Kunstausstellung in Berlin eine Große Goldmedaille erhielt, malte er das bezaubernde und faszinierende Porträt von Martha Liebermann.

Am 22. August 1920 starb Andres Zorn in Mora. Sein Erbe erhielt der schwedische Staat mit der Auflage, ein Museum zu bauen eingebunden mit der beträchtlichen Sammlung an internationaler Kunst. Heute ist es das Zorn Museum Mora, das im Jahre 1939 eröffnet wurde.

Biografisches über Frau Liebermann

Sie wurde als Martha Marckwald am 8. Oktober 1857 in Berlin geboren. Ihre Familie stammte aus Märkisch-Friedland, ebenso wie die Familie Liebermann, aus der ihr späterer Ehemann Max Liebermann stammte. Die beiden Familien waren eng miteinander verbunden, so kamen Heinrich Benjamin Marckwald, Marthas Vater, und Louis Liebermann, Max’ Vater, 1843 in Berlin an und erlangten am selben Tag das Berliner Bürgerrecht.

Als Marthas Vater 1870 starb übernahm Max Liebermanns Vater Louis Liebermann die Vormundschaft für Martha und ihre vier weiteren Geschwister, die dann ins Palais am Brandenburger Tor zogen.

Im Mai 1884 verlobte sich Max Liebermann mit der 27jährigen Schwester seiner Schwägerin (Martha Marckwald). Am 14. September 1884 fand die Trauung in Berlin statt, nachdem sein Umzug von München nach Berlin abgeschlossen war.

Ein Jahr später, am 19. August 1885 wurde als einzigstes Kind Tochter „Marianne Henriette Katharina (nur Käthe genannt) geboren. Diese heiratet 1915 Kurt Riezler und bekam 1917 das Enkelkind Maria. Nach der Pogromnacht ging Käthe mit Mann und Kind 1938 ins Exil in die USA.

Dazu folgendes Ereignis:

Als am 30. Januar 1933 vor dem Palais Liebermann am Brandenburger Tor mit Fackelmärschen und großem Geschrei die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler (Machtergreifung) gefeiert wurde, empörte sich Max Liebermann mit seinem berühmten Zitat in Berliner Mundart „Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.“ Für ihn war es der Höhepunkt des anhaltenden Antisemitismuses in Deutschland - den Holocaust hatte Max Liebermann, der 1935 starb, nicht mehr erlebt.

Weiteres über Martha Liebermann

Wie das Zorn-Gemälde zeigt, war sie eine sehr selbstbewußte und aparte Berlinerin mit schwarzen Haaren und einem ebenmäßigem Gesicht. Sie galt als stille und zurückhaltende Frau an der Seite ihres berühmten Mannes, dem Maler Max Liebermann. Dieses war sicherlich das Rollenverständnis einer konservativen und preußisch-jüdischen Familie, wo die Frau hinter ihrem berühmten Ehemann einfach zurückzutreten und sich um die Angelegenheiten des Hauses zu kümmern hatte.

Martha und Max haben sich sehr geliebt, davon gibt es viele Zeugnisse. Ihre Tochter Katharina kam 1885 zur Welt, Martha Liebermann wurde später Großmutter und war die „Grand Dame“ am Pariser Platz Nr. 7 - bis zur Machtergreifung 1933. Als ihr Mann Max verstarb, am 8. Februar 1935, war sie achtzig Jahre alt. Öffentlich nicht groß in Erscheinung zu treten war in ihrem Sinne, sie wollte eben nur eine gute Gastgeberin für Gesellschaften sein. Sie schöpfte viel Kraft aus der Synthese von Kunst und Kultur und war trotzdem ihres Mannes „schärfste“ Kritikerin.

Noch bemerkenswert ist: Martha ließ sich wohl nicht gerne von ihrem Mann porträtieren - viele Bilder zeigten sie nur sitzend, lesend oder schlafend, da sie nur in solchen Momenten für ihren Mann still saß.

Zusätzlich noch einen markanten Ausspruch, der von Martha Liebermann überliefert ist: „Es ist zwar eine Ehre, aber kein Vergnügen, mit Dir verheiratet zu sein.“ (Auflösung: Dieses soll sie gesagt haben, als sich Max Liebermann bei einer Teerunde beschwert hat und sie anfuhr, warum sie denn selbst zur Teekanne greift, um dem Gast einzuschenken. Was nicht standesgemäß war.)

Die letzte Tage

Schon 1943 lebte Martha Liebermann nicht mehr in der Villa am Wannsee (bekam 1938 die Deutsche Reichspost), noch im Stammhaus Liebermann in Berlin, Pariser Platz 7 (mit dem „Judenbann“ belegt) - denn paar Jahre vorher hatten die Nazis ihr diese Wohnungen abgenommen. Übrig blieb nur eine Wohnung in der Graf-Spee-Straße im Berliner Tiergartenviertel.

