Living apart together heißt eigentlich der neue Trend, wenn man Medien und Meinungsforschern glauben will. Auch und gerade die so genannten Senioren entdecken den Vorteil einer lockeren Beziehung. Man ist zusammen, aber lebt nicht zusammen. Jeder hat seine eigene Wohnung, man sieht sich, wenn beide Zeit und Lust haben. Unverbindlich verbunden: Die konventionelle Ehe mit gemeinsamem Haushalt haben viel zu diesem Zeitpunkt hinter sich.
Gerade um die Mitte des Lebens entwickeln sich Frauen und Männer noch einmal stark weiter, mitunter auch in ganz verschiedene Richtung. Dies führt dann nicht selten zu Krisen in der Partnerschaft und zu Trennungen. Die Lebensphase, in der Familie, Kinder und berufliche Karriere im Mittelpunkt standen, ist abgeschlossen und man entdeckt neue intellektuelle, geistige und kulturelle Interessen, mitunter auch völlig neue Fähigkeiten.
Eine Kollegin, die seit Jahrzehnten als Controllerin erfolgreich tätig ist und immer sehr in Kunst und Kultur interessiert war, gestaltet nun selbst: Statuen und Skulpturen. Erste Käufer haben sich bereits gefunden, ein neuer Beruf, aus einer neuen Berufung erwachsen, kündigt sich an.
Das Leben ist noch nicht vorbei. Es beginnt noch einmal neu!
Eine gute Freundin erlebt gerade einen ähnlichen und doch ganz anderen Neuanfang. Sie hat sich innerhalb von wenigen Wochen von ihrem Mann getrennt, die Scheidung eingereicht und ist zu ihrer neu entdeckten Jugendliebe gezogen. Ein Wiedersehen bei einem Klassentreffen hat den beiden klar gemacht, wir gehören zusammen. Sie haben den Abend und die ganze Nacht ihr Leben erzählt und festgestellt, der andere hat irgendwie immer gefehlt. Man war gebunden und hat sich nicht getraut. Jetzt ist mit Blick auf die vergangenen Lebensjahre klar geworden: Sie haben keine Zeit mehr zu verlieren.
Monis Mann, ihre erwachsenen Kinder und auch ich hätten ihr so viel Mut und Entschlossenheit, Spontanität und Tatkraft nicht zugetraut. Moni hatte sich irgendwie immer angepasst und "beigeordnet", wirkte oft unentschlossen und unsicher. Ihr Mann hatte die Führungsrolle übernommen und sie hatte sie ihm überlassen, offensichtlich gern und ohne zu murren, ein eingespieltes Team eben.
Nun ist sie 100% sicher. "Ich habe noch so viel vor, und zum ersten Mal in meinem Leben, weiß ich ganz genau, was ich will", sagte sie zu mir, "bis jetzt habe ich immer nur getan und gemacht, funktioniert eben. Jetzt nehme ich mein Leben in meine eigenen Hände."
Der Wiener Soziologie-Professor Leopold Rosnemayr beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch "Schöpferisch Altern". Es ist eine typische Erscheinungsform unserer Zeit.
Der neue Mann fürs Leben ... und ganz in Weiß.
Sobald die Scheidung durch ist, wollen Moni und ihre alte neue große Liebe heiraten. Ihre Kinder, Eltern und auch ihr Noch-Ehemann haben nach anfänglicher Fassungslosigkeit begriffen und akzeptiert, dass Moni ein Recht auf "ihr" Lebensglück hat. Sie werden alle zur Hochzeit eingeladen sein und kommen. Ich auch.
Und ich bewundere meine Freundin für ihre Ent-Scheidung.
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