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Ein "Weltrekordversuch" endete im Lawinentod

Ein "Weltrekordversuch" endete im Lawinentod

Otto Huber
09.11.2014, 11:47 Uhr
Beitrag von Otto Huber

An erster Stelle steht die Trauer um zwei herausragende Alpinisten. Der Münchner Sebastian Haag und der in Mailand geborene Andrea Zambaldi zählten zu Europas besten Schibergsteigern. Ihre Speed-Begehungen im Himalaya und ihre gewagten Steilwand-Abfahrten von Achttausendern haben Aufsehen und Bewunderung erregt. Trotzdem sollte es erlaubt sein sich über Sinn oder Unsinn von „Weltrekorden“ im Gebirge einige Gedanken zu machen.

Die von dem Münchner Benedikt Böhm geleitete „Double8-Expedition“ war nach Tibet gereist um innerhalb von sieben Tagen den 8013 m hohe Shisha Pangma und den Cho Oyu (8201 m) zu besteigen. Außerdem war geplant die 170 km lange Distanz zwischen den beiden Gipfeln mit dem Fahrrad zu überwinden. Für alpine Laien und für gebirgsferne Hamburger Redakteure mag das imposant klingen. Schaut man aber genauer hin dann schrumpft dieser „Weltrekord“ doch merklich zusammen. Der Shisha Pangma und der Cho Oyu sind inzwischen viel besuchte Trekkinggipfel an denen jedes Jahr hunderte von ambitionierten Bergwanderern und Tourengeher versuchen sich ihren Traum von einem Achttausender zu erfüllen. Mit dem Bergradl eine 170 km lange Straße zu befahren ist eigentlich auch keine so große Herausforderung.

Weltrekorde im Gebirge sind Unsinn.

Weltrekorde gibt es zu Recht im 100-m-Sprint, beim Kugelstoßen oder auf der Radrennbahn. Unbestechliche Stoppuhren und genormte Bahnverhältnisse sorgen für überprüfbare Chancengleichheit. All dies gibt es im Himalaya nicht. Es ist ein Unterschied ob sich der Speedbergsteiger beim Weltrekordversuch im Neuschnee hinaufwühlt oder auf ausgetretener Spur unterwegs ist. Der nächste Weltrekordaspirant unterbietet die Rekordzeit vielleicht schon deshalb weil er im prügelharten Harsch an Fixseilen aufwärts turnt. Alles weder nachprüfbar noch vergleichbar. Weltrekorde im Gebirge sind deshalb unsinnig und überflüssig.

Heutzutage werden derlei Unternehmungen aber auch mit einem medialen Rummel angekündigt dass einem schwindlig wird. Statements des Expeditionsleiters: „es werden die härtesten 7 Tage meines Lebens“ konnte man schon Wochen zuvor in Spiegel Online lesen. Dazu kamen dann täglich Videos, Fotos und Interviews via Sattelitenhandy aus dem Basislager. Von der „enormen Lawinengefahr“ war die Rede. Man hatte ja schließlich die Sensationslust des geneigten Lesers zu bedienen.

Vor 20 Jahren war der Autor ebenfalls am Shiha Pangma unterwegs — mit Tourenschi. Auch damals schneite es kräftig. In dem 30 bis 40 Grad steilen Gipfelhang lag der Neuschnee einen Dreiviertel Meter hoch. Deshalb kam nur der Umweg über den Nordgrat in Frage. Das dauerte zwar länger war aber weitaus weniger lawinengefährlich. Man musste ja keine Speedbegehung machen — man war nur zum Privatvergnügen da.

Ein selbst ausgelöster Medienhype kann gefährlich werden.

Von Profibergsteigern wird gerne behauptet dass sie sich durch den selbst ausgelösten Medienhype nicht unter Druck setzen lassen. Ich habe da meine Zweifel, weil ich am Everest selbst erlebte wie ein junger Extrembergsteiger sein Leben ließ — getrieben von Medienverpflichtungen und Sponsorenverträgen. Auch er wollte einen „Weltrekord“ aufstellen: die höchsten Gipfel der 7 Kontinente in 7 Monaten besteigen. Die Zeit drohte ihm davon zu laufen. Der 7. Monat war beinahe um. Also musste er unbedingt auf den Everestgipfel trotz Wettersturz und Höhensturm. Er kam dabei um.

Vermutlich musste das Team der Double8-Expedition den Shisha Pangma ebenfalls unbedingt an jenem verhängnisvollen 24. September 2014 besteigen wegen des „Weltrekords“ und zwar so schnell wie möglich, also gerade hinauf über den 800 m hohen Hang. Lawinengefahr hin oder her. Die Redaktionen daheim warteten auf Erfolgsmeldungen.

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