24. Dezember 1976: Alle haben sich schon auf Weihnachten gefreut und Alle wussten, dass es um 18 Uhr soweit war. Wenn man als Neunjähriger den ganzen Tag nervös durch die Gegend läuft und alle zehn Minuten fragt, wann es denn endlich soweit ist, und die Erwachsenen völlig gestresst alles noch einmal kontrollieren, damit abends bloß nichts schief geht, ist entweder Urlaubsbeginn oder Weihnachten.
Auch in diesem Jahr war es nicht sehr viel anders. Bis auf.... ja, bis auf meinen Dad. Er war schon die letzten Tage recht still - ganz entgegen seiner Gewohnheiten, denn zu sagen hatte er immer etwas. Und an diesem Tag war es besonders ruhig um ihn. Er saß nur auf einem Stuhl am Küchentisch und betrachtete unbeteiligt das Geschehen. 18. Uhr rückte immer näher und man konnte nach dem gewohnten Ablauf die Uhr stellen.
Ein zartes Klingeln rief alle zum geschmückten Baum, der wie immer geschmückt mitten im Raum stand und an dem grundsätzlich echte Kerzen brannten. Die Anzahl der Pakete war überwältigend. Ich war eben ein richtig verwöhntes Kind.
Aber die Stimmung war anders als sonst. Und ich habe mich plötzlich gefragt, was denn los wäre - als mein Dad, der nur meinen Blick gesehen hatte, antwortete von sich aus: "Das sind meine letzten Weihnachten" Es war das erste Mal, dass ich bei meinem Dad eine Träne in den Augen gesehen hatte. Und ich fand es erschreckend. Weiter fragen wollte ich nicht. Er wird dafür schon Gründe gehabt haben und es hätte niemals Jemand gewagt, seine Entscheidungen in Frage zu stellen.
In weniger als einem Jahr sollte ich erfahren, was damit gemeint war, doch dieser Satz blieb immer im Gedächtnis. Am 1. November 1977 starb mein Dad und heute gehe ich davon aus, dass er es gewusst haben musste.
24. Dezember 1977: Es war ein trauriges Weihnachtsfest. Irgend etwas hat eben und so etwas wie Weihnachtsstimmung wollte nicht aufkommen. Es war fast ein Tag wie jeder Andere. Nur die bunten Lichter in den Schaufenstern erinnerten daran, dass Weihnachten war. Granny hatte Kekse und selbst gemachtes Marzipan vorbereitet, aber das war ein monotoner Vorgang.
Das jährliche Klingeln um 18 Uhr gab es immer noch - nur die Begeisterung und die Vorfreude waren nicht vorhanden. Als ich vor dem Baum stand, war es plötzlich da...mein persönliches Weihnachtswunder. Ein lebensgroßes Poster von meinem Dad wie ich ihn kannte, war direkt neben dem Baum und ich konnte fast ein Lächeln auf den Lippen im Bild erkennen.Man muss nur daran glauben, dann werden selbst Kleinigkeiten zu Wundern. So wurde aus einem Tag wie jeder Andere doch noch ein schönes Weihnachten und noch heute sehe ich manchmal dieses Lächeln - auch dann wenn es keinen Grund dazu gibt.
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