wize.life
Neu hier? Jetzt kostenlos registrieren und mitmachen! Warum eigentlich?
Kunst verstehen: Max Beckmann, Hochzeit, Carneval und Melancholie ...

Kunst verstehen: Max Beckmann, Hochzeit, Carneval und Melancholie ...

Volker Barth
25.02.2017, 20:00 Uhr
Beitrag von Volker Barth

Max Beckmann, ein Maler der Moderne, der das Welt-Theater sich erkundschaftete und auf dessen Bühne spielt eben der Alltag. Er entwickelte eine erzählende und mythenhafte Malerei, die in zehn Triptychen ihren Höhepunkt erreichte. (Triptychon ist ein Kunstbegriff für ein dreigeteiltes Andachts- bzw. Altarbild).

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete sich Max Beckmann als Freiwilliger zum Sanitätsdienst nach Flandern. Nach seinem psychischen Zusammenbruch wurde er ein Jahr später aus dem Militärdienst entlassen. Er zog nach Frankfurt am Main.

Es war das Jahr 1925: Max Beckmann ließ sich von seiner Frau Minna (geb. Tube) scheiden, die er 1906 heiratete. Danach lebte diese weiterhin mit dem gemeinsamen Sohn Peter (geb. 1908) in Graz, ab 1928 dann in Berlin. Noch im gleichen Jahr heiratete in München Max Beckmann die Tochter Mathilde (zwanzig Jahre jünger) des Porträt- und Historienmalers Friedrich August von Kaulbach („Quappi“ genannt, abgeleitet von Kaulbach/Kaulquappe), eine Geigerin und Sängerin. Zu diesem sehr „glücklichen Lebensmonent“ kam noch hinzu seine Berufung an die Kunstschule des Städel-Museums in Frankfurt.

Hier entstand dann das „Doppelbildnis Max Beckmann und Quappi, Karneval“ und er schrieb an seine Ehefrau am 9. August 1925 dazu: „Schön wird unser Brautbild ... Ich denke immer an Dich und unser Bild ... Jetzt werde ich ganz gefressen von der Malerei!“

am 11. oder 12. August 1925: „Also heute ist unser Bild Max Beckmann und Quappi fertig geworden. - Ich bin ganz down, aber doch recht froh. - Das wäre also realisiert ... dann können wir mal n‘bißchen nach Italien (Hochzeitsreise) fahren.“

Trotz allem spürte Max Beckmann, nach eigenem Bekunden „eine furchtbare Kraft der Verneinung in sich“ (Spätfolgen seiner Erlebnisse vom Ersten Weltkrieg). So entstand ein Zwiespalt zwischen Lebensfreude und Existenzsorgen.

Max Beckmann empfand das Doppelbildnis als das Hochzeitsbild(!), dessen Mal-Tradition sogar auf Jan van Eyck und Peter Paul Rubens zurückgeht. In diesem Bild kann aber leider von Liebe und Zuversicht keine Rede sein.

Solch ein Pferdekostüm ...

"Quappi" steht mit ihrem dominanten, karnevalistischen Pferdekostüm (übrigens war sie eine begeisterte Pferdeliebhaberin) und ihrem Ehemann, einem „Künstlerclown“, auf der Bühne. Als Hintergrund dient ein Theatervorhang mit einem dunklen, leichtgeöffneten, Spalt. Sie macht einen Schritt vorwärts, er steht recht starr und unbeholfen, aber rauchend daneben. Sie berühren sich nicht! - aber der „Gleichklang der Hände“ betont eine gewisse Gemeinsamkeit, während sie aber die Zügel in ihrer Hand hält. Gleichzeitig weist ihr Dreispitz auf dem Kopf auf „Napoleon“ hin und während Max Beckmann dem traurigen Clown Gilles, kreiert von Jean-Antoine Watteau, ähnelt.

Bemerkenswert ist noch: Anläßlich der Hochzeit von Quappis Schwester Hedda, im Frühjahr 1925, gibt es eine Max Beckmann Skizze. Sie zeigt Quappi im Pferdekostüm inmitten von Braut und Gästen - Bleistift, 48 mal 31,8 Zentimeter, Museum der Bildenden Künste Leipzig.

Zum Weiteren existiert ein S/W-Foto: „Quappi im Pferdekostüm“ von einem Kostümfest 1925 im Garten des Kaulbachschem Hauses.

Eine ganz kurze Kurz-Biografie

Max Beckmann, 1884 in Leipzig geboren, besuchte von 1899 bis 1903 die Weimarer Akademie. Er lebte in Paris, Genf und Florenz und ab 1907 in Berlin. 1915 zog er nach Frankfurt am Main, dort lehrte er bis 1933 an der Städel-Kunstschule. 1937 emigrierte er nach Holland und übersiedelte 1947 von dort nach New York, wo er 1950 starb.

Genaueres aus der NS-Zeit: Am 18. Juli 1937 erfolgte die Eröffmung der offiziellen Ausstellung nationalsozialistischer Kunst im Münchner Haus der Deutschen Kunst. Max Beckmann hörte Hitlers Eröffnungsrede im Radio, am Tag darauf verließ er und seine Frau Mathilde (Quappi) in Begleitung ihrer Schwester Hedda von Kaulbach, die seit längerem in den Niederlanden lebte, Deutschland, um sich ins Amsterdamer Exil (1937-1947) zu begeben. An eben diesem 19. Juli 1937 wurde die Schmäh-Ausstellung „Entartete Kunst“ in den Münchner Hofgartenarkaden eröffnet - darin befanden sich zehn Gemälde und einige graphische Blätter von Max Beckmann.