Martha Liebermann soll ins KZ Theresienstadt deportiert werden. Am Vormittag des 5. März 1943 schrieb sie kurz „Ich bin ganz durcheinander“ und nahm dann eine Überdosis des Schlafmittels Veronal - am 10. März 1943 stirbt sie im Jüdischen Krankenhaus im Alter von 86 Jahren.

Zur Erinnerung: Gestern vor 74 Jahren!

Alle Bemühungen ihrer 1938 in die USA emigrierten Tochter Käthe und deren Familie sowie befreundete Künstler und Galeristen aus der Schweiz und Schweden können die - zu lange hinausgezögerte Emigration - nicht mehr ermöglichen. Die vom NS-Staat erhobene „Reichsfluchtsteuer“ wurde im aller letzten Moment noch derart erhöht, dass alle Anstrengungen umsonst waren.

Was passierte mit den Gemälden?

Beiden Bilder von Andres Zorn, 1896 gemalt, waren Anfang 1942 noch im Besitz von Martha Liebermann - sie galten übrigens als wertlos, weil sie „Juden“ abbildeten.

Emma Zorn, die Gattin von Andres Zorn, brach die persönlichen Verbindungen zum Ehepaar Liebermann nie ab, auch nicht nach Andres Zorns Tod.

Die Aktion, die der baltische Baron und Widerstandskämpfer Edgar von Uexküll unter Einsatz seines Lebens durchführte ist eine gesonderte Geschichte, aber er schmuggelte ohne Rahmen, zusammengerollt und in einem Wäschesack versteckt, die zwei Bilder 1942 über Dänemark nach Schweden. In Mora wurden diese Bilder deponiert und er erhielt dafür einen Scheck. Als dieser in Berlin eingelöst werden sollte, um Martha Liebermann endgültig nach Schweden ausreisen zu lassen, erhöhte man die „Reichsfluchtsteuer“ so dramatisch, dass jegliche Hoffnung verloren ging. Übrigens, verweigerte Martha Liebermann beharrlich eine Emigration in die USA, die Schweiz oder Schweden. Emma Zorn, Ehefrau von Andres Zorn, erfuhr aber von diesen Vorfällen nichts, denn sie starb am 4. Januar 1942.

Die misslungene Finanzierungs-Aktion der Zorn-Porträts hatte eine positive Seite, denn das Palais Liebermann wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges total zerstört, während aber die Porträts in Mora/Schweden in Sicherheit waren. Liebermanns Tochter, Käthe Riezler, war als einzige Erbin die rechtmäßige Besitzerin dieser Gemälde. Sie vermachte Edgar von Uexküll beide Kunstwerke, der sie 1948 für einen unbekannten Betrag an das Zornmuseum verkaufte.

Links:

(Andres Zorn - Biografie - engl.)
https://en.wikipedia.org/wiki/Anders_Zorn

(Andres Zorn in Deutschland)
http://www.kulturhusberlin.de/770.html

(Max Liebermann - Biografie)
http://www.liebermann-villa.de/biogr...ermann.html

(Interview über Martha Liebermann)
http://www.luise-berlin.de/bms/bmstx...711gesd.htm

(Stolpersteine)
http://www.stolpersteine.eu/

Map-Data:
Zornmuseet, Vasagatan 36, 79231 Mora, Schweden

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8 Kommentare

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Deine Art die Bilder in ihre Zeit und Raum dazustellen, der uns die Künstler und ihre Werke näher bringen ist für mich nicht nur nachholen oder vertiefen der Kunst- oder Geschichtskenntnisse sondern vermittelt auch die Wertschätzung für die Menschen und dessen Zeit.
  • 24.03.2017, 07:15 Uhr
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Volker Barth
Einfach schön wie Du dies formulierst ...
  • 24.03.2017, 09:23 Uhr
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Wieder mal besonders interessant und es zeigt, dass die Kunst und die Künstler alle schlechten Zeiten überleben. Das Böse siegt niemals über die Kunst.
  • 21.03.2017, 11:57 Uhr
  • 1
Volker Barth
Herzlichen Dank für Deine wiederholten "Preisungen" von Text und Bild sagt wize.life-Nutzer
  • 22.03.2017, 20:15 Uhr
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Vor ein paar Jahren gab es in der Hypo Kulturhalle in Müchen eine Ausstellung über Anders Zorn
  • 12.03.2017, 17:57 Uhr
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danke , sehr informativ.
  • 12.03.2017, 17:46 Uhr
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Sehr gut und informativ.
  • 12.03.2017, 13:30 Uhr
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Danke
  • 12.03.2017, 07:40 Uhr
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