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Opferberufe Teil 5: Grenzerfahrungen der Fernfahrer

Opferberufe Teil 5: Grenzerfahrungen der Fernfahrer

Marion Dr. Diwo M.A. -HP
19.01.2014, 16:41 Uhr

Der Großeinsatz kam nach der Wende: Ich habe erlebt, wie Stoßstange an Stoßstange tausende von LKW´s täglich die gesamte Waren- und Bauwelt vom Westen in die Ex-DDR karrten, und dachte hin und wieder daran, diese LKW-Fahrer für einen Friedenspreis vorzuschlagen. Mühsam auf desolaten Straßen ohne Infrastruktur über defekte Autobahnen wurden Ziegel, Zement, Metalle und Konsum-und Nahrungsgüter in Region von Stralsund bis Dresden gebracht. Tag und Nacht- ohne Pausen, denn großflächige Parkplätze waren damals auch Mangelware.

Fernfahrer und Trucker: Einsame Ritter der Landstrasse


Das Bild des einsamen Fahrers, der sich durch die Wildnis schlägt, immer nur seinem Ziel und seiner Ladung verpflichtet, ist ein Mythos aus den USA und bedient und übersetzt die historische Figur des „lonesome Cowboys“ in die Moderne und auf die Straße. Im Zuge der internationalisierten Warenwege werden die Transportstrecken länger, die Ziele entfernter und die Ladungen gefährdeter. Transportunternehmen lassen daher z.B. nach Russland Kolonnen von mehreren Fahrzeugen fahren, der Sicherheit von Ladung und Fahrer wegen. Auch „Köderfahrzeuge“ zum Antesten von gefährlichen Strecken zum Beispiel in Krisen- und Kriegsgebieten sind durchaus üblich.
Da kommt es dann nicht nur auf die physical Fitness an, hier sind durchaus auch Leute gefragt, die wenig Angst haben. Der Fahrer sieht sich auch „Verhandlungen“ mit „Interessierten“ gegenüber, die mit Wegezoll im Zaum gehalten werden müssen. Das sind dann schon Arbeitsbedingungen, die mehr erfordern, als grosse LKW fahren und eventuell reparieren zu können.

Verantwortung und letztes Glied der Kette


Es kann eine Menge passieren, was ein Fahrer als letztes Glied der Kette trifft: Das Auto ist nach europäischen Normen nicht in Ordnung, es trifft den Fahrer, der Ware und Fahrzeug auslösen muss oder Maßnahmen zu treffen hat, um weiterfahren zu können. Der Unternehmer selbst ist weit weg. Er hat Ruhezeiten einzuhalten, soll aber gleichzeitig möglichst schnell sein Ziel erreichen, da muss man die Grauzonen kennen und ausnutzen, die sich bieten. Verantwortlich ist aber immer der Mann im LKW. Das sind die stressigen Aspekte des Berufes, das Ausgeliefert-Sein.

Weg von zuhause und nicht im Urlaub


LKW-Fahrer und Containerschiffkapitäne haben eines gemeinsam: Sie bereisen die ganze Welt und sehen nichts davon, der eine nur Straße, der andere das Meer. Wer glaubt, Reisen bildet, der kennt die Bedingungen der Transporteure nicht. Es gibt keine Möglichkeiten, die Route zu verlassen, Umwege zu fahren oder Pausen da einzulegen, wo es sich lohnt. Entfernungen sind strikt durchgerechnet, ebenso Be- und Entladezeiten. Bei weiten Strecken wird der Fahrer versuchen, nicht mit einem leeren Wagen zurückzufahren, sondern er muss in der Nähe Ware aufnehmen, die die Leerfahrt finanziell abmildert. Kooperationen in der Transportlogistik sind üblich und werden von der Heimbasis koordiniert. Für den Fahrer heißt das: Erreichbar sein, Tag und Nacht und möglichst wachsam: In den letzten Jahren haben sich Banden darauf spezialsiert, dem schlafenden Fahrer im Motel die Wagenladung abzutransportieren. Das Führerhaus ist da auch nicht immer der sicherste Platz, auch wenn viele Fahrer das inzwischen dem bequemeren Bett in der Unterkunft vorziehen müssen.