Zu der Bilderleiste

Ein Parallelbild zum „Hochzeitsbild“ befindet sich heute in der Kunsthalle Mannheim, der Titel „Fastnacht von 1925“. Es ist eine Groteske, eine Liebeserklärung an die von Max Beckmann gerade geheirateten jungen Frau, die Musikerin. Das Motiv, eines von vierzehn, stand im Zentrum der epochemachenden Ausstellung „Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“. Der maskierte, “grüne Max Beckmann(?)“ applaudiert mit hochgestreckten Beinen seiner Ehefrau.

Ein gigantisches Meisterwerk ist Max Beckmanns Triptychon „Carneval“, einer von zehn (1932 bis 1950), gemalt im Exil Amsterdam 1942/43. Ursprünglich betitelte er diesen Triptychon „Adam und Eva“, bevor am 17. April 1943 daraus „Carneval“ wurde, aber trotzdem blieben es "Paradies-Szenen": Linke Tafel “Verführung“, rechte Tafel „Vertreibung“ und Mitteltafel “Nach der Vertreibung“. (Adam ist Max und Eva Quappi - vertrieben werden sie durch einen furchterregenden Engel mit Schwert - weg aus Frankfurt und Berlin, ab ins Amsterdamer Exil ...). Nun zu den Texten in den Bildern: Auf dem Mittelbild (Schild oben): „(C)ARNAV(a)l AMST(erdam)“ und unten auf dem Schallrohr „DA ORIENT SUMAT“ (Sumatra - eine Bar in Amsterdam?) - Auf dem linken Flügel „(Karn)EVAL AMSTERDA(m) und auf dem rechten Flügel (unten: Kappe des Liftboys „EDEN“) und oben rechts „(Ed)EN HO(t)E(l)“.

Jetzt folgt das Doppelbildnis von 1941 „Quappi und Max Beckmann“ aus dem Stedelijk Museum in Amsterdam. Hier zeigt das Ehepaar Beckmann seinen weltmännischen Stil, er mit Stock, weißem Schal und schwarzem Hut (Zylinder?) mit der Inschrift „LONDON“. Elegant begleitet Quappi Max, wobei sie ihre linke Hand auf seine Schulter legt und mit ihrer rechten eine prachtvolle Blume präsentiert.

Als Nächstes ein exquisites Bild „Fastnachtmaske, grünviolett und rosa (Columbine)“ von 1950, aus Max Beckmanns Motivbereich „Theater“ mit Maske, Kostümierung und Esoterik stammend. Dargestellt ist eine Hauptfigur der Commedia dell‘Arte - eine kokette Magd, Köchin oder Zofe und Partnerin des Harlekin. Sie trägt eine Augenmaske, ist verführerisch, raucht, benutzt Spielkarten, hat einen massiven Körper, einen kleinen Kopf und - spreizt ihre kräftigen Beine.

Zum Schluß: Das Foto „Max Beckman mit seiner Frau“ in Baden-Baden im Jahre 1928.

Links:

(Max Beckmann - Frankfurt)
https://www.frankfurt.de/sixcms/deta...5D=29657671

(Städelschule - Frankfurt)
https://de.wikipedia.org/wiki/Staatl...tädelschule

(Triptychon)
https://de.wikipedia.org/wiki/Triptychon

(Max Beckmann - Amsterdam)
https://kuenste-im-exil.de/KIE/Conte...nn-max.html

(Museum Kunstpalast Düsseldorf)
https://de.wikipedia.org/wiki/Museum_Kunstpalast

Map-Data:
Stiftung Kunstmuseum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf

Diesen Inhalt jetzt auf Facebook teilen!
Diesen Inhalt jetzt auf Twitter teilen!

7 Kommentare

Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Der Krieg kann schon in einem sensiblen Menschen seine Spuren hinterlassen.
Aber warum stellt er seine junge Frau auf dem Hochzeitsbild so missmutig dar.
Ich bin ja nur ein Laie, verstehe nicht was der Künstler ausdrücken will.
Danke dir für diesen Einblick in die Kunst.
  • 28.02.2017, 12:41 Uhr
  • 0
Volker Barth
Liebe Lore - ich versuchte so zu antworten ("Trotz allem spürte Max Beckmann, nach eigenem Bekunden „eine furchtbare Kraft der Verneinung in sich“) sicher nicht ausreichend genug, aber ...
  • 28.02.2017, 16:10 Uhr
  • 0
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.
Das war damals also die neue Sachlichkeit,
lag es daran, dass man das Fotografieren entdeckt hatte?
Die Melancholie sehe ich auch in den Gesichtern -
eigentlich sogar Misstrauen, aber
darüber hinaus Unheil und Schrecken.
Vielleicht hat Max Beckmann
den Nazi-Terror schon erahnen können
  • 26.02.2017, 08:36 Uhr
  • 3
Volker Barth
... Einen ganz lieben Kommentar - danke Volker
  • 26.02.2017, 08:39 Uhr
  • 1
Ein sehr kluger Kommentar Bele
  • 26.02.2017, 09:13 Uhr
  • 1
Ich habe großes Interesse an den
schönen Künsten, aber mir fehlt
da einfach die Schulbildung.
Aber trotzdem tausend Dank
für das reizende Kompliment, Malisa
  • 26.02.2017, 09:51 Uhr
  • 2
Ich denke, es waren seine Erlebnisse im 1. WK, durch die diese Melancholie zustande kam.
  • 26.02.2017, 20:17 Uhr
  • 1
Melden Sie sich jetzt mit Ihrem Nutzerkonto an, um Kommentare zu hinterlassen.