Vergewaltigung ist kein allein europäisches oder gar ein rein deutsches Problem. Es ist aber, ausgehend von unserer Kultur und soweit es uns betrifft, unser Problem, dass wir alle verdrängen und verharmlosen. Am einfachsten gerade jetzt, wo es leicht fällt, auf viele Schuldige anderer Ethnien zu zeigen und zu verdrängen, was wir mit und in uns tragen, was wir zu verantworten haben und was nur wir ändern können und müssen
Völlig unabhängig von solch "faktenblinden" Aussagen wie: Hier bei wl wird immer wieder versucht “Vergewaltigung” einzig dem "deutschen" Mann zuzuschreiben. Ein Schlagwort, um zu provozieren, aber dabei nicht der Opfer gedenkt, im Gegenteil: Auf Kosten der Opfer. Macht es für die Opfer ein Unterschied, welche Herkunft, welche Ethnie die Täter haben ? Wohl kaum.
Auf wize.life gibt es, wenn überhaupt, in der Regel ein genau umgekehrtes Handeln: Es wird immer wieder und wieder dargestellt, dass Vergewaltigungen weitgehend von Ausländern begangen werden. Die Art der Darstellung wiederum zielt in erster Linie nicht darauf ab, die Opfer zu bedauern. Ich bezweifele sogar, dass an die Opfer überhaupt gedacht wird. Wäre das so, dann hätte doch in den letzten 12 Monaten mindestens ein- oder zweimal eine der gruseligen Vergewaltigungen aufgeführt sein müssen, die keine fremde Ethnie, sonder einer von uns Mitteleuropäern begangen hat. Die wir nicht einem Täter der frauenverachtenden, patriarchalischen oder Vergewaltigungskulturen zuweisen können. Eine Vergewaltigung, die wir unserer Sozialisation, unserer Erziehung, unserem oft so verharmlosendem Verhalten beispielsweise zurechnen müssen.
Dieses Verharmlosen findet zum Beispiel direkt in unserem popkulturellen Bereich statt: wenn der Moderator Joko vom Krawallduo Joko und Klaas auf ZDFneo bei einer Wette einer Messehostess ungefragt an Brust und Po fasst, und Klaas kommentiert: "Die hat sich richtig entwürdigt gefühlt, die steht jetzt bestimmt sechs Stunden unter der Dusche und heult." Ein verharmloster sexueller Übergriff mit 500.000 Klicks auf YouTube. Dass es völlig okay ist, sich Frauen einfach zu nehmen, kultiviert auch die österreichische Popband Wanda. "Nimm sie, wenn du glaubst, dass du's brauchst, steck sie ein wie 20 Cent", heißt es in einem Song auf ihrem Album "Bussi".
Auch Filme und Serien verharmlosen sexuelle Gewalt, indem sie Vergewaltigungen so "erotisch" wie Sexszenen inszenieren oder sie als Plotfüller einsetzen, ohne Ursachen oder Folgen der Tat zu thematisieren oder den Handlungsstrang überhaupt weiter zu verfolgen. Auch in der Serie "Game of Thrones" kommen massenhaft Vergewaltigungsszenen vor, und in der Netflix-Serie "Narcos" schiebt Drogenboss Pablo Escobar einer - von ihm abhängigen - Journalistin regelmäßig entweder eine Pistole in die Vagina oder würgt seine "Geliebte", ohne dass das weiter Thema wäre.
Wer jetzt österreichische Schlager liebt und Wanda hört oder im Bett abends Narcos guckt, fällt nicht gleich über die nächstbeste Person her, malträtiert und vergewaltigt sie. Doch Bilder, Sprache, Riten und Gewohnheiten prägen unser Bewusstsein und können in anderen Situationen handlungsleitend sein. Nach einem Streit, nach Drogen und Alkohol oder in Ausnahmesituationen wie auf einem Volksfest, in einem Stadion, auf einem Festival, im Krieg oder in einer Silvesternacht können sie dazu beitragen, dass moralische Überzeugungen aufweichen und Gewalthandlungen nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Die Täter in Köln haben sich die sexuellen Übergriffe vermutlich nicht bei Joko und Klaas abgeguckt, sondern in ihrer eigenen frauenverachtenden, patriarchalen oder eben Rape-Kultur - und vielleicht war da auch eine Folge Game of Thrones dabei.
In der ehemaligen DDR gab es keine Vorfälle, wie bei uns vor zwei Jahren in Köln - und dennoch kann der Schriftsteller Frank-Rainer Schurichs uns in seinem Buch "Tödliche Lust" spektakuläre Sexualdelikte in der DDR beschreiben und damit ein gesellschaftliches Phänomen, das auch dort jahrelang vertuscht und verdrängt wurde. Neben Tatschilderungen und Täterpsychogrammen berichtet der Autor über die polizeiliche Ermittlungsarbeit und die Verhöre von Opfern und Tätern. Ein weiteres Stück ostdeutscher Kriminalgeschichte. Mord und Vergewaltigung, Kindesmißbrauch und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bestimmen den Inhalt der spannend wie Reportagen geschilderten Fälle und Täterpsychogramme aus dem Osten Deutschlands, die oft im Dunkeln blieben, da sie diametral zum herrschenden Gesellschaftsbild standen und nicht berichtenswert war, was ohnehin nicht sein durfte. Schurich kennt sich als ehemaliger Kriminalistikprofessor auf dem behandelten Gebiet fachmännisch aus, was immer spürbar ist und eine wohltuend seriöse Atmosphäre über das Buch breitet.
In Salem wollte ein Erzieher einen Elfjährigen vergewaltigen. Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen in kirchlichen Einrichtungen brechen ihr Schweigen. Einem Bericht des Tagesspiegel zufolge sind auch in Heimen der DDR Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden.
Hier zu konstatieren dass es für die Opfer keinen Unterschied mache, welche Herkunft, welche Ethnie die Täter haben, ist nichts weiter, als egoistisches Lamento der ganz besonderen Art. Und gerade da wohl besonders perfide, wo eine Frau solches formuliert. Denn wir sind die, die bei uns und mit uns etwas verändern können, weil es allein in unserer Verantwortung liegt. Jeder Widerspruch an dieser Stelle ist einfach nur dummes Geschwätz und der Versuch, etwas zu beschönigen, was schon lange nur noch verwerflich und kriminell ist.
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