"Gilt man einmal als weise, dann ist es schwierig, das Gegenteil zu beweisen." Sir Peter Ustinov, von dem dieser herrliche Satz stammt, war und ist mir in vielen Lebenslagen ein Vorbild gewesen. Mit seinem vielfältigen Engagement für Kinder, mit seinen Augen, die so weise in die Welt schauten und für jeden offensichtlich ein Lächeln bereit hielten, mit seinem Charisma, das so ungezwungen war und ohne jede Attitüde.
Können wir das auch?
Ist dieses schöne Altersglück nur Einzelnen vorbehalten? Oder kann das jeder werden, wenn er sich ein Stück weit seine Unbefangenheit aus Kindheitstagen erhält oder wieder zurück gewinnt?
Eine liebe Freundin von mir, die gerade erleben muss, wie ihre Mutter zunehmend dement wird und nicht mehr allein leben kann, und ich haben uns vor ein paar Tagen darüber unterhalten, dass auch wir immer häufiger Dinge vergessen. Man geht in die Küche, um etwas zu holen, und steht vor dem Kühlschrank, ohne auch nur noch die geringste Ahnung zu haben, was man eigentlich hier wollte. Man vergisst plötzlich mitten im Gespräch, was man unbedingt sagen wollte, und weiß nicht mehr weiter.
Mit Freunden haben solche Situationen etwas Heiteres, man lacht gemeinsam und kann ganz offen, die kleinen Aussetzer bekennen. Im Job wird es schon schwieriger. Da schreibt man an einem Artikel, der unbedingt fertig werden soll, und ringt nach dem richtigen Wort - so wie man bei englischen Vokabeln als Kind in der Klasse saß und vor lauter Aufregung nicht weiter wusste. Man sitzt in einem Meeting und vergisst die Quintessenz.
"Kennst du den Witz?"
Meine Freundin Vero unterbrach unseren philosophischen Gedankenaustausch über das Alter und seine Folgen. "Du weißt, ich kann ja keine Witze erzählen und noch schlechter behalten, aber ich versuche mal, ob ich ihn noch zusammen bekomme." Sie macht eine kleine Pause.
"Drei Männer verabreden sich für einen geselligen Abend. Wo wollen wir hin?, fragt der eine. Zum Hirschen, erwidert der zweite. Auja, sagt der dritte, die haben so eine knackige Bedienung. Etliche Jahre später: gleiche Männer, gleiche Frage. Auja, sagt der zweite, zum Hirschen, die haben einen tollen Wein. Wieder etliche Jahre später antwortet der erste auf die Frage, wohin sie denn möchten. Jaja, zum Hirschen, das Essen ist dort recht gut und die Portionen sind schön groß. Und dann, als die drei schon sehr vorgerückten Alters sind, sagt der dritte auf die gleiche Frage: Ja mei, zum Hirschen? Von mir aus, da waren wir ja noch nie!"
Vero und ich lachen laut. Umso vergnüglicher, als wir ahnten, das könnte uns genau so ergehen. Vielleicht nicht in den nächsten Wochen und Monaten, aber irgendwann.
Müssen wir uns deshalb grämen oder gar ängstigen?
Wohl kaum. Irgendwann vergessen wir wahrscheinlich sogar, dass wir etwas vergessen haben, und sitzen in einem schönen Schaukelstuhl und erinnern uns an dieses oder jenes. Was dann bleiben wird in unserer Erinnerung und von unserem Leben, ist das wirklich Kostbare. Dazu gehört mit Sicherheit, was man getan hat, obwohl man es nicht sollte. Ein anderer weiser Mann, Willian Somerset Maugham, hat dies trefflich formuliert:
"Im Alter bereut man vor allem die Sünden, die man nicht begangen hat."
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