Berufsehre der Kraftfahrer


Und dennoch trifft man immer wieder Transportfahrer, die ihren Beruf lieben und tatsächlich Ehegatten vorweisen können, die mit diesen Situationen gut umgehen können. Irgendwie muss das was haben, nachts allein auf der Autobahn, „man hat seine Ruhe“, entflieht dem „alltäglichen Gewusel“, hat ein Ziel, das erreicht werden muss und kennt „seine Pappenheimer-Kollegen“, die man irgendwo zwischen München und Italien auf Rastplatz XY zum Schwätzchen treffen wird. Die wissen, wovon man spricht und bilden die soziale Infrastruktur, auf die man sich freut und das Netzwerk, das verlässlich ist. Voraussetzung ist allerdings die rechtzeitige Ankunft überall...

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6 Kommentare

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In den letzten Jahren hat sich in dieser Branche viel verändert. Die Zeit von "Auf Achse" sind längst vorbei.

Im Speditionsgewerbe haben aufgrund des Preiskampfes osteuropäische Speditionen längst viele deutsche und westeuropäische Speditionen verdrängt. Die osteuropäischen Fahrer sind teilweise einen Monat unterwegs ohne einmal nach Hause zu kommen und das auch noch für kleines Geld. Da bedienen sich viele Unternehmen ihrer Dienstleistungen, so dass hier ansässige Firmen mit geordneten Arbeitszeiten und Tariflöhnen (auch wenn sie niedrig sind) nicht mithalten können.

Der Fahrer muss heutzutage ständig verfügbar sein, um Anweisungen seines Disponenten entgegenzunehmen. Leerfahrten werden durch ein ausgeklügeltes System sowieso komplett vermieden. Sollte es tatsächlich zu einer Leerfahrt kommen, hat der Disponent seinen Job nicht richtig gemacht.

Weder der Lohn noch die Spesen erlauben es einem Fahrer in einem Motel zu übernachten. ->
  • 19.01.2014, 18:02 Uhr
  • 1
Unabhängig von der gestiegenen Kriminalität war es schon immer üblich, dass der Fahrer in seiner Koje im Führerhaus übernachtet und am Morgen in der Raststätte duscht. Die meisten Fahrer nehmen sich ihre Essensration von zu Hause mit und wärmen sie auf einem Gaskocher am Rastplatz auf. ein Besuch in der Raststätte ist die Ausnahme.

Der Berufs des Fernfahrers hat viel von seiner Romantik eingebüßt. Der Stresspegel und der Preisdruck steigen auch in diesem Gewerbe ständig.
  • 19.01.2014, 18:06 Uhr
  • 1
Ich kann mir vorstellen, daß der Preiskampf weiter zugenommen hat. Aber um die Menschen ist es schade, denn sie können nicht immer noch mehr leisten. Mögen die Menschen immer einen Beistand haben, den sie dringendst benötigen. God bless you !
  • 19.01.2014, 18:24 Uhr
  • 0
Marion Dr. Diwo M.A. -HP
ja, das ist traurig, und das größte Problem; Am Fahrer vor Ort hängt immer alles, er hat nicht nur die Unannehmlichkeiten (Schlafen, Duschen, Verhandlungen), er haftet auch noch für Probleme mit Fahrzeug und den Gesetzen. Die wenigsten Unternehmer statten die Fahrer übrigens mit Bargeld aus, das sie dringend benötigen, wen etwas ist.
  • 19.01.2014, 23:55 Uhr
  • 1
Ja, bei Problemen müssen die Fahrer erst mal das Geld vorstrecken. Und wenn es Ärger mit Polizeikontrollen gibt (BAG), haftet der Fahrer, weil er für die Sicherheit und ordentliche Ladungssicherung zuständig ist. Also, nichts mehr mit Fernfahrerromantik.
  • 20.01.2014, 07:11 Uhr
  • 1
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Ich kannte das Speditionsgewerbe in den 90iger- Jahren.Es wurden Baumaterialien nach Osten gefahren. Diese Fahrer, die dieses machten, hätten immer eine Auszeichnung verdient gehabt, wenn alles gut geklappt hatte. Und dann dieser Zeitdruck !
  • 19.01.2014, 17:32 Uhr
  • 1
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