Ja, wir lächeln tapfer und fast rund um die Uhr. Aber genießen wir es auch? Und vor allem - was tun wir mit den Lachfältchen? Wohin bloß mit den Zeugen unseres parkett- und stilsicheren Verhaltens? Immer mehr Menschen finden ihre Lebenslinien wenig attraktiv. Ihr Gesicht soll bitte schön nicht davon zeugen, dass Leben stattgefunden hat. Weder im Guten noch im Schlechten. Lachfalten, Sorgenfalten - unsere Zeit hat keinen Platz dafür, also nix wie weg damit!
Also folgen immer mehr Frauen wie auch zunehmend Männer dem Trend, den VIPs und Stars und Sternchen weltweit setzen. Füllmaterial muss her und notfalls auch eine OP.
Aber was ist schön an einem Gesicht, das gestrafft, gefüllt, unterspritzt und voller Implantate ist?
Im Grunde meint es die Natur ja sehr gut mit uns. Erst einmal sind alle Spuren des Lebens, Lachens, Sorgens und Denkens sehr fein und nahezu unsichtbar. Ab 30, bei manchen sogar erst ab 40 werden diese Spuren deutlicher und auch zahlreicher. Schwupp, sitzen wir dann bei überlaufenen Dermatologen und Schönheitschirurgen, zahlen Unsummen für Füllmaterial, Botulinum-Toxin, Hyaluronsäure, Unterspritzung und neuerdings sogar für eine Ohrfeigen-Therapie, die gegen Falten helfen soll.
Die Nebenwirkungen sind zahlreich und trotz aller Beruhigungen seitens der Schönheitsindustrie gegeben. Schwere Infektionen, Deformationen, Allergien, knötchenartige Wucherungen bis hin zu Geschwüren sind die Auswüchse. Unschöne Nebenwirkungen sind betonierte Gesichtszüge, maskenartige Starre und unnatürliche Mimik. Da schaut ein reifer Schauspieler, eine durchaus betagte Schauspielerin, ja selbst eine unbetagte Zwanzigerin mit Kunstgesicht in die Welt und in die Kamera und macht alle anderen, die noch nicht dem Faltenlos-Guru verfallen sind, glauben, das sei das Ziel, der Sinn des Lebens.
Unnatürlich unschön schöne Zeit.
Dies beginnt für mich übrigens nicht erst dann, wenn ein Implantat verrutscht oder unerwünschte Gewebereaktionen hervorruft, wie selbst Mediziner zugestehen. Das beginnt für mich bereits dann, wenn plötzlich viele das gleiche Näschen haben, die gleichen Wangen, die gleichen Augenbrauen, die gleiche faltenfreie Stirn, die gleichen prallen Schmolllippen.
Die schlimmen Folgen kann man durch biologisch abbaubare Filler oder Eigenfett verhindern, zumindest deren Wahrscheinlichkeit reduzieren. Die ganz normalen Folgen können wir alle verhindern. Indem wir unseren Kindern und Enkelkindern Mut zu einem eigenen gesunden Selbstbewusstsein machen. Indem wir unseren Frauen und Männern sagen, dass sie so, wie sie sind, schön sind. Indem wir uns vor unseren Spiegel stellen und uns lieben lernen, so wie wir sind. Und indem wir erkennen, dass hinter der Schönheitsindustrie vor allem eine Industrie steht, die mit Marketing und hoher Verführungskunst vor allem eines will: unser Geld.
Und so werde ich, auch wenn mir mit zunehmenden Jahren der Gedanke immer mal wieder durch den Kopf zuckt, ob ich vielleicht nicht doch etwas gegen das Altern tue, standhaft bleiben und versuchen, in Würde zu altern. Dazu gehört es, meine Fältchen, auch wenn sie Falten werden, zu schätzen und weiter zu lachen und zu leben und zu genießen. Um am Ende zu sagen: Auch meine Dellen sind schön. Schließlich steckt hinter jeder eine Erfahrung. Schließlich ist jede Ausdruck für ein in Freude, Glück und Sorge reiches Leben.
PS: Ich schreibe dies, wohl wissend, dass die kosmetische und ästhetische Chirurgie durchaus auch Gutes tut. Dann wenn schlimme Unfallfolgen oder schwere Krankheiten Menschen entstellen. Alter und Falten und gar Lachfältchen gehören für mich auf keinen Fall in diese Rubrik. Sie sind kleine Denkmäler, die uns daran erinnern, dass wir Menschen sind, weder Maschinen noch Statuetten, und deshalb menschlich bleiben dürfen.
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