„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!“ Die Wahrheit dieses Sprichworts musste ich leidvoll erleben, als neben unserem Haus ein weiteres gebaut wurde und ein älteres Ehepaar aus einem kleineren, aber selbstbewussten Nachbarland einzog. Als erstes ließ die Neuankömmlinge die gemeinsame Grenzlinie nachmessen. Man stellte fest, dass mein Zaun an einer Stelle fünf Zentimeter vom anderen Grundstück wegnahm. Ohne viel zu fragen ließ mein neuer Nachbar ihn umlegen und an seine Stelle tiefe Betonfundamente für eine massive Grenzmauer eingießen.
Die tiefgründigen Arbeiten beschädigten die Wurzeln meiner nahe stehenden Scheinzypresse so sehr, dass sie zu kränkeln begann und schließlich braun dastand. Natürlich musste ich das ruinierte Bäumchen ausgraben, das war mir klar. Ich wollte des lieben Friedens Willen kein Drama daraus machen. Aber dem neuen Nachbarn ging es nicht schnell genug.
„Der Baum beleidigt mein Auge“, meinte er. „Geh ich in den Carport zum Auto, muss ich ihn immer sehen. Das minimiert den Wohnwert meines Hauses. Ich will Sie bei der Polizei anzeigen! Solchen Dreck sehen Sie nicht in meinem Land!“. In dieser Tonart machte er sich bei mir beliebt. Insgeheim langte ich mir an den Kopf, schnitt aber bald das Bäumchen ab und hoffte auf eine Normalisierung der Beziehung. Ich mache es kurz: In wenigen Monaten hatte er sich mit allen möglichen Menschen in der Umgebung angelegt und zog nach dem Verkauf seines Hauses unter großem Geschrei („Alles Nazis hier...“) in seine meerumspülte Heimat zurück.
Rat vom Bauamt
Leider können sich aus Nichtigkeiten Streitigkeiten unter Nachbarn entwickeln, die jahre- , machmal lebenslang nicht enden wollen. Der Gesetzgeber hat deshalb Regeln für viele Streitfälle entwickelt. Das meiste Konfliktpotential verbirgt sich hinter der Frage: „Wie dicht darf ich meine Hecke an die Grenze setzen und wieviel Abstand müssen Bäume einhalten?“ Leider ist das Nachbarschaftsrecht kein Bundes-, sondern Landesrecht, und so kommt es, dass in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen in Kraft sind. Bei Neubauten empfiehlt es sich immer, bei der örtlichen Baubehörde nachzufragen, was regional zu beachten ist.
Welchen Abstand Hecken und Bäume von der gemeinsamen Grenzlinie einhalten müssen, haben die Länder wie folgt geregelt:
Baden-Württemberg
Hecken bis 1,80 m Höhe = 50 cm Mindestabstand.
Höhere Hecken: Tatsächliche Höhe minus 1,30 m.
(Also z.B. Höhe der Hecke 2,10 m; minus 1,30 m = Mindestabstand 80 cm).
Gemessen wird ab dem Stamm der Heckenpflanze; Zweige dürfen bis an die Grenzlinie wachsen.
Bäume: Unterschieden wird zwischen großen Bäumen (= 8 m Grenzabstand) sowie kleinen und mittelgroßen (= 4 m Grenzabstand).
Bayern
Hecken, Sträucher und Bäume bis 2 m Höhe : Grenzabstand = 50 cm; über 2 m Höhe : Grenzabstand = 2 m.
Berlin
Hecken; Bis 2 m = 50 cm Grenzabstand, über 2 m = 1 m Grenzabstand.
Stark wachsende Bäume = 3 m Abstand, andere = 1,50 m.
Brandenburg
Hecken: Ein Drittel der Höhe, gemessen am grenznächsten Pflanzenteil.
Bäume: Abstand mindestens 4 m.
Bremen und Hamburg
Keine vorgeschriebenen Abstände. Man baut auf Vernunft und Absprachen zwischen den Nachbarn.
Hessen
Hecken; Bis 1,20 m Höhe = 25 cm Abstand, bis 2 m = 50 cm, höhere Hecken = 75 cm.
Bäume: Sehr stark wachsend = 4 m, stark wachsend = 2 m, kleiner = 1,5 m.
Sträucher: Stark wachsend = 1 m, übrige = 50 cm.
Mecklenburg-Vorpommern
Die Regierung hat bereis mehrere Entwürfe zum Landes-Nachbarschaftsrecht formuliert, der Landtag aber nicht abschließend abgestimmt.
Niedersachsen
Hier wird nicht zwischen Hecken, Sträuchern und Bäumen unterschieden.
Pflanzen bis 1,2 m = 25 cm Abstand, bis 2 m = 50 cm, bis 3 m = 75 cm, bis 5 m = 1,25 m, bis 15 m = 3 m, über 15 m = 8 m.
Nordrhein-Westfalen
Hecken: Bis 2 m = 50 cm Abstand, darüber = 1 m.
Sträucher: Stark wachsend = 1 m, alle übrigen = 50 cm Abstand.
Bäume: Stark wachsend = 4 m, alle übrigen = 2 m Abstand.
Rheinland-Pfalz/Saarland
Hecken: Bis 1 m = 25 cm Abstand, bis 1,5 m = 50 cm, höher = 75 cm.
Sträucher: Stark wachsend = 1 m Abstand, übrige = 50 cm.
Bäume: Sehr stark wachsend = 4 m, stark wachsend = 2 m, übrige = 1,5 m.
Sachsen
Kein Unterschied zwischen den Gehölzen. Es gilt einfach:
Pflanzen: Bis 2 m = 50 cm Abstand, über 2 m = 2 m.
Sachsen-Anhalt
Hecken, Bäume und Sträucher: Bis 1,5 m = 50 cm, bis 3 m = 1 m, bis 5 m = 1,25 m, bis 15 m = 2 m, über 15 m = 6 m.
Schleswig-Holstein
Für Pflanzen bis 1,20 m Höhe ist kein Abstand definiert, es dürfen aber keine Pflanzenteile aufs Nachbargrundstück ragen. Bei Höhen über 1,20 m ist eine Drittel der Höhe für jedes Pflanzenteil einzuhalten.
Thüringen
Hecken: Bis 1 m = 25 cm, bis 1,5 m = 50 cm, bis 2 m = 75 cm. Darüber: Tatsächliche Höhe minus 1,25 m ergibt den zulässigen Grenzabstand.
Sträucher: Stark wachsend = 1 m, andere 50 cm.
Bäume: Sehr stark wachsend = 4 m, stark wachsend = 2 m, andere = 1,5 m.
An diesem verwirrenden Regelwerk lässt sich das ganze Elend der deutschen Kleinstaaterei erkennen: Geradezu fanatisch verteidigen die Länderparlamente ihre Gesetzgebungskompetenz und konstruieren dabei unsinnige lokale Eigenheiten wie die Unterscheidung zwischen „normal, stark und sehr stark“ wachsenden Gehölzen. Es liegt doch auf der Hand, dass solch schwammige Formulierungen die Grundlage für nachbarschaftliche Auseinandersetzungen schaffen und so dem Ziel eines guten Gesetzes entgegen stehen, nämlich für Rechtsklarheit und -sicherheit zu sorgen.
